Wohnungseigentümerversammlung: BGH erlaubt Eigentümerversammlungen ohne Präsenz

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Mehrfamilienhaus als Symbolbild für Eigentümerversammlung

Die COVID-19-Pandemie brachte zahlreiche Herausforderungen mit sich, darunter auch für Wohnungseigentümer und ihre Verwalter. In dieser besonderen Ausnahmesituation mussten wichtige Entscheidungen getroffen werden, die oft im Spannungsfeld zwischen Wohnungseigentumsrecht und Infektionsschutzrecht lagen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat kürzlich in einem interessanten Urteil entschieden, dass Beschlüsse, die während der COVID-19-Pandemie von einer Wohnungseigentümergemeinschaft gefasst wurden, nicht aufgrund der ausschließlichen Teilnahme der Eigentümer durch Erteilung von Vollmachten an den Verwalter für die Präsenzversammlung als nichtig betrachtet werden können (Pressemitteilung des BGH vom 05.03.2024).

Dilemma für Verwalter während der Pandemie

Der BGH betonte in seinem Urteil, dass Verwalter in einer unauflöslichen Konfliktsituation während der Pandemie standen. Einerseits mussten sie gemäß § 24 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) mindestens einmal im Jahr eine Versammlung einberufen, andererseits war die Durchführung von Präsenzveranstaltungen infektionsschutzrechtlich ausgeschlossen. Die Gefahr, gegen Corona-Schutzvorschriften zu verstoßen, zwang Verwalter dazu, alternative Wege zu finden.

Erfolgreicher Fall vor dem BGH

Ein konkreter Fall aus Südhessen illustriert diese Problematik. Eine Verwalterin hatte zu einer schriftlichen Eigentümerversammlung am 24. November 2020 eingeladen und die Eigentümer aufgefordert, ihr eine Vollmacht und Weisungen für die Stimmabgabe zu erteilen. Lediglich fünf von 24 Eigentümern kamen dem nach. Die Kläger entschieden sich dagegen. In der Versammlung war nur die Verwalterin anwesend, die daraufhin ein Protokoll mit den gefassten Beschlüssen übersandte. Der BGH urteilte nun, dass diese Vorgehensweise nicht zu beanstanden sei.

Nichtigkeit von Beschlüssen nicht gegeben

Obwohl die Durchführung von Vertreterversammlungen gegen die Vorgaben des WEG verstößt, erklärte der BGH die Beschlüsse nicht für nichtig. Eine "echte" Eigentümerversammlung sei aufgrund der Pandemie nicht möglich gewesen, und die Abhaltung einer Vertreterversammlung sei aus Praktikabilitätserwägungen erfolgt. Der BGH stellte klar, dass Beschlüsse nur dann nichtig sind, wenn sie gegen eine Rechtsvorschrift verstoßen, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann.

Ausblick auf zukünftige Regelungen

Der Fall verdeutlicht die Notwendigkeit von gesetzlichen Regelungen für virtuelle Eigentümerversammlungen. Aktuell sieht das WEG eine rein virtuelle Versammlung nicht vor, doch ein Gesetzentwurf im Bundestag könnte dies ändern. Nach diesem Entwurf könnten Wohnungseigentümer beschließen, dass die Versammlung ohne physische Präsenz stattfinden kann, vorausgesetzt, mindestens drei Viertel der Eigentümer stimmen zu. Diese mögliche Gesetzesänderung könnte künftig die rechtliche Grundlage für virtuelle Versammlungen schaffen und damit eine praktikable Lösung für ähnliche Situationen bieten.

Insgesamt zeigt dieses Urteil des BGH, dass in Ausnahmesituationen pragmatische Lösungen notwendig sind und dass die Gesetzgebung flexibel auf neue Herausforderungen reagieren muss, um die Handlungsfähigkeit von Wohnungseigentümergemeinschaften zu gewährleisten.

Foto(s): Titelbild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

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