Work-Life-Balance und Kurznachrichten vom Arbeitgeber

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Nachrichten vom Chef müssen in der Freizeit nicht gelesen werden – könnte man meinen. Das höchste deutsche Arbeitsgericht entschied jedoch: eine SMS vom Chef mit Dienstanweisungen, welche dem Arbeitnehmer in seiner Freizeit gesendet wird, muss unter Umständen doch gelesen werden.

Wie es dazu kam:

Ein Notfallsanitäter klagte gegen seine Arbeitgeberin gegen eine Abmahnung sowie den Abzug von Stunden von seinem Arbeitszeitkonto, welche diese vornahm, nachdem er zu spät zu seinem Dienst erschien. Hintergrund seiner Verspätung war eine SMS der Arbeitgeberin, welche dem Sanitäter am Vortag seines sogenannten unkonkreten Springerdienstes gesendet wurde, um seine Arbeitszeiten für den Folgetag zu konkretisieren. Für den Betrieb der Parteien gilt eine Betriebsvereinbarung, welche unter anderem Bestimmungen über die Konkretisierung der Arbeitszeiten für diesen unkonkreten Springerdienst festlegt. Die besagte SMS wurde von dem Kläger jedoch nicht gelesen, weshalb er verspätet zum Dienst erschien. Die Beklagte berief sich auf die Regelungen der Betriebsvereinbarung, zog ihrem Arbeitnehmer die entsprechenden Stunden als unentschuldigte Fehlstunden von seinem Arbeitszeitkonto ab und erteilte ihm, nachdem sich das Geschehen ein zweites Mal wiederholte, eine Abmahnung. Hiergegen wehrte sich der Kläger vor Gericht.

Während in der ersten Instanz die Klage keinen Erfolg hatte, gab das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein dem Kläger Recht und argumentierte, dass es sich auch beim Lesen einer Kurznachricht per SMS in der Freizeit um eine Arbeitsleistung handle und der Arbeitnehmer ein Recht auf Unerreichbarkeit in seiner Freizeit habe. Die hiergegen eingelegte Revision hatte Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht (BAG - Urteil vom 23.08.2023, 5 AZR 349/23) hob die Entscheidung des LAG auf. Es stellte fest: Der Sanitäter hätte die SMS zur Kenntnis nehmen müssen und die entsprechende Dienstanweisung befolgen sollen.

Die Argumentation des BAG

Nach dem BAG wurde im vorliegenden Fall durch die Betriebsvereinbarung geregelt, dass eine Konkretisierung von Arbeitszeiten bei sogenannten unkonkreten Springerdiensten bis 20 Uhr am Vortrag mitgeteilt werden kann. Dem Notfallsanitäter oblag damit eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, die Zuteilung der konkreten Dienstzeit des Folgetages auch in seiner Freizeit zur Kenntnis zu nehmen. Das BAG stellte richtig, dass es sich beim Lesen einer SMS Nachricht gerade nicht um Arbeitszeit handle, da dem Arbeitnehmer hierbei keine Einschränkungen solcher Art entstehen würden, welche ihn daran hinderten, über seine Zeit frei zu verfügen und sich eigenen Interessen zu widmen. Der Kläger war in keiner Hinsicht dazu verpflichtet, ununterbrochen auf sein Mobiltelefon zu schauen, sondern hätte lediglich mit einer Mitteilung bis 20 Uhr des Vortages rechnen müssen.

Was daraus folgt:

Wenn eine Betriebsvereinbarung Vorgaben macht oder eine betriebliche Übung besteht, dann muss der Arbeitnehmer sicherstellen, dass er auch die noch so kurze Nachricht vom Arbeitgeber – mit der er rechnen kann – rechtzeitig zur Kenntnis nimmt. Das mag die Freizeit und die Work-Life-Balance des Arbeitnehmers stören, rechtfertigt sich jedoch durch die arbeitsvertraglichen Umstände. Es gibt also kein Recht darauf, von seinem Arbeitgeber stets auch in der Freizeit unbehelligt zu bleiben.


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