Zigarettenautomatenaufbruch - Wann liegt ein versuchter Diebstahl vor?

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Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium 

Nicht nur vollendete, sondern auch versuchte Delikte können strafbar sein. Jedoch fällt nicht jede Vorbereitungshandlung einer Straftat unter die Versuchsstrafbarkeit, weshalb die Abgrenzung zwischen – grundsätzlich straflosen – Vorbereitungshandlungen und dem Eintritt ins Versuchsstadium immer wieder Probleme bereitet.

Ein Ansatzpunkt zur Abgrenzung stellt der § 22 StGB dar, der den Begriff des Versuchs bestimmt. Hiernach versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Wann genau man zu einer Tat unmittelbar ansetzt, hat der Bundesgerichtshof in zahlreichen Urteilen konkretisiert. Demzufolge muss man aus eigener Sicht die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten haben. Dies ist der Fall, wenn man eine Handlung vornimmt, die nach dem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen soll. Dies kann schon gegeben sein, bevor man eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestands entsprechende Handlung vornimmt.

Der Annahme unmittelbaren Ansetzens stehen ferner Zwischenakte nicht entgegen, die keinen tatbestandsfremden Zwecken dienen, sondern wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem eigenen Plan als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden.

Zudem muss das, was man zur Verwirklichung des Vorhabens unternommen hat, stets zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden. Ob man zu der in diesem Sinne "entscheidenden“ Rechtsverletzung angesetzt hat oder sich noch im Vorbereitungsstadium befindet, hängt von der eigenen Vorstellung über das „unmittelbare Einmünden“ der eigenen Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Es spricht daher gegen ein Überschreiten der „Jetzt-geht’s-los“ Schwelle zum Versuch, wenn es zur Herbeiführung des Erfolgs noch eines weiteren – neuen – Willensimpulses bedarf. Das aus der eigenen Sicht erreichte Maß konkreter Gefährdung des geschützten Rechtsguts ist ebenfalls ein wesentliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium.

Diebstahl: Ist die Schwelle des „Jetzt-geht’s-los“ bereits bei der schalldämpfenden Verhüllung vor dem Aufbruch eines Zigarettenautomaten überschritten? 

Obwohl sich der Bundesgerichtshof über das Vorliegen eines unmittelbaren Ansetzens in zahlreichen Urteilen geäußert hat, kommt es immer wieder zu Fällen, in denen der Bundesgerichtshof erneut Stellung nehmen muss. So auch in seiner Entscheidung vom 28. April 2020 (5 StR 15/20) in der sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinandersetzen musste, ob die Schwelle des „Jetzt-geht’s-los“ auch bereits bei der schalldämpfenden Verhüllung vor dem Aufbruch eines Zigarettenautomaten überschritten ist.

Hintergrund der Entscheidung war der folgende Fall:

Der Angeklagte wollte vorliegend einen Zigarettenautomaten aufbrechen, um Zigaretten und Bargeld zu entwenden. Er legte am Automaten daher verschiedenes Einbruchswerkzeug (Kuhfuß, Trennschleifer mit Trennscheiben, Hammer, Schraubenzieher, Kabeltrommel) ab und verhüllte den Automaten mit einem Handtuch und einer Plane, um die Geräusche seines Vorgehens abzudämpfen. Er ging davon aus, in unmittelbarer Nähe einen Stromanschluss zu finden, weshalb er mit der mitgebrachten Kabeltrommel über die Straße zu einem Schuppen hin eine Stromleitung legte. Allerdings konnte er anschließend weder dort noch anderswo eine Steckdose in erreichbarer Nähe finden. Auch erkannte er, dass er den Zigarettenautomaten mit dem Trennschleifer nicht würde öffnen können. Der Angeklagte hatte von vornherein zwar auch alternative Aufbruchsmöglichkeiten in Erwägung gezogen, hatte dazu aber keine Möglichkeit mehr, da er sich – zutreffend – entdeckt wähnte und die Alarmierung der Polizei fürchtete. Der Angeklagte ließ daher sämtliche Aufbruchswerkzeuge zurück und flüchtete vom Tatort. Das Landgericht Flensburg hatte den Angeklagten wegen versuchten Diebstahls verurteilt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof schloss sich dem Urteil des Landgericht Flensburg an.

In seiner Entscheidung führte der Bundesgerichtshof aus, dass bei Diebstahlsdelikten bezüglich des unmittelbaren Ansetzens insbesondere darauf abzustellen sei, ob aus Tätersicht bereits die konkrete Gefahr eines ungehinderten Zugriffs auf das in Aussicht genommene Stehlgut besteht. Ist der Gewahrsam durch Schutzmechanismen gesichert, reiche für den Versuchsbeginn der erste Angriff auf einen solchen Schutzmechanismus regelmäßig aus, wenn sich der Täter bei dessen Überwindung nach dem Tatplan ohne tatbestandsfremde Zwischenschritte, zeitliche Zäsur oder weitere eigenständige Willensbildung einen ungehinderten Zugriff auf die erwartete Beute vorstellt.

Dass der angegriffene Schutzmechanismus auch tatsächlich erfolgreich überwunden wird, sei für das unmittelbare Ansetzen zur geplanten Wegnahme nicht erforderlich. Der Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens im Sinne von §§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB reiche daher regelmäßig aus, um einen Versuchsbeginn anzunehmen.

Nach diesen Maßstäben habe der Angeklagte zur Verwirklichung des Diebstahls bereits unmittelbar angesetzt. In der Verhüllung des Automaten liege der erste Schritt hin zu dessen Aufbruch. Durch die Verhüllung sei der Automat dem Blick anderer entzogen und dem Zugriff des Angeklagten in besonderem Maße ausgesetzt. Nach der Vorstellung des Angeklagten sollte der Einsatz der Werkzeuge zudem unmittelbar folgen. Die Zigaretten und das Bargeld, die durch den Zigarettenautomaten vor Wegnahme besonders geschützt waren, waren damit zudem bereits konkret gefährdet.

Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision des Angeklagten folglich als unbegründet.

Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich wegen (versuchten) Diebstahls strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.




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