Zur Haftung des Versicherungsmaklers für die Vermittlung einer Nettopolice

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Nettolebensversicherungen sind in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern weiterhin ein reines Nischenprodukt. Dennoch sind sie regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen, insbesondere, weil die Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrags häufig nicht oder wenigstens nicht vollständig über die Besonderheiten des Produkts aufgeklärt werden. Das OLG Karlsruhe hat in seinem Urteil vom 15.09.2011, 12 U 56/11 (abgedruckt in VersR 2012, 856 ff) die Möglichkeit genutzt und sehr dezidiert aufgezeigt, welche Aufklärungspflichten den Versicherungsmakler bei der Vermittlung einer Nettopolice zum Ersatz einer bereits bestehenden Lebensversicherung treffen.

Die Klägerin des Verfahrens - die Versicherungsnehmerin - hatte sich im Jahre 2008 von der Beklagten zu 1.) als Fachberaterin der Beklagten zu 2.) - einem Finanzdienstleistungsunternehmen mit der Zulassung als Versicherungsmakler - beraten lassen. Zu diesem Zeitpunkt unterhielt die Klägerin bereits seit dem 01.09.2004 eine -aufgrund des Abschlusszeitpunkts noch steuerlich vergünstigte - kapitalbildende Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und einer vertraglich vereinbarten monatlichen BU-Rente iHv 600 EUR. Die bestehende Versicherung wurde infolge der Beratung gekündigt und die Klägerin erhielt bei bislang eingezahlten Beiträgen iHv 2.989,96 EUR einen Rückkaufwert von 121,30 EUR ausgezahlt. Als Ersatz für die gekündigten Versicherungen vermittelten die Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung beim Versicherer Z und eine fondsgebundene Lebensversicherung bei dem Versicherer A. Bei den vermittelten Versicherungen handelte es sich um sog. Nettopolicen, d.h. dass die Maklercourtage für die Vermittlung der Versicherung nicht - wie sonst üblich - vom Versicherer gezahlt und wirtschaftlich mit den Beiträgen der ersten Jahre verrechnet wird, so dass sich bei vorzeitiger Kündigung des Versicherungsvertrags ein geringerer Rückkaufwert ergibt („Zillmerung"), sondern dass der Kunde sich mit einer Honorarvereinbarung gegenüber dem Vermittler zur Zahlung der Courtage direkt verpflichtet. Eine derartige Honorarvereinbarung wurde auch von der Klägerin unterzeichnet. Die Vereinbarung sah vor, dass die geschuldete Vermittlungsprovision ratenweise gezahlt werden und durch den Versicherer mit den Prämien eingezogen werden sollte. Gleichzeitig wurden die Prämien der Versicherungen für die Dauer der Zahlung der Vermittlungsprovision um den Betrag der für den Vermittler eingezogenen Raten reduziert. Die Klägerin erklärte dann im Weiteren nach anwaltlicher Beratung die Anfechtung, hilfsweise den Widerruf und die Kündigung der Vergütungsvereinbarung. Daraufhin wurde der noch offene Restbetrag der Vergütung fällig gestellt und im Weiteren durch den Versicherer gerichtlich geltend gemacht. Die Klage hatte vor dem Amtsgericht Erfolg und wurde im Berufungsverfahren durch das Landgericht bestätigt. Die Klägerin nahm daraufhin den Vermittler sowie die Makler-GmbH auf Schadenersatz in Anspruch. Nachdem die Klage vom Landgericht zurückgewiesen worden war, hatte sie in der Berufungsinstanz teilweise Erfolg.

Das OLG Karlsruhe stellte dabei fest, dass die Beklagten aufgrund des Maklervertrags verpflichtet waren, die Klägerin sowohl bezüglich der Nachteile der Kündigung der bestehenden Versicherungen als auch über die Risiken der neuen Verträge aufzuklären.

Nach der Beweisaufnahme kam der Senat zu dem Ergebnis, dass eine hinreichende Aufklärung über die Nachteile der Kündigung nicht erfolgt ist. Dies wurde ausdrücklich auch darauf gestützt, dass diese Beratung im Beratungsprotokoll nicht vermerkt worden war. Dies begründet nach herrschender Ansicht in der Literatur, der sich der Senat anschloss, die Vermutung, dass die Beratung nicht durchgeführt wurde.

So stellte der Senat fest, dass die Beklagten aufgrund des Versicherungsmaklervertrags verpflichtet waren, die Klägerin über alle Nachteile, die sich aus der Kündigung der bestehenden Versicherung ergeben, aufzuklären. Dies beinhaltet insbesondere neben der Aufklärung über die Nachteile des Zillmerungsverfahrens auch die steuerlichen Nachteile, weil eine noch steuerlich begünstigte Lebensversicherung beendet wurde.

Bezüglich der neu vermittelten fondsgebundenen Rentenversicherung sah der Senat die Beklagten verpflichtet, ausdrücklich auf die Unterschiede zur kapitalbildenden Rentenversicherung hinzuweisen, insbesondere auf die Tatsache, dass die Auszahlungen am Ende der Vertragslaufzeit vom Wert der Fondsanteile abhingen und die Versicherungsnehmerin somit das Kapitalanlagerisiko trägt. Bemerkenswert war dabei, dass das Gericht bezüglich des Umfangs der Beratungspflicht ausdrücklich auf die im Bankrecht entwickelten Grundsätze Bezug nahm und dem Anlageziel - sichere Kapitalanlage oder Anlage mit spekulativen Charakter - im Rahmen der anlegergerechten Beratung Bedeutung beimaß.

Schließlich - und dies stellt eine inhaltliche Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des BGH dar - sah der Senat die Beklagten auch verpflichtet an, über die besondere Struktur der Nettopolice und die Tatsache, dass im Falle der vorzeitigen Kündigung der Versicherung der Schicksalteilungsgrundsatz aufgehoben ist, aufzuklären. Zwar führte der Senat aus, dass sich Makler und Versicherungsnehmer im Rahmen der Vergütungsvereinbarung direkt als Vertragspartner gegenüber ständen und dass eine Beratungspflicht in diesem Verhältnis ausgeschlossen ist. Aufgrund des Rats zum Wechsel der bereits bestehenden Versicherung sei die Honorarvereinbarung eine für die Klägerin neue Belastung, die mit dem Wechsel verbunden sei. Und über diese müssten die Beklagten im Rahmen des Maklervertrags aufklären.

Im Ergebnis hatte die Klage jedoch nicht vollumfänglich Erfolg, da auch Schadenpositionen eingeklagt worden waren, die nach Ansicht des Senats keinen ersatzfähigen Schaden darstellen. So erkannte der Senat an, dass die Beklagten die Klägerin von den Belastungen der Vergütungsvereinbarung freizustellen hatten, weil diese nicht abgeschlossen worden wäre, wenn sie ordnungsgemäß beraten hätten. Keinen Erfolg hatte die Klägerin jedoch mit dem Begehren, ihr die im Ursprungsvertrag vereinbarte Rente iHv 366 EUR zu zahlen. Hier sah das Gericht die Klägerin als verpflichtet an, zur Schadenminimierung eine neue, vergleichbare Versicherung abzuschließen. Nur sofern diese mit höheren Beiträgen verbunden wäre, hätte sie einen Anspruch auf Ersatz der Beitragsdifferenz gehabt. Hierzu hatte die Klägerin jedoch nichts vorgetragen. Den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen den zur Altversicherung gezahlten Beiträge und dem Auszahlungsbetrag nach Kündigung sah das Gericht ebenfalls nicht als ersatzfähigen Schaden an, da die Klägerin den Betrag bei ordnungsgemäßer Beratung ebenfalls nicht erstattet bekommen hätte.

Ob das vorliegende Urteil Auswirkungen auf die Beratungspraxis haben wird, darf wohl mit Recht bezweifelt werden. Zwar sind die Ausführungen, dass bei der Vermittlung von Versicherungsprodukten, die wirtschaftlich einer Kapitalanlage vergleichbar sind, die zur Anlageberaterhaftung entwickelten Grundsätze zu beachten sind, instruktiv und könnten insbesondere in unteren Instanzen dazu führen, dass der Vorwurf der Pflichtverletzung nicht allzu leicht durch die Gericht verneint wird, im Endeffekt wird aber das Problem der Darlegungslast des Versicherungsnehmers für den Schaden nicht gelöst. Denn in den Fällen, in denen ein Versicherungsnehmer Schadenersatz deshalb geltend macht, weil er aufgrund einer Fehlberatung einen bestehenden (vorteilhaften) Versicherungsvertrag beendet und durch einen neuen (seiner Ansicht nach schlechteren) Versicherungsvertrag ersetzt hat, wird der Versicherungsnehmer zur Darlegung seines Schadens vortragen müssen, wie sich sein ursprünglicher Versicherungsvertrag entwickelt hätte, um dieser Entwicklung die des neuen Vertrags gegenüber zu stellen. Ergibt sich eine für den Versicherungsnehmer nachteilige Differenz, so besteht gerade darin sein Schaden. Ist eine Lebensversicherung betroffen, so ist die Darlegung des letztendlichen Auszahlungsbetrags praktisch nicht möglich, zum einen, weil der Vorversicherer Zahlen hierzu nicht herausgeben wird, zum anderen, weil die Entwicklung der Überschussbeteiligung oder des Wertes der dem Vertrag zugrundeliegenden Fonds schlichtweg nicht vorhersehbar sind.

Besonders problematisch ist dies bei der fehlerhaften Vermittlung von Krankenversicherungsverträgen. Wenn - wie vom OLG angenommen - der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, einen vergleichbaren neuen Versicherungsvertrag abzuschließen, müsste zur Darlegung der zukünftigen Schäden durch höhere Beiträge jedes Jahr die Entwicklung der Beiträge in den betroffenen Tarifen gegenübergestellt werden. Praktisch sind diese Zahlen jedoch nicht von den Versicherern zu erlangen. Außerdem müsste prozessual erst ein Feststellungsurteil erwirkt werden, um dann jährlich die zu zahlenden Schadenshöhe genau zu berechnen und einzeln einzufordern und ggf. einzuklagen. Inwieweit der Versicherungsnehmer dann noch im Laufe des Versicherungsvertrags zum Tarifwechsel oder ggf. zum Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet sein könnte, bleibt ebenso offen.

Heiko Effelsberg, LL.M.

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Versicherungsrecht



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