Zur Nachbearbeitungspflicht des Versicherers für notleidende Versicherungsverträge

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Der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters entfällt bei Nichtausführung des Geschäfts durch den Versicherer, wenn und soweit die Nichtausführung des Geschäfts - also die Kündigung des Versicherungsvertrags - auf Umständen beruht, die der Versicherer nicht zu vertreten hat. Die Nichtausführung des Versicherungsvertrags („Stornierung") ist schon dann nicht von dem Versicherer zu vertreten, wenn er den notleidenden Vertrag in gebotenem Umfang nachbearbeitet hat. Die Nachbearbeitung kann nach Wahl des Versicherers auf zwei Wegen erfolgen: entweder muss der Versicherer eigene Maßnahmen ergreifen, um die Stornogefahr abzuwenden, oder der Versicherer muss dem Versicherungsvertreter durch eine sog. Stornogefahrmitteilung die Möglichkeit geben, den notleidenden Vertrag selbst nachzubearbeiten.

Im Falle der Stornierung des Vertrags ergibt sich nachvollziehbarerweise häufig Streit über die Frage, ob der Versicherer die Nichtdurchführung zu vertreten hat. In seinem Urteil vom 28.06.2012 (Az. VII ZR 130/11 - abgedruckt in VersR 2012, 1174 ff) hat der 7. Senat des Bundesgerichtshofs nun zum Inhalt der Nachbearbeitungspflicht Stellung genommen. Danach genügt das Versicherungsunternehmen im Falle der Stornoabwehr notleidender Verträge seiner Nachbearbeitungspflicht nicht, wenn es den Versicherungsvertreter nicht unverzüglich auf die Gefahr einer Stornierung hinweist (1. Leitsatz). Dem Versicherungsunternehmen ist es dabei allerdings gestattet, sich in angemessener Zeit eine gewisse Klarheit zu verschaffen, ob Anhaltspunkte für eine Vertragsgefährdung vorliegen, und die Entscheidung zu treffen, ob es eigene Nachbearbeitungsmaßnahmen ergreift oder sich darauf beschränkt, dem Versicherungsvertreter die sich abzeichnende Stornogefahr mitzuteilen (2. Leitsatz). Die in dem entschiedenen Fall erfolgte Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters ist jedoch keine ausreichende Maßnahme der Stornogefahrenabwehr (3. Leitsatz).

Die Entscheidung verdient in zweierlei Hinsicht Beachtung.

Zum einen erkennt der BGH an, dass der Versicherer nicht beim ersten Anzeichen, dass ein Vertrag notleidend werden könnte, den Versicherungsvertreter per Gefahrmitteilung informieren muss, sondern räumt dem Versicherer eine angemessene Frist ein, um abzuklären, ob eine Vertragsgefährdung vorliegt und um zu entscheiden, ob er selbst Maßnahmen ergreifen will oder eine Gefahrmitteilung an den Versicherungsvertreter schickt. Danach ist nun anerkannt, dass der Versicherer nach dem ersten Scheitern des Einzugs von Beiträgen im Lastschriftverfahren zuerst ein standardisiertes Schreiben zur Abklärung der Bankverbindung versenden darf. Wenn sich allerdings nach diesem Klärungsversuch eine Stornogefahr ergibt - der BGH führt hierzu aus, dass dies anzunehmen sein dürfte, wenn eine Reaktion auf das Anschreiben nicht in angemessener Zeit erfolgt (Rz. 20) - so darf der Versicherer mit der Stornogefahrmitteilung nicht mehr als zwei Wochen abwarten.

Zum anderen stellte sich in dem zu entscheidenden Sachverhalt die Frage, ob es ausreicht, nach dem Ausscheiden des Versicherungsvermittlers aus der Vertriebsorganisation des Versicherers eine Stornogefahrmitteilung an den Nachfolger des Vermittlers, der nunmehr die Verwaltung des Vertrags übernommen hat, zu übersenden. Der BGH hat dies verneint. Denn dem Versicherer stehen nur zwei Handlungsalternativen zur Verfügung, um einen notleidenden Vertrag nachzubearbeiten. Entweder er leitet eigene, zur Rettung des Vertrags geeignete und ausreichende Maßnahmen ein, oder er informiert den Versicherungsvermittler, um diesem die Möglichkeit zu geben, den Vertrag nachzubearbeiten. Da die zweite Alternative durch die Mitteilung an den Nachfolger nicht erfüllt ist, stellt sich somit die Frage, ob die Stornogefahrmitteilung an den Nachfolger eine ausreichende eigene Maßnahme zur Stornogefahrabwehr ist. Der BGH hat dies zu Recht nicht angenommen, da das Interesse des Nachfolgers vorrangig darin besteht, eigene Provisionsansprüche zu verdienen, nicht, die Provisionsansprüche seines Vorgängers zu sichern (Rz. 24). Wenn also die Nachbearbeitung durch den Versicherer durch seinen eigenen Außendienst erfolgen soll, so muss der Versicherer ausdrücklich vortragen, welche Maßnahmen unternommen wurden, um den fraglichen Versicherungsvertrag im Bestand zu halten. In der Praxis dürfte dieser Nachweis zu führen sein, wenn der Versicherer seinen Außendienst entsprechend organisiert. Angesichts des fehlenden Interesses des selbständigen Versicherungsvertreters an der Nachbearbeitung dürfte diese aber häufig tatsächlich unterbleiben. 

Heiko Effelsberg, LL.M.

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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