Zur Regelung des Diebstahls und dessen Entstehung (kurzer Ausblick zu den Nachbarn)
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Der Diebstahl stellt im deutschen Strafrecht einen Straftatbestand dar, der im 19. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs (StGB) in § 242 ff. geregelt ist. Der Diebstahl zählt zu den Eigentumsdelikten. Er schützt das Rechtsgut des Eigentümers, sein Eigentum ohne Einschränkungen besitzen und nutzen zu dürfen (vgl. BGH 10, 400).
§ 242 StGB verbietet das Wegnehmen einer fremden Sache, in der Absicht, sie sich selbst oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Bei einer Wegnahme handelt es sich um den Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams.
Für den Diebstahl können eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe verhängt werden. Die Diebstahlsdelikte machen etwa 40 Prozent aller polizeilich registrierten Straftaten aus und stellen damit die zahlenmäßig bedeutendste Deliktsgruppe dar. Die Aufklärungsquote dieser Taten liegt mit unter 30 Prozent im Vergleich zu anderen Deliktsgruppen auf unterdurchschnittlichem Niveau.
Rechtslage
§ 242 StGB lautet seit seiner letzten Änderung vom 1. April 1998 wie folgt:
(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
Aufgrund des Regelstrafrahmens von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe handelt es sich beim Diebstahl gemäß § 12 Absatz 2 StGB um ein Vergehen.
§ 242 StGB schützt das Recht des Eigentümers einer Sache, diese ungehindert besitzen und nutzen zu dürfen. Die früher herrschende Meinung sah als zusätzlich geschütztes Rechtsgut den Gewahrsam an (Fischer, 64. Auflage 2017; § 242 Rn. 2).
Entstehung
In den mittelalterlichen Strafrechtsordnungen wurde der Diebstahl lediglich als eine heimliche Wegnahme einer fremden Sache betrachtet. Agierte der Täter nicht heimlich, beging er wiederum einen Raub.
Die Constitutio Criminalis Carolina von 1532 gilt heute als erstes allgemeines deutsches Strafgesetzbuch und enthielt zahlreiche Tatbestände, die unterschiedliche Formen des Diebstahls regelten.
In der Übersetzung aus dem lateinischen Original ins Deutsche heißt sie Peinliche Gerichts- oder Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. Peinlich bezieht sich hierbei auf das lateinische poena für „Strafe“ und bezeichnet Leibes- und Lebensstrafen.
Der gegenwärtige Tatbestand des Diebstahls beruht maßgeblich auf dem Diebstahlstatbestand des Reichsstrafgesetzbuchs, das am 1. Januar 1872 in Kraft trat. Hiernach machte sich strafbar, wer einem anderen eine fremde bewegliche Sache wegnahm, um sie sich rechtswidrig zuzueignen (Urs Kindhäuser: § 242, Rn. 1. In: Urs Kindhäuser, Ulfrid Neumann, Hans-Ullrich Paeffgen (Hrsg.): Strafgesetzbuch. 5. Auflage. Nomos, Baden-Baden 2017).
Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reichs wurde § 242 StGB in das Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland unverändert übernommen. Die erste Veränderung des § 242 StGB erfolgte im Rahmen des Strafrechtsreformgesetzes von 1969. In dessen Rahmen wurde der Diebstahlstatbestand, der bislang lediglich eine Freiheitsstrafe vorsah, um die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe erweitert.
Eine weitere Veränderung des Diebstahls erfolgte durch das Sechste Strafrechtsreformgesetz von 1998. In dessen Rahmen wurde der subjektive Tatbestand des Diebstahls erweitert: Während bislang erforderlich war, dass sich der Täter das Tatobjekt selbst zueignen wollte, genügt seit der Neufassung auch der Wille, die Sache einem Dritten zuzueignen (Christian Jäger: Diebstahl nach dem 6. Strafrechtsreformgesetz – Ein Leitfaden für Studium und Praxis. In: Juristische Schulung 2000, S. 651.).
Objektiver Tatbestand
Fremde bewegliche Sache:
Fremd ist eine Sache, die nach bürgerlichem Recht im Eigentum (irgend-)einer anderen Person steht (Fischer, 64. Auflage 2017; § 242 Rn 5).
Der strafrechtliche Begriff der Sachen ist ein vom Zivilrecht unabhängiger öffentlich-rechtlicher Begriff. Er hat mit § 90 BGB die Körperlichkeit des Gegenstandes zur Voraussetzung, weicht aber z. B. von § 90a BGB und § 265 ZPO ab (Fischer, 64. Auflage 2017; §242 Rn. 3).
Der strafrechtliche Sachbegriff geht allerdings über den zivilrechtlichen hinaus. So stellen anders als im Zivilrecht beispielsweise auch Tiere Sachen dar. Ebenfalls besitzen Sachbestandteile, die im Zivilrecht selbst nicht rechtsfähig sind, im Strafrecht Sachqualität, sofern sie von der Hauptsache zum Zweck der Wegnahme getrennt werden können.
Dies trifft beispielsweise auf Fenster von Gebäuden zu, auf Gras auf einer Weide (LG Karlsruhe, Urteil vom 21. Juni 1993, 8 AK 25/93) und Getreide auf einer Ackerfläche (RGSt 23, 24.).
Der Aggregatszustand der Sache ist gleichgültig; erfasst werden also auch Gase und Flüssigkeiten; nicht erfasst ist Elektrizität (Fischer, 64. Auflage 2017; § 242 Rn. 3; RG 32, 165).
Die Sache muss zudem beweglich im natürlichen Sinn sein. Das sind auch Teile von unbeweglichen Sachen, die zum Zweck der Wegnahme losgelöst werden (vgl. LG Karlsruhe NStZ 93, 543 [abgefressenes Gras] sowie RG 23, 24 [Getreide auf dem Halm]. Es reicht also aus, dass die Sache beweglich gemacht wird (MK-Schmitz 37).
Wegnahme
Tathandlung des Diebstahls ist die Wegnahme der fremden beweglichen Sache. Bei einer Wegnahme handelt es sich um den Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen, Gewahrsams (Fischer, 64. Auflage 2017; § 242 Rn. 16).
Bestehen fremden Gewahrsams
Die Sache muss sich im Gewahrsam einer anderen Person (nicht notwendig des Eigentümers) befinden. Gewahrsam ist die vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft (BGH 8, 275; 16, 271); auf die Rechtmäßigkeit kommt es nicht an.
Ob (und wessen) Gewahrsam an einer Sache besteht, ist nach herrschender Meinung nach dem Umständen des einzelnen Falles und den Anschauungen des Verkehrs oder des täglichen Lebens zu beurteilen (Fischer, 64. Auflage 2017; § 242 Rn 11).
Subjektiver Tatbestand
Vorsatz
Eine Strafbarkeit wegen Diebstahls erfordert gemäß § 15 StGB, dass der Täter mit Vorsatz bezüglich aller Tatbestandsmerkmale handelt. Hierbei genügt jede Vorsatzform.
Der Täter muss daher zumindest Kenntnis von den objektiven Tatbestandsmerkmalen haben und den Eintritt des Taterfolgs in Kauf nehmen. Es ist nicht notwendig, dass sich der Vorsatz des Täters auf ein bestimmtes Beutegut konkretisiert; es genügt, wenn er sich zu Beginn der Tat dazu entschließt, stehlenswerte Gegenstände wegzunehmen (Fischer, 64. Auflage 2017; § 242 Rn 30).
Beim Merkmal der Fremdheit handelt es sich um ein normatives Tatbestandsmerkmal, dessen Inhalt sich aus rechtlichen Wertungen ergibt. Diese muss der Täter nicht vollständig nachvollziehen; es genügt, wenn er erkennt, dass es zumindest auch einem anderen gehört (Fischer, 64. Auflage 2017; § 242 Rn 31).
Tatbestandsirrtümer, die gemäß § 16 Absatz 1 Satz 1 StGB zum Vorsatzausschluss führen, kommen insbesondere in Betracht, wenn der Täter irrig annimmt, eine Sache sei nicht fremd (RGSt 14, 117). Liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor, muss der Täter Kenntnis hiervon haben, ansonsten macht er sich wegen Versuchs strafbar (BGHSt 16, 271)
Zueignungsabsicht
Ein weiteres subjektives Merkmal des Diebstahlstatbestands ist die Zueignungsabsicht. Dieses Merkmal stellt eine überschießende Innentendenz dar, da ihm kein Element des objektiven Tatbestands entspricht. Die Zueignungsabsicht besteht aus der Aneignungsabsicht und dem Enteignungsvorsatz (Fischer, 64. Auflage 2017; § 242 Rn. 32)
Unter welchen Voraussetzungen eine Aneignung vorliegt, ist in der Rechtswissenschaft seit langem umstritten. Der Streit kreist um die Frage, was als Gegenstand der Zueignung in Frage kommt. Stimmen der älteren rechtswissenschaftlichen Literatur gingen davon aus, dass dies lediglich auf die Sache selbst zutrifft.
Eine Zueignung liegt hiernach vor, wenn sich der Täter zumindest vorübergehend eigentümerähnliche Verfügungsgewalt über die Sache anmaßen will. Andere nehmen an, dass der Wert der Sache den Gegenstand der Zueignung darstellt.
Nach heute überwiegender Auffassung, die als Vereinigungstheorie (Fischer, 64. Auflage 2017; § 242 Rn. 35) bezeichnet wird, kann sich der Täter sowohl die Sachsubstanz als auch den in der Sache verkörperten Wert zueignen wollen.
Hiernach beabsichtigt der Täter eine Aneignung, wenn er sich die Sache oder ihren Wert zumindest vorübergehend in sein Vermögen einverleiben will. Hieran fehlt es, wenn der Täter lediglich bezweckt, einer anderen Person ihre Sache vorzuenthalten oder diese zu beschädigen.
Enteignungsvorsatz liegt vor, wenn es der Täter zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Eigentümer sein Eigentumsrecht nicht mehr ausüben kann. Durch dieses Merkmal unterscheidet sich der Diebstahl von der grundsätzlich straflosen Gebrauchsanmaßung. Eine solche liegt vor, wenn der Täter sich zwar eine fremde Sache vorübergehend aneignen, diese seinem Opfer jedoch später wieder zurückgeben will.
Strafbar ist ein solche Gebrauchsanmaßung lediglich in zwei Fällen: dem unbefugten Gebrauch eines Fahrzeugs (§ 248b StGB) und der Anmaßung von Pfandsachen durch einen öffentlichen Pfandleiher (§ 290 StGB). Ein Diebstahl und keine Gebrauchsanmaßung liegt allerdings vor, wenn der Täter plant, dem Opfer eine Sache zurückzugeben, die in ihrem Wert erheblich gemindert ist.
Dies bejahte die Rechtsprechung beispielsweise in einem Fall, in dem der Täter aus einer Buchhandlung ein Buch mitnahm, las und in gelesenem Zustand wieder zurückgab.
Mit Zueignungsabsicht muss der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme handeln. Fasst er erst nach der Wegnahme der Sache den Entschluss, sie sich zuzueignen, liegt daher kein Diebstahl vor (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2016, 3 StR 422/16).
Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung
Eine Strafbarkeit wegen Diebstahls setzt voraus, dass die vom Täter angestrebte Zueignung rechtswidrig ist und dass er auch diesbezüglich mit Vorsatz handelt. Rechtswidrig ist eine Zueignung, die der Eigentumsordnung widerspricht.
Hieran fehlt es, wenn der Täter einen durchsetzbaren Anspruch auf Übereignung des Tatobjekts hat, etwa aus einem Kaufvertrag. Nach überwiegender Auffassung in der Rechtswissenschaft muss sich der Anspruch auf die konkrete Sache beziehen, die der Täter wegnimmt; ein Anspruch auf Übereignung einer Sache aus einer Sachgattung genügt daher nicht.
Die Rechtswidrigkeit entfällt ebenfalls, wenn zugunsten des Täters ein Rechtfertigungsgrund vorliegt, etwa Selbsthilfe (§ 229 BGB).
Nimmt der Täter fälschlich an, die Zueignung sei nicht rechtswidrig, etwa weil er glaubt, einen Anspruch zu haben, befindet er sich in einem Tatbestandsirrtum. Daher entfallen gemäß § 16 Absatz 1 Satz 1 StGB sein Vorsatz und damit seine Strafbarkeit wegen Diebstahls (BGHSt 17, 87.)
Strafzumessung
Grundsätzlich handelt es sich beim Diebstahl um ein Offizialdelikt, weshalb eine Strafverfolgung auch ohne Strafantrag des Verletzten möglich ist. Gemäß § 248a StGB kann ein Diebstahl allerdings lediglich auf Antrag verfolgt werden, wenn das Diebstahlsobjekt geringwertig ist. Dies beurteilt sich nach seinem objektiven Verkehrswert. Nach überwiegender Auffassung in der Rechtswissenschaft liegt die Schwelle zur Geringwertigkeit bei 25 €.
Eine weitere Ausnahme vom Strafantragserfordernis enthält § 247 StGB. Hiernach ist ein Strafantrag erforderlich, wenn sich die Tat gegen einen Angehörigen, einen Vormund oder einen Betreuer richtet. Diese Regelung bezweckt, die Störung persönlicher Beziehungen durch Eingreifen von Amts wegen zu vermeiden (Fischer, 64. Auflage 2017; § 247 Rn 1a)
Besonders schwerer Fall des Diebstahls (§ 243 StGB)
§ 243 StGB regelt den besonders schweren Fall des Diebstahls. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass der Täter im Vergleich zum einfachen Diebstahl erhöhtes Unrecht verwirklicht. Die Norm enthält des Weiteren sieben Regelbeispiele, deren Vorliegen einen besonders schweren Fall indiziert.
Diebstahl mit Waffen; Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 StGB)
§ 244 StGB versieht bestimmte Begehungsweisen des Diebstahls mit höherer Strafandrohung. Hierzu zählen das Stehlen unter Mitführen einer Waffe oder eines Werkzeugs, das bandenmäßige Stehlen sowie der Wohnungseinbruchsdiebstahl.
Anders als bei § 243 StGB handelt es sich bei diesen Tatbeständen nicht um Regelbeispiele, sondern um Qualifikationen. Sie entfalten daher eine Bindungswirkung für den Richter.
Schwerer Bandendiebstahl (§ 244a StGB)
§ 244a StGB dient der Bekämpfung organisierter Kriminalität. Er stellt eine Kombination der strafschärfenden Qualifikationen und Regelbeispiele dar. Eine Tat nach § 244a StGB wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bestraft.
Nach § 244a StGB macht sich strafbar, wer als Mitglied einer Diebesbande ein Regelbeispiel oder ein weiteres Qualifikationsmerkmal des § 244 StGB verwirklicht.
Wie regeln es unsere Nachbarn? Beispiel Österreich
Im Folgenden der Wortlaut des § 127 StGB:
Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen mit dem Vorsatz wegnimmt, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
Auffällig ist hier ein deutlich geringeres Strafmaß bez. Der Freiheitsstrafe. Die Geldstrafe kann hingegen deutlich höher ausfallen.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer einen Diebstahl begeht
- während einer Feuersbrunst, einer Überschwemmung oder einer allgemeinen oder doch dem Bestohlenen zugestoßenen Bedrängnis oder unter Ausnützung eines Zustands des Bestohlenen, der ihn hilflos macht,
- in einem der Religionsübung dienenden Raum oder an einer Sache, die dem Gottesdienst oder der Verehrung durch eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft gewidmet ist,
- an einer Sache von allgemein anerkanntem wissenschaftlichem, volkskundlichem, künstlerischem oder geschichtlichem Wert, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung oder sonst an einem solchen Ort oder in einem öffentlichen Gebäude befindet,
- an einem wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur (§ 74 Abs. 1 Z 11) oder
- an einer Sache, deren Wert 5 000 Euro übersteigt.
(2) Wer eine Sache stiehlt, deren Wert 300 000 Euro übersteigt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
Eine Besonderheit des österreichischen Strafrechts ist das relativ große Ermessen bei der Strafbemessung. So reicht der Strafrahmen bei Mord (§ 75) von zehn Jahren bis hin zu lebenslanger Freiheitsstrafe, kann aber bei überwiegen der Milderungsgründe auf bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe reduziert werden (§ 41 Abs. 1 Z 1). Dieser Spielraum besteht, da im österreichischen StGB das Prinzip des Einheitstäters gilt (§ 12) und nicht – wie etwa in Deutschland – detaillierte Regelungen zu Täterschaft und Teilnahme an einer Straftat existieren.
Geschichtlicher Verlauf (kurzer Überblick)
Im Jahre 1499 führte der Tiroler Landesfürst Erzherzog Maximilian die Maximilianische Halsgerichtsordnung ein, auch Tiroler Malefizordnung genannt. Sie war das erste kodifizierte Strafrecht im deutschsprachigen Raum.
In weiterer Folge wurden die Strafrechtsbestimmungen in die Landesordnungen von 1526, 1532 und 1573 eingebaut. Neben letzterer wurde auch erstmals eine eigene Tiroler Policeyordnung erlassen. Beide wurden 1603 erneut gedruckt. Spätere Reformversuche kamen bis zur Zeit der Aufklärung nie zum Abschluss.
Die territoriale Geltung erstreckte sich allerdings nicht auf die 1505 von Bayern abgetretenen Gebiete Rattenberg, Kitzbühel und Kufstein, in denen weiter bayerisches Landrecht galt, sowie über die Landgerichte Nonsberg, Kaltern (Einführung erst 1681) und die „welschen Konfinen“ (Josef Pauser: Landesfürstliche Gesetzgebung (Policey-, Malefiz- und Landesordnungen Ein exemplarisches Handbuch (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung). Band 44. Oldenburg, Wien 2004).
Alle Ordnungen dieser Zeit haben die Gemeinsamkeit, dass – wie im gesamten römischen Reich deutscher Nation – subsidiär die 1530 beschlossene und 1532 ratifizierte Constitutio Criminalis Carolina (CCC), beziehungsweise das gemeine (Straf-)Recht (kraft Interpretation oder besonderer Anordnung) zur Anwendung kam.
Dies galt für alle Fälle, in denen die heimischen Ordnungen keine Regelungen aufwiesen (Andrea Griesebner: Konkurrierende Wahrheiten. Malefizprozesse vor dem Landgericht Perchtoldsdorf im 18. Jahrhundert; III. Das Strafrecht, S. 47–48, 53).
Die Subsidiarität der Carolina und der Leopoldina endete mit der Vereinheitlichung des Strafprozessrechts und des materiellen Strafrechtes in den österreichischen Ländern durch die Constitutio Criminalis Theresiana (CCT) aus dem Jahre 1768, die jedoch schon zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens als veraltet angesehen wurde und daher 1787 durch das neue Josefinische Strafgesetzbuch (Josephina) ersetzt wurde, welches sich unter anderem durch die fast gänzliche Abschaffung der Todesstrafe auszeichnete.
Schon 1795 jedoch wurde die Todesstrafe – als Folge der politischen Entwicklungen jener Zeit – wieder neu eingeführt und fand auch Eingang in das Strafgesetz 1803 (StG 1803), welches im Übrigen ein für damalige Verhältnisse höchst modernes Gesetzbuch war.
Im Februar 2013 trat erstmals eine Reformgruppe bestehend aus 18 Experten zusammen, um gemeinsam ein modernisiertes StGB 2015 zu entwickeln.
Dabei sollte insbesondere die oft kritisierte Strafenrelation zwischen Vermögensdelikten und den Delikten gegen Leib und Leben verbessert werden. Auch die in § 70 StGB normierte Gewerbsmäßigkeit stand zur Debatte (justiz.gv.at: StGB 2015 gestartet!)
Bei vorsätzlichen Straftaten unterscheidet das deutsche Strafrecht unterschiedliche Formen der Beteiligung: Täterschaft (unmittelbarer Täter, mittelbarer Täter, Mittäter) und Teilnahme (Anstiftung, Beihilfe). Außerdem kennt die Strafrechtsdogmatik den gesetzlich nicht beschriebenen Nebentäter. Bei Fahrlässigkeitsdelikten gibt es dagegen nur die Täterschaft.
Im Gegensatz dazu kennt das österreichische Strafrecht (wie auch das von Dänemark und Italien), nur den Begriff des Einheitstäters; es wird also nicht unterschieden zwischen jemandem, der eine Straftat begangen hat, und jemandem, der ihm dabei nur geholfen hat (eine vergleichbare Regelung gilt im deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht) (Karl Lackner: Vorbemerkung zu §§ 25–31. In: Lackner/Kühl (Hrsg.): StGB. 28. Auflage. 2014, Rn. 1.).
RA & FAStR D. Lehnert Berlin
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