§ 174c StGB – Sexueller Missbrauch im Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältniss

  • 6 Minuten Lesezeit

Durch den § 174c StGB wird die sexuelle Selbstbestimmung von Personen geschützt, die aufgrund einer psychischen oder körperlichen Beeinträchtigung oder aufgrund einer Suchterkrankung auf Personen angewiesen sind, durch die sie beraten, behandelt oder betreut werden. Die besondere Schutzbedürftigkeit ergibt sich aus der gesteigerten Abhängigkeit von der betreuenden Person. Außerdem soll die Störungsfreiheit des Behandlungsverhältnisses geschützt werden. Zwar nennt die polizeiliche Kriminalstatistik nur wenige Hundert bekannt gewordene Fälle pro Jahr, demgegenüber steht jedoch eine enorm hohe Dunkelziffer. Aus der Natur der Vorschrift heraus sehen sich meistens Ärzte oder Pfleger diesem Vorwurf ausgesetzt, die Folgen ergeben sich daher vor allem in beruflicher Hinsicht. Oft unterbleibt eine Anzeige der Opfer selbst, weshalb sich in der Praxis meistens Dritte an die Polizei wenden und damit ein Ermittlungsverfahren anstoßen. Wie immer sollten Sie nicht zu einer polizeilichen Vorladung erscheinen, denn Sie haben zu diesem Zeitpunkt noch keine genauen Erkenntnisse zum Tatvorwurf. Ein schnelles Einschalten eines Rechtsanwalts ist daher unerlässlich. Aber eins nach dem anderen. Bevor wir dazu kommen, wie eine mögliche Verteidigung aussehen könnte, möchte ich Ihnen in diesem Rechtstipp den Tatbestand des § 174c StGB skizzieren.

Sollten Sie weitere Fragen haben, stellen Sie sie mir einfach direkt per WhatsApp!


Welche Personen werden geschützt?

Der Schutz der Norm gilt Personen, die dem Täter wegen geistiger, seelischer, suchtbedingter sowie körperlicher Leiden zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut sind.

Krankheit oder Behinderung

Achtung! Bei § 174c StGB steht nicht der Schutz der krankheitsbedingten Schwächung der Selbstbestimmungsfähigkeit im Vordergrund, sondern der Schutz des Vertrauensverhältnisses. Krankheit und Behinderung sind daher weit auszulegen. Da keine absolute Widerstandsunfähigkeit vorausgesetzt wird, reichen bereits Defekte mit geringem Schweregrad um eine Behinderung bejahen zu können. Gleiches gilt für die Krankheit. Selbst ein eingebildetes Leiden kann zu einem Vertrauensverhältnis im Sinne der Norm führen.

Geistige Krankheit oder Behinderung

Hierunter fallen angeborene oder erworbene Intelligenzdefizite. Darunter fällt beispielsweise die Alzheimer Erkrankung oder das Down-Syndrom. Sowohl vorübergehende als auch anhaltende Beschwerden werden hierunter subsumiert. Seelische Krankheiten wie Depressionen, Manien, Phobien, Neurosen und Persönlichkeitsstörungen fallen ebenso unter diese Kategorie, wie Suchterkrankungen wie die psychische oder körperliche Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten.

Körperliche Krankheit oder Behinderung

Hiermit ist eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit gemeint, durch die eine Behandlung, Beratung oder Betreuung notwendig wird. Da aber nicht jeder Fall zu einer entsprechenden Abhängigkeit führen würde, kommt es immer auf den Einzelfall an. Der Anwendungsbereich der Norm würde andern Falls überdehnt werden.

Umfang der Betreuung

Geschützt werden Personen, die sich in einer ambulanten, oder teilstationären Behandlung oder Betreuung befinden. Beispiele hierfür sind etwa Werkstätten für Behinderte, Tagesstätten, Wohngemeinschaften, Tageskliniken für Suchtkranke oder sozialpsychiatrische Dienste.


Wer kommt als Täter in Frage?

Als mögliche Täter können nur Personen infrage kommen, die in das jeweilige Beratungs-, Betreuungs- oder Behandlungsverhältnis miteinbezogen sind. Es kommt weder auf eine besondere berufliche Qualifikation noch auf eine bestimmte Amtsstellung an. Infrage kommen beispielsweise Heilpraktiker, medizinische Bademeister, Sprachtherapeuten, Krankenpfleger, Sprechstundenhilfen und natürlich Ärzte und Psychiater.

Beratung, Behandlung, Betreuung

Eine genaue Grenzziehung zwischen den drei Alternativen ist oft nicht möglich. Eine Beratung ist eine Besprechung, die der möglichen Behandlung vorausgeht, aber auch jede Rat gebende Begleitung während der Therapie. Eine Behandlung umfasst alle Maßnahmen der Diagnose, Therapie und Rehabilitation. Die Betreuung ist die Fürsorge für das leibliche oder geistig-sittliche Wohl, die sich auch auf Teilbereiche beschränken kann.

Psychotherapie

Die Psychotherapeuten werden in Absatz 2 der Norm gesondert erfasst. Die Sonderstellung ergibt sich daraus, dass die Patienten sich meist freiwillig in die „Behandlung“ begeben. Andere Fälle wären schon von Absatz 1 der Norm umfasst. Der BGH geht in seiner Rechtsprechung von einer engen Auslegung aus, wonach nur Personen in den Täterkreis fallen sollen, die eine Qualifikation nach §§ 5, 6 PsychThG besitzen. Auf diese Definition sollte jedoch nicht vertraut werden, da die Norm im Übrigen nicht auf bestimmte Berufsgruppen ausgelegt ist. Es kann daher sein, dass auch alternative Therapiemethoden bis hin zu Angeboten von Weltanschauungsvereinigungen und pseudoreligiösen Sekten unter den Schutzbereich der Norm fallen. Jedenfalls nicht erfasst sind Workshops, die der Steigerung der Sozialkompetenz dienen, oder Selbsthilfegruppen ohne therapeutischen Leiter.

Anvertraut

Ein Opfer vertraut sich dem Täter an, wenn es aus den oben genannten Gründen ein Hilfsangebot aufgesucht hat und der Täter eine entsprechende Tätigkeit aufgenommen hat. Begründet wird ein Obhutsverhältnis bereits durch Anbahnungsgespräche oder eine Eingangsuntersuchung. Ein Missbrauch kann nach § 174c StGB auch dann vorliegen, wenn das Verhältnis zwar pro forma beendet wurde, tatsächlich jedoch noch weiter besteht. Der Missbrauch einer Abhängigkeit ist eher unwahrscheinlich, wenn das Verhältnis eine geringe Intensität aufweist, wenn es sich also beispielsweise nur um einen einmaligen oder kurzfristigen Kontakt handelt. Es kommt darauf an, ob ein Über-Unterordnungsverhältnis bestanden hat. Auf der einen Seite das Opfer, das Vertrauen aufbringt und auf der anderen Seite der Täter, der als Autoritätsperson über ein überlegenes Wissen verfügt.


Missbrauch zu sexuellen Handlungen

Das strafbare Verhalten bezieht sich auf den Missbrauch des besonderen Täter-Opferverhältnisses zu sexuellen Handlungen, die der Täter am Opfer vornimmt, oder an sich vom Opfer vornehmen lässt. Erforderlich ist ein körperlicher Kontakt zwischen dem Täter und dem Opfer. Sexuelle Handlungen oder sexueller Kontakt mit Dritten werden von der Norm nicht erfasst. Die Erheblichkeitsschwelle der sexuellen Handlungen ist bewusst niedrig anzulegen, da es bei der Traumatisierung für das Opfer im Rahmen des § 174c StGB weniger auf die Art und Weise der sexuellen Handlung an sich, sondern eher auf die Person des Täters ankommt.

Ein Missbrauch im Sinne der Norm liegt vor, wenn der Täter die Gelegenheit, die seine Vertrauensposition bietet, unter Verletzung der damit verbundenen Pflichten zu sexuellen Handlungen ausnutzt. Der sexuelle Kontakt muss dabei nicht im Rahmen eines konkreten Termins erfolgen. Leicht zu beurteilen sind Situationen, in denen das Opfer mit dem sexuellen Kontakt nicht einverstanden ist. Schwieriger sind hingegen solche Situationen, in denen das Opfer sein Einverständnis erklärt, oder sogar die Initiative von ihm ausgeht. Ein tatbestandsausschließendes Einverständnis erscheint im Rahmen des § 174c StGB grundsätzlich möglich, obwohl daran aufgrund der Verfassung des Opfers strenge Anforderungen zu stellen sind.

Geht es um die Behandlung einer seelischen Störung, wie oben beschrieben, sind sexuelle Handlungen ohne Ausnahme missbräuchlich. Bei körperlichen Leiden erscheint eine Einverständniserklärung schon eher möglich. Solange parallel keine psychischen Probleme vorliegen, kann beispielsweise ein einverständlicher Sexualkontakt zwischen Patientin und Hausarzt, selbst bei einem Praxisbesuch, straffrei sein. Auch besteht im Einzelfall die Möglichkeit eines einverständlichen Sexualkontakts zwischen einem Klienten und einem Angehörigen des Hilfspersonals.


Die Verteidigung – ich helfe bundesweit

Der § 174c StGB sieht Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren vor. Unter den Voraussetzungen des § 47 StGB kann alternativ auch eine Geldstrafe verhängt werden. Bei einem Ersttäter wird eine Verurteilung meist auf eine Bewährungsstrafe hinauslaufen. Rechtlich gesehen kann in einigen Fällen jedoch zusätzlich Führungsaufsicht oder Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Besonders prekär wäre auch ein Berufsverbot oder für Ärzte der Verlust der Approbation. Sie sollten sich daher dringend frühzeitig an einen erfahrenen Rechtsanwalt wenden. Steht der Vorwurf des § 174c StGB im Raum, gibt es gute Chancen, dass das Verfahren nach § 153a StPO bereits vor Erhebung der Anklage eingestellt werden kann. Ihnen bleiben auf diesem Wege die belastende Hauptverhandlung und ein Eintrag in das Führungszeugnis erspart. Ich habe mich auf dem Gebiet des Sexualstrafrechts spezialisiert und werde für Sie das komplette Verteidigungspotenzial optimal ausschöpfen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Matthias Brauer LL.M.

Beiträge zum Thema