Abgasskandal – Verbotsirrtum und Schadenersatz nach Urteil des BGH

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Schadenersatzansprüche im Abgasskandal bestehen schon, wenn der Autohersteller nur fahrlässig gehandelt hat. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteilen vom 26. Juni 2023 deutlich gemacht (Az.: VIa ZR 335/21 / VIa ZR 533/21 / VIa ZR 1031/22). Damit muss dem Autohersteller keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung mehr nachgewiesen werden. Somit hat der BGH die Hürden für die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen erheblich gesenkt. Das gilt insbesondere für Dieselfahrzeuge, die mit einem Thermofenster bei der Abgasreinigung ausgestattet sind.

Der BGH stellte klar, dass Käufer eines Autos davon ausgehen dürfen, dass das Fahrzeug den gesetzlichen Vorgaben entspricht und uneingeschränkt genutzt werden kann. Das ist aber nicht der Fall, wenn eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist. Dann droht eine Betriebsbeschränkung oder Betriebsuntersagung. Daher erleidet der Käufer eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung immer einen Schaden, denn ein solches Fahrzeug hätte er nach Überzeugung des BGH nicht zum vereinbarten Kaufpreis erworben. Dementsprechend hat er Anspruch auf Schadenersatz vom Autohersteller, der die Übereinstimmungsbescheinigung ausgegeben und damit versichert hat, dass das Fahrzeug die gesetzlichen Vorgaben einhält.


Nachweis der unzulässigen Abschalteinrichtung


Ein Schadenersatzanspruch besteht schon, wenn der Autohersteller die unzulässige Abschalteinrichtung auch nur fahrlässig verwendet hat. Der Kläger muss nun nachweisen, dass eine unzulässige Anschalteinrichtung vorliegt und der Autobauer bei der Verwendung entweder vorsätzlich oder aber mindestens fahrlässig gehandelt hat. „Ein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts, ein Sachverständigengutachten oder auch diverse Abgasmessungen belegen häufig schon, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius. Gerade das Thermofenster bei der Abgasreinigung gilt als Industriestandard und ist weit verbreitet.


Autohersteller muss unvermeidbaren Verbotsirrtum beweisen


Die Autohersteller müssen dann nachweisen, dass sie bei der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt haben. Dazu müssen die darlegen, dass ein sog. unvermeidbaren Verbotsirrtum vorliegt. Sie müssen beweisen, dass sie die Rechtswidrigkeit ihres Handelns unter keinen Umständen hätten erkennen können. Ein solcher Nachweis ist in der Regel aber nur schwer zu führen. „Gerichte haben schon mehrfach klargestellt, dass gesetzliche Grenzwerte für den Emissionsausstoß nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch unter realen Verkehrsbedingungen eingehalten werden müssen und einer häufigen Argumentation der Autohersteller eine klare Absage erteilt. Der EuGH hat zudem klargestellt, dass ein Thermofenster auch nicht ausnahmsweise zulässig sein kann, wenn es schon bei üblichen Außentemperaturen die Abgasreinigung reduziert“, erklärt Rechtsanwalt Gisevius.

Wenn sich die Autohersteller dennoch auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen wollen, werden sie voraussichtlich die Karten auf den Tisch legen müssen und erklären, welche Angaben sie zur Funktionsweise einer Abschalteinrichtung gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt gemacht haben. „Davon ist nach den bisherigen Erfahrungen im Abgasskandal nicht auszugehen“, so Rechtsanwalt Gisevius.


Schadenersatz und Nutzungsvorteile


Können die Autohersteller einen unvermeidbaren Verbotsirrtum nicht beweisen, sind sie schadenersatzpflichtig. Bei Fahrlässigkeit liegt der Schadenersatzanspruch zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises. Das Auto können die Kläger behalten. Nutzungsvorteile, wie die gefahrenen Kilometer, werden erst dann angerechnet, wenn sie zusammen mit dem Restwert den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen. Das ist im Einzelfall zu klären.

Kann dem Autohersteller Vorsatz nachgewiesen werden, besteht Anspruch auf den sog. großen Schadenersatz, bei dem der Kaufvertrag komplett rückabgewickelt wird. Das heißt, der Kläger gibt das Fahrzeug zurück und im Gegenzug wird ihm der Kaufpreis erstattet. Davon wird dann eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer abgezogen. „Auch der große Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB ist in vielen Fällen noch möglich“, so Rechtsanwalt Gisevius.

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Mehr Informationen: https://bruellmann.de/abgasskandal




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