Abgedrängt und vom Rad gestürzt – Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr?

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Täter im Sinne von § 315 b Abs. 1 StGB kann jeder – auch der Beifahrer – sein, der das tatbestandsmäßige Geschehen beherrscht.

Das plötzliche Öffnen der Beifahrertür eines fahrenden Pkws, um einen neben dem Fahrzeug befindlichen Radfahrer auffahren zu lassen oder zu einem riskanten Ausweichmanöver zu zwingen, kann eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB darstellen. Dies gilt auch, wenn der Körperverletzungserfolg erst durch das Ausweichmanöver eintritt und es nicht zu einer unmittelbaren Berührung zwischen Fahrzeugtür und Radfahrer kommt.

(OLG Hamm, Beschluss vom 31.01.2017 – 4 RVs 159/16)

Dieser Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte war Beifahrer in einem Pkw. Er und der Fahrer ärgerten sich über einen vor ihnen fahrenden Fahrradfahrer. Daraufhin überholten sie das Fahrrad, wobei der Fahrer beim Überholvorgang scharf nach rechts lenkte, um dem Fahrradfahrer den Weg abzuschneiden. Der angeklagte Beifahrer öffnete zudem die Beifahrertür. Der Fahrradfahrer wich dem Fahrzeug noch aus, stürzte jedoch unmittelbar danach mit dem Rad zu Boden und verletzte sich erheblich.

Die Vorinstanzen verurteilten den Angeklagten und den Fahrer als Mittäter wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Die dagegen gerichtete Revision des angeklagten Beifahrers zum OLG Hamm blieb erfolglos.

Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Beifahrer auch Täter beim gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB sein kann, wenn er das Geschehen bestimmend beeinflussen kann, dieses also beherrscht.

Wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr macht sich strafbar, wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt (Nr. 1); Hindernisse bereitet (Nr. 2) oder einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt (Nr. 3) und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.

Sorgt der Beifahrer, beispielsweise durch ein öffnen einer Fahrzeugtür dafür, dass ein Hindernis für den übrigen Verkehr entsteht, um diesen an der Weiterfahrt zu hindern oder ihm den Weg abzuschneiden, so kann dies zur Täterschaft beim gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB führen. Neben der Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs muss noch eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben beziehungsweise von Sachen erheblichen Wertes hinzutreten. Bei Verletzungen infolge eines Sturzes ist eine solche konkrete Gefährdung stets anzunehmen. Hier hat sich die Gefahr bereits verwirklicht.

Aufgrund der Verletzungen infolge des Sturzes kam auch eine Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung in Betracht. Diese setzt voraus, dass der Täter die körperliche Unversehrtheit oder die Gesundheit einer anderen Person in einer durch § 224 StGB näher bestimmten Weise verletzt. Bei Körperverletzungen im Straßenverkehr stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Merkmale „gefährliches Werkzeug“ (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und eine „das Leben gefährdende Behandlung“ (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) verwirklicht sind. Stürzt ein Radfahrer, der zuvor mit erheblicher Geschwindigkeit gefahren ist, besteht regelmäßig die Gefahr, dass dieser sich lebensgefährlich verletzt. Insbesondere erhebliche Kopfverletzungen sind durch den den Sturz zu befürchten; gerade dann, wenn der Fahrradfahrer keinen Helm getragen haben sollten. Bemerkenswert ist an der hier besprochenen Entscheidung, dass das OLG Hamm eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung angenommen hat, obwohl kein körperlicher Kontakt zwischen dem Fahrradfahrer und der Autotür oder dem Beifahrer stattgefunden hatte.

In der besonderen Konstellation, dass mehrere Personen die Körperverletzung begangen haben könnten, hier Fahrer und Beifahrer, ist zudem das Merkmal „gemeinschaftlich“ (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) zu berücksichtigen. Das OLG Hamm eine Verurteilungsmöglichkeit wegen gemeinschaftlicher Begehung auch hier angedeutet, war jedoch aus rechtlichen Gründen – Einlegung der Revision nur durch den Angeklagten – daran gehindert, entsprechend zu verurteilen.


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