Abmahnfalle manipulative Gestaltungen (sog. Dark Patterns)

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Rechtsanwalt Andreas Kempcke

Das OLG Bamberg hat dem Ticket-Anbieter Eventim untersagt, Nutzer durch manipulative Gestaltungen (sog. Dark Patterns) zu einer Ticketversicherung zu drängen (OLG Bamberg, Urteil vom 05.02.2025 Az. 3 Kl 11/24e). Die rechtliche Problematik von Dark Patterns und die vom OLG Bamberg untersagte Gestaltung erläutere ich im folgenden Beitrag:

Dark Patterns

Dark Patterns sind Gestaltungen auf Internetseiten oder in Apps, die dazu dienen, Benutzer zu Handlungen zu verleiten, die ihren Interessen entgegenlaufen. Vereinfacht gesagt geht es um die Steuerung des Verhaltens des Benutzers auf der Grundlage von Erkenntnissen aus der Psychologie und aus der Verhaltensökonomie. Da die Grenze zwischen einem gut gemeinten Design und einem bewusst manipulativ eingesetzten Design fließend ist, gab es in der Vergangenheit immer wieder Streit um die Frage, ob Gestaltungen im Sinne einer möglichst einfachen Bedienung noch zulässig sind oder ob Gestaltungen aufgrund ihres manipulativen Charakters nicht nur unethisch, sondern sogar unlauter und rechtswidrig sind. 

Vorgaben aus Artikel 25 DSA (Digital-Services-Act)

Artikel 25 DSA sieht für die Gestaltung und Organisation von Online-Schnittstellen die folgenden Vorgaben vor:

„(1) Anbieter von Online-Plattformen dürfen ihre Online-Schnittstellen nicht so konzipieren, organisieren oder betreiben, dass Nutzer getäuscht, manipuliert oder anderweitig in ihrer Fähigkeit, freie und informierte Entscheidungen zu treffen, maßgeblich beeinträchtigt oder behindert werden.

(2) (…)

(3) Die Kommission kann Leitlinien für die Anwendung von Absatz 1 auf eine bestimmte Praxis herausgeben, insbesondere in Bezug darauf, 

  1. dass bestimmte Auswahlmöglichkeiten stärker hervorgehoben werden, wenn der Nutzer eine Entscheidung treffen muss, 
  2. dass der Nutzer wiederholt aufgefordert wird, eine Auswahl zu treffen, obwohl eine solche Auswahl bereits getroffen wurde, insbesondere durch die Einblendung eines Fensters, mit der die Nutzererfahrung beeinträchtigt wird,
  3. dass das Verfahren zur Beendigung eines Dienstes schwieriger als das Verfahren zur Anmeldung bei diesem Dienst gestaltet wird.“

Beispiele für Dark Patterns in der Praxis

Wahrscheinlich waren alle von uns im alltäglichen Leben schon mit Dark Patterns konfrontiert. Was den Einsatz derartiger Gestaltungen angeht, sind der Fantasie nämlich kaum Grenzen gesetzt: Besonders häufig waren unzulässige Gestaltungen im Zusammenhang mit der Einholung von Einwilligungen für das Tracking durch Cookies (sog. Cookie Consent Tricking). Ebenfalls besonders häufig waren verwirrend gestaltete Möglichkeiten zur Vornahme von Privatsphäre-Einstellungen (sog. Privacy Zuckering). Weitere Beispiele sind getarnte Werbungen, die wie Inhalte oder Navigationselemente gestaltet sind; unnötig komplizierte Formulierungen bei vorgeschriebenen Informationen oder irreführende Beschriftungen auf Schaltflächen. Immer geht es letztlich darum, den Nutzer zu einer Handlung zu verleiten, die im Interesse des Anbieters liegt.

Die beanstandete Gestaltung bei Eventim

In dem Internetauftritt von Eventim hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. die Werbung für eine kostenpflichtige Ticketversicherung beanstandet. Hintergrund war folgende Gestaltung:

Verbrauchern, die im Warenkorb eine angebotene kostenpflichtige Ticketversicherung nicht ausgewählt hatten und den Bestellvorgang über den Button „Weiter zur Kasse“ fortgesetzt hatten, wurde ein Fenster eingeblendet, in dem die Verbraucher zur Vermeidung von „Ärger und Frust über ein verpasstes Event“ noch einmal zu einer Entscheidung über die Ticketversicherung aufgefordert wurden, und zwar dergestalt, dass zwischen zwei Button ausgewählt werden konnte: ein weiß unterlegter Button mit der Beschriftung: „Ich trage das volle Risiko“ und ein blau unterlegten Button mit der Beschriftung „Für nur € … absichern“ (wobei ein konkreter Betrag für die Absicherung angegeben war).

Das OLG Bamberg ging zwar davon aus, dass die Regelungen des Artikel 25 DSA nicht direkt anwendbar seien, weil für den Fall die Vorschriften der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken vorrangig seien. Unabhängig hiervon zog das Gericht die in den Regelungen niedergelegten Grundsätze zur Auslegung der Vorgaben der Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken heran und kam zu dem Schluss, dass Eventim jedenfalls über die Vorgaben des Wettbewerbsrechtes auch die Vorgaben des Artikel 25 DSA einzuhalten hat. 

Die wiederholte Nachfrage im Hinblick auf die Ticketversicherung allein sah das OLG Bamberg als zulässig an.

Auch die unterschiedliche farbliche Gestaltung der beiden zur Auswahl stehenden Button sah das OLG Bamberg als zulässig an. Unzulässig wurde die Gestaltung nach Auffassung des Gerichtes durch den genutzten Text:

„Die Beklagte nutzt sowohl die wiederholte Anfrage als auch die visuelle Gestaltung dazu, um den Nutzer zum Abschluss einer Ticketversicherung zu bewegen. Dies mag, isoliert betrachtet, aus den vorstehenden Gründen bei einem durchschnittlichen informierten und aufmerksamen Nutzer trotz Verwirklichung zweier Regelbeispiele noch nicht als „maßgebliche“ Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit einzuordnen sein. Im Zusammenhang mit dem ebenfalls bereits erwähnten, mit der Ablehnung der Versicherung einhergehenden Text auf dem Auswahlbutton „ich trage das volle Risiko“ ist diese Schwelle jedoch überschritten. Der Text bewirkt zwar eine erhöhte Aufmerksamkeit. Diese wird jedoch dadurch hervorgerufen, dass hiermit ein Szenario aufgebaut wird, dass Angst vor einem Totalverlust des Kaufpreises erzeugt und auf den durchschnittlichen Nutzer bedrohend wirkt. Außerdem wird dem durchschnittlichen Nutzer nahegebracht, dass er das Verlustrisiko sogar bei Umständen trägt, die nicht in seiner Sphäre liegen. Denn mit der Formulierung „das volle Risiko“ verbindet der durchschnittliche Verbraucher die Vorstellung, dass er ohne Abschluss der Versicherung nunmehr den Verlust des Kaufpreises hinnehmen muss, wenn ein Besuch des Konzerts, gleich aus welchen Gründen, scheitert. Dass dies gerade bei einer Absage des Konzerts durch den Veranstalter nicht der Gesetzeslage entspricht, bedarf keiner weiteren Erörterung. Insoweit liegt eine Irreführung des Nutzers vor, die dazu führt, dass die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt ist, weshalb die Gestaltung der Webseite gegen Art. 25 Abs. 1 DSA verstößt.“ 

Meine Einschätzung: 

Die Entscheidung des OLG Bamberg verdeutlicht die Gefahr einer Abmahnung, die mit der Nutzung von manipulativen Gestaltungen (Dark Patterns) verbunden ist.

Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate als Fachanwalt für IT-Recht bei Internetrecht-Rostock.de unter anderem zur Gestaltung von Internetseiten.

Weitere Informationen zu mir und meiner Tätigkeit können Sie meiner Profilseite, meinen Rechtstipps und meinem Bewertungsprofil entnehmen.

Sie haben eine Abmahnung erhalten?

Wenn Sie eine Abmahnung wegen des Vorwurfs einer manipulativen Gestaltung erhalten haben:

  • Rufen Sie mich einfach an unter: 0381 260 567 30
  • Schicken Sie mir eine E-Mail an: rostock@internetrecht-rostock.de
  • Oder lassen Sie mir über die Funktion „Nachricht senden“ direkt unter diesem Rechtstipp eine Mitteilung zukommen.


Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für IT-Recht

Internetrecht-Rostock.de

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