Abmahnung erhalten? Tipps für die Verhandlungen, wenn Sie Rechtsmissbrauch vermuten

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Auch bei berechtigten Abmahnungen kommt es immer mal wieder vor, dass aufgrund der Gesamtumstände ganz klar zu vermuten steht, dass es dem Abmahner mit dem Ausspruch der Abmahnung vorrangig darum geht, den Abgemahnten zu schädigen. In diesem Fall kann es Sinn machen, die Ansprüche von Anfang an zurückzuweisen und die Bereitschaft zu einer umfassenden Rechtsverteidigung zu signalisieren. In dem folgenden Beitrag erläutere ich, wie Sie hierbei vorgehen können.

Woran Sie einen Fall von Rechtsmissbrauch erkennen können

Die Abmahnung und der Rechtsmissbrauch sind schon länger ein verzwicktes Thema. Einerseits soll nach einer Rechtsverletzung mit einer Abmahnung die Gelegenheit gegeben werden, ein gerichtliches Verfahren durch Abgabe einer Unterlassungserklärung zu vermeiden. Andererseits soll der Abgemahnte bei einer berechtigten Abmahnung die hierfür angefallenen erforderlichen Kosten erstatten, denn schließlich hat er durch seine Rechtsverletzung die Notwendigkeit der Abmahnung verursacht. Und genau diese Kosten in Höhe von oftmals mehreren hundert und mitunter sogar mehreren tausend Euro waren es in der Vergangenheit auch häufig, die die Betroffenen als Abzocke oder Rechtsmissbrauch ansahen. Kein Wunder also, dass die Rechtsprechung sich in der Vergangenheit immer wieder mit Fällen beschäftigen musste, in denen es um den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs ging. Das Problem: Die Gerichte haben in der Vergangenheit zwar verschiedene Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs entwickelt, entscheiden jedoch gleichwohl immer nur im jeweiligen Einzelfall und auf der Grundlage einer Gesamtabwägung. Da fällt eine Prognose des Ausgangs zugegebenermaßen oft schwer. Es gibt jedoch verschiedene Aspekte, die nach meiner Erfahrung recht deutlich erkennen lassen, ob es dem Abmahner vorrangig um die Sache geht oder doch eher um Geld:

  • Vollkommen überzogene Abmahnkosten waren schon in der Vergangenheit immer ein recht deutliches Indiz dafür, dass es bei der Abmahnung vorrangig um Geld geht. Was „vollkommen überzogen“ ist, darüber lässt sich allerdings vortrefflich streiten, zumal die Gerichte diesen Streit durch sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen zusätzlich angeheizt haben.
  • Auch offensichtlich überhöhte feste Vertragsstrafenbeträge in vorformulierten Unterlassungserklärungen waren schon immer ein sehr deutliches Warnsignal für den Abgemahnten. Da eine so gestaltete Unterlassungserklärung allerdings viele Abgemahnte von vornherein von der Unterzeichnung abhält, sind entsprechende Fälle in der Vergangenheit immer seltener geworden.
  • Wesentlich schwerer zu erkennen und auch deutlich gefährlicher sind Fälle, in denen mit der Abmahnung eine vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung übersandt wird, bei der die vorgeschlagenen Unterlassungsverpflichtungen absichtlich viel zu weit gefasst sind. Mit dieser Vorgehensweise wird nämlich auf recht perfide Weise die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es zu einem Verstoß kommt und eine Vertragsstrafe gefordert werden kann. Solche Fälle tauchen insbesondere bei Abmahnungen auf, mit denen der Vorwurf eines wettbewerbswidrigen Verhalten oder eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erhoben wird. 
  • Und dann sind dann natürlich noch die inzwischen sehr seltenen Fälle der sogenannten Abmahnwelle, Massenabmahnung bzw. Serienabmahnung.

Aber wenn der Vorwurf doch in der Sache selbst berechtigt ist

Genau das ist der typische Fall: Der Vorwurf ist in der Sache selbst leicht nachvollziehbar und sogar berechtigt. Eine Rechtsverteidigung scheint somit von vornherein aussichtslos. Doch diese Annahme ist falsch. Eine Abmahnung dient nämlich der außergerichtlichen Streitbeilegung und nicht dazu, Geld zu verdienen. Wird aus den Gesamtumständen jedoch deutlich, dass mit einer Abmahnung vorrangig sachfremde Ziele verfolgt werden sollen, also insbesondere Geld verdient werden soll, dann ist die Geltendmachung der Ansprüche unzulässig. Dies bedeutet, dass es gerade nicht mehr darauf ankommt, ob der Vorwurf in der Sache selbst berechtigt ist oder nicht. Natürlich sollten Sie einen Rechtsverstoß so schnell wie möglich beseitigen. Wenn greifbare Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch vorliegen, sollten Sie jedoch auch darüber nachdenken, sich gegen die Abmahnung zu wehren.

Praxistipp: Wenn Sie Grund zu der Annahme haben, dass der Gegner die Abmahnung in Ihrem Fall nur ausgesprochen hat, um Ihnen hiermit zu schaden oder um sich selbst zu bereichern, dann können Sie konsequenterweise auch davon ausgehen, dass der Gegner versuchen wird, über die Geltendmachung von Vertragsstrafenansprüchen weitere Einnahmen zu generieren. In einem solchen Fall können Sie durch die Verweigerung der Abgabe einer Unterlassungserklärung von vornherein signalisieren, dass Sie dieses Spiel nicht mitspielen werden.

Wie Sie höflich „NEIN“ sagen  

Auch mit einem Lächeln können Sie Ihre Zähne zeigen. Wenn Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch bestehen und Sie sich aus diesem Grund für die Zurückweisung der Ansprüche entschieden haben, dann können Sie entweder mit einem etwas diplomatischeren Vorschlag reagieren oder die Ansprüche unmittelbar unter Verweis auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs zurückweisen.

  • Etwas diplomatischer ist die Beantwortung einer Abmahnung mit Ausführungen zu den Anhaltspunkten, aus denen sich die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens ergeben könnte. Werden diese Ausführungen mit dem Hinweis auf mögliche Gegenansprüche und dem weiteren Hinweis verbunden, dass die erforderlichen Änderungen vorgenommen worden sind, dann ist es für den Abmahner mitunter gesichtswahrend möglich, die Angelegenheit unter Aufrechterhaltung seiner eigenen Rechtsauffassung als erledigt anzusehen und schlichtweg im Sande verlaufen zu lassen.
  • Sind die Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch z.B. aufgrund der großen Anzahl von Parallelverfahren dagegen offensichtlich, dann macht es Sinn, die Ansprüche unmittelbar und auch mit recht deutlichen Worten zurückzuweisen. In diesem Zusammenhang hat sich nach meiner Erfahrung bewährt, auch auf die vorliegenden Informationen zu den laufenden Parallelverfahren zu verweisen und die Veranlassung weitergehender rechtlicher Schritte vorzubehalten.

Praxistipp (und Werbung): Ob Sie sich nun für die diplomatischere oder die etwas offensivere Antwort-Variante entscheiden, hängt sicher vom jeweiligen Fall ab. Nach meiner Erfahrung ist es bei Anhaltspunkten für einen Rechtsmissbrauch jedoch sinnvoll, die Abmahnung durch einen fachkundigen Anwalt beantworten zu lassen. Wenn Sie Ansprüche mit einem anwaltlichen Schreiben zurückweisen lassen und somit für eine außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit Geld ausgeben, dann signalisieren sie dem Gegner hiermit ganz klar, dass Sie die Angelegenheit ernst nehmen und sich gegebenenfalls auch weiter gegen die Ansprüche zur Wehr setzen werden. Ich nehme in derartigen Fällen in meine anwaltlichen Schreiben deshalb häufig auch einen weiteren Hinweis mit auf: nämlich, dass ich für den Fall, dass die Angelegenheit wirklich im gerichtlichen Verfahren weiterverfolgt werden soll, zustellbevollmächtigt/prozessbevollmächtigt bin. Damit ist dann klar, dass der weitere Weg steinig wird. Der Abmahner kann sich dann überlegen, ob er in der Angelegenheit wirklich ein gerichtliches Verfahren einleiten möchte. Manch ein Abmahner verliert dann schlichtweg die Lust.

Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate als Fachanwalt für IT-Recht bei Internetrecht-Rostock.de ständig Abgemahnte und verfüge daher über Erfahrung aus einer Vielzahl von Abmahnverfahren.

Weitere Informationen zu mir und meiner Tätigkeit können Sie meiner Profilseite, meinen Rechtstipps und meinem Bewertungsprofil entnehmen.

Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch.

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Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für IT-Recht

Internetrecht-Rostock.de

Weitere Anregungen für Verhandlungen bei Abmahnverfahren:

https://www.anwalt.de/rechtstipps/abmahnung-erhalten-tipps-fuer-die-verhandlungen-mit-der-gegenseite-einigeln-200238.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/abmahnung-erhalten-tipps-fuer-die-verhandlungen-mit-der-gegenseite-das-silberne-tablett-200139.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/abmahnung-erhalten-tipps-fuer-die-verhandlungen-mit-der-gegenseite-wenn-eine-einigung-keinen-sinn-macht-199969.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/abmahnung-erhalten-tipps-fuer-die-verhandlungen-vom-gegeneinander-zum-miteinander-199922.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/abmahnung-erhalten-tipps-fuer-die-verhandlungen-mit-der-gegenseite-der-ton-macht-die-musik-199087.html



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