AGG und Rechtsmissbrauch ​des Bewerberstatus

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Mit seinem Urteil vom 22.02.2022 (42 Ca 716/22) hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden, dass eine Person, die sich den Status des „Bewerbers“ rechtsmissbräuchlich aneignet, keinen Anspruch auf Schadensersatz bzw. Entschädigung wegen Benachteiligung gemäß § 15 II AGG hat.


Im zugrundeliegenden Fall verlangte der Kläger eine angemessene Entschädigung von der Beklagten, die ihn nach § 1 AGG benachteiligt haben soll. Er bewarb sich auf eine Stelle, die nach einer „Sekretärin“ suchte und klagte gegen die Ablehnung, die nur aufgrund seines Geschlechtes erfolgt sein soll, § 15 II AGG.


Das Gericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Voraussetzung für einen Anspruch aus § 15 II 1 AGG sei, dass der persönliche Anwendungsbereich  des AGG für beide Parteien eröffnet sei.

Dafür müsse der Kläger ein Beschäftigter i.S.d. § 6 I AGG gewesen sein. Gemäß § 6 I AGG gelten auch Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis als Beschäftigte.

Vorliegend habe der Kläger ein Schreiben bei der Beklagten eingereicht, das zwar nicht den üblichen Anforderung einer Bewerbung entsprochen habe, da es ihm an Dokumenten wie unter anderem einem Lebenslauf gefehlt habe, jedoch dennoch als Bewerbung angesehen werden könne. Demzufolge sei der Kläger ein Beschäftigter gemäß § 6 I 2 1. Alt. AGG.

Auch die Beklagte sei Arbeitgeberin i.S.d. § 6 II AGG.


Des Weiteren müsse eine Benachteiligung gegeben sein.

In Betracht komme hier eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts.

Gemäß § 7 I AGG sei es nicht gestattet, Personen aufgrund eines in § 1 AGG genannten Umstandes zu benachteiligen, beispielsweise wegen des Geschlechtes. Ebenso setze § 11 AGG voraus, dass eine Stellenausschreibung nicht mit einem Verstoß gegen § 7 I AGG veröffentlicht werden dürfe.

Vorliegend habe die Beklagte in ihrer Stellenausschreibung nach einer „Sekretärin“ gesucht. Die Verwendung der ausschließlich weiblichen Form deute darauf hin, dass nur weibliche Personen gesucht wurden. Eine Benachteiligung sei somit gegeben.


Dennoch stehe dem Kläger kein Anspruch auf Entschädigung zu, denn er habe sich lediglich beworben, um den Status des Bewerbers, § 6 I AGG, zu erhalten, der für den Entschädigungsanspruch aus dem AGG notwendig ist.

Dies würde eine Handlung gegen Treu und Glauben darstellen, § 242 BGB, da er sich nicht auf die Stelle beworben habe, um eingestellt zu werden, sondern nur um entschädigt zu werden.

Gemäß § 242 BGB seien Rechtspositionen, die durch ein solches Verhalten zustande gekommen seien, nicht schutzwürdig. Rechtsmissbräuchlich seien Klagen nach dem AGG demnach, wenn der Kläger „ein systematisches und zielgerichtetes Verhalten“ an den Tag legen würde, welches darauf gerichtet sei, durch Klage einen Gewinn zu erwirtschaften.

Im vorliegenden Fall überzeugten mehrere Umstände das Gericht davon. So habe der Kläger innerhalb eines Jahres mehrere Klagen derselben Art eingereicht. Dies allein sei zwar nicht ausreichend, um von einem Verhalten gegen Treu und Glauben auszugehen, denn der Kläger trage grundsätzlich das Kostenrisiko des Prozesses. Allerdings handele es sich hier um elf Stellenausschreibungen, die jeweils eine „Sekretärin“ suchten und auch auf derselben Plattform gepostet wurden. Ein systematisches Verhalten des Täter sei dadurch gegeben.

Ebenso erwartete der Kläger einen Gewinn aus dem Prozess. Dies machte das Gericht daran fest, dass er die Beklagte unter anderem auf die hohen Streitwerte in solchen Verfahren hinwies, um die Beklagte unter Druck zu setzten, sodass sie seine Forderung freiwillig begleiche.

Foto(s): Janus Galka


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