Anspruch auf Anerkennung von Körperschäden nach Dienstunfall bei Vorschädigung?

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Das BVerwG hat diese Frage jedenfalls bei einer sog. Gelegenheitsursache wegen hierbei fehlendem Zurechnungszusammenhang zwischen Dienst, Ereignis und Körperschaden verneint (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2019 – 2 A 6/18 –, juris).


Sachverhalt und Verfahrensgang

Der Kläger ist Bundesbeamter beim BND und macht weitere Körperschäden als Folgen eines bereits anerkannten Dienstunfalls geltend (a. a. O.).

In seiner Unfallmeldung gab er im Februar 2017 an, zwei Monate zuvor während eines dienstlichen Einsatzes einen Unfall erlitten zu haben (a. a. O.). Er sei auf einem Gehweg gestolpert und auf die rechte Schulter gefallen; die ärztliche Untersuchung ergab zunächst, dass der Sturz lediglich zu einer Prellung der rechten Schulter geführt habe (a. a. O.). Dieser dienstunfallbedingte Körperschaden sei zum Zeitpunkt der Untersuchung vollständig ausgeheilt gewesen (a. a. O.). Es hätten keine Vorschädigungen bestanden, die die Entstehung dieses Körperschadens wesentlich begünstigt oder mitverursacht hätten (a. a. O.). Für die jetzt noch angegebenen Beschwerden des Klägers seien vorbestehende degenerative Veränderungen ursächlich (a. a. O.).

Im August 2017 erkannte der BND den während einer Dienstreise erlittenen Sturz als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge der Prellung an der rechten Schulter an (a. a. O.).

Im September 2017 erhob der Kläger Widerspruch, weil der Unfall bei ihm auch zu einer Läsion der Supraspinatus-Sehne in der rechten Schulter geführt habe (a. a. O.). Das Gesundheitsamt kam nach einer MRT-Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Supraspinatus-Sehne in der rechten Schulter bereits vorgeschädigt gewesen sein müsse (a. a. O.).

Im Oktober 2017 wurde beim Kläger eine operative Wiederanheftung der Sehne durchgeführt (a. a. O.) In seiner weiteren Stellungnahme führte das Gesundheitsamt aus, dass nach dem OP-Bericht eine Engstelle im Tunnel unter dem Schulterdach beseitigt worden sei (a. a. O.). Dies spreche ebenfalls für eine Vorschädigung der Sehne (a. a .O). Zudem seien durch die durchgeführte radiologische Diagnostik Veränderungen mit Sklerosierungen unter dem Schulterdach oder dem Schultereckgelenk belegt (a. a. O.).

Der Widerspruch blieb erfolglos (a. a. O.). Bei dem Sturz habe es sich um eine Gelegenheitsursache gehandelt, die eine bereits anlagebedingte degenerative Vorschädigung angesprochen habe (a. a. O.). Die daraufhin erhobene Klage, für die das BVerwG erst- und letztinstanzlich zuständig war (vgl. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO), hat das BVerwG (nach Anhörung des Arztes des Gesundheitsamts als Sachverständigem) abgewiesen (a. a. O.).


Urteil des BVerwG

Nach Auffassung des BVerwG hatte der Kläger bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation keinen Anspruch darauf, dass die Rotatorenmanschettenteilruptur und die damit verbundene Teilläsion der Supraspinatus-Sehne als weitere Folgen des Dienstunfalls anerkannt werden müsse (a. a. O.).

Ein Dienstunfall sei gem. der hier einschlägigen Bestimmung des § 31 Abs. 1 BeamtVG ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist (a. a. O.). Das Merkmal „einen Körperschaden verursachendes Ereignis“ setze einen mehrfachen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Dienst, dem Ereignis und dem Körperschaden voraus (a. a. O.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG gelte bei mehreren Ursachen, die zu einem Unfall adäquat kausal geführt haben, die Theorie der wesentlich mitwirkenden Ursache (a. a. O.). Der Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Körperschaden bestehe demnach dann nicht mehr, wenn für den Erfolg eine weitere Bedingung ausschlaggebende Bedeutung hätte (a. a. O.). Mitursächlich seien hierbei nur solche für den eingetretenen Schaden kausalen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hätten (a. a. O.). Lägen mehrere Ursachen vor, sei jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache anzusehen, wenn sie annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolgs hätte (a. a. O.).

Danach sei der Dienstunfall dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) beigetragen oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hätte wie die anderen Umstände insgesamt (a. a. O.).

Eine sog. Gelegenheitsursache sei somit keine Ursache im Rechtssinne (a. a. O.). Diese liege vor, wenn die Beziehung zum Dienst eine rein zufällige sei und das schädigende Ereignis nach menschlichem Ermessen bei jedem anderen nicht zu vermeidenden Anlass in naher Zukunft ebenfalls eingetreten wäre (a. a. O.). Der notwendige Zusammenhang zum Dienst fehle daher, wenn ein anlagebedingtes Leiden durch ein dienstliches Vorkommnis nur rein zufällig ausgelöst worden sei (a. a. O.). Dies sei in Fällen anzunehmen, in denen die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden des Beamten so leicht aktualisierbar wäre, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedürfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis ggf. den selben Erfolg herbeigeführt hätte (a. a. O.).

Nach alldem war der Sturz des Klägers auf seine rechte Schulter nach Auffassung des BVerwG im Ergebnis der eingeholten sachverständigen Stellungnahmen keine wesentlich mitwirkende Ursache für den festgestellten Körperschaden (Rotatorenmanschettenteilruptur und damit verbundene Teilläsion der Supraspinatus-Sehne), weshalb dieser nicht als weitere Folge des Dienstunfalls anzuerkennen war (a. a. O.).


Rechtliche Bewertung

Die Bewertung als sog. Gelegenheitsursache, die nach Rechtsprechung des BVerwG zum Fehlen des für die Anerkennung eines Körperschadens in Folge eines Dienstunfalls erforderlichen Zurechnungszusammenhangs zwischen Dienst, Ereignis und Körperschaden führe, ist einzelfallabhängig.

Im  Dienstunfallrecht handelt es sich jedoch gerade bei der Bewertung, ob es sich z.B. um eine sog. "Gelegenheitsursache" handelt, um eine im Zweifel zunächst medizinisch in jedem Einzelfall (unter Hinzuziehung geeigneter Sachverständiger) zu klärende Fachfrage. Da die Klärung bereits im Verwaltungsverfahren nach entsprechender Dienstunfallmeldung (z.B. durch Hinzuziehung des Amtsarztes) beginnt, ist es i. d. R. ratsam, bei Fragen zum Dienstunfallrecht (möglichst frühzeitig) auch anwaltliche Unterstützung bei einem im Beamtenrecht versierten Rechtsanwalt zu suchen.

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