Anspruch auf ein Handbike bei Querschnittslähmung

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Das Landessozialgericht Hessen hat in einem aktuellen Urteil vom 5.8.2021 (L 1 KR 65/20) die Krankenkasse verurteilt, den Querschnittsgelähmten Kläger mit einem Handbike zu versorgen.


Die Entscheidung

Das Gericht ist der Argumentation des Klägers gefolgt. Ohne das Hilfsmittel könne er Bordsteinkanten nicht überwinden sowie Strecken mit Gefälle nicht befahren. Er könne daher nur unzureichend am öffentlichen Leben teilnehmen. Ein von der Krankenkasse angebotener Elektrorollstuhl könne von ihm nur genutzt werden, wenn er von einer Pflegekraft entsprechend umgesetzt werde. Der Querschnittsgelähmte Mann habe keine Greifkraft in den Händen, mit der er bei kleineren Hindernissen wie Bordsteinkanten die erforderlichen Kippbewegungen des Rollstuhles durchführen könnte. Auch sei es ihm nicht möglich, bei Gefälle die erforderlichen Bremswirkungen zu erzielen.

Das sei mit dem begehrten Hilfsmittel, dem konkret beantragten Handbike, welches er ohne Hilfe vor seinen Rollstuhl installieren könne, möglich. Bei anderen von der Krankenkasse angebotenen Handbikes sei er bei der Montage auf fremde Hilfe angewiesen.

Das Gericht führt in seiner Entscheidung aus, dass der Behinderungsausgleich mittels Hilfsmittel nicht auf einen Basisausgleich beschränkt ist. Das Grundbedürfnis nach Mobilität ist durch die Krankenkasse sicherzustellen. Dabei ist die Erschließung des Nahbereichs um die Wohnung des Versicherten umfasst. Das gesetzliche Teilhabeziel, ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben führen zu können, ist dabei nach Auffassung des Landessozialgerichts zwingend zu beachten.


Hintergrund

Die Versorgung mit Handbikes wird in der Regel durch die Krankenkassen abgelehnt. Wie in dem vom Landessozialgericht Hessen entschiedenen Fall verweisen die Krankenkassen zumeist auf kostengünstigere Hilfsmittel, wie einen Elektrorollstuhl. Mit diesem Verweis kommen die Krankenkassen bei den Gerichten aufgrund des für die Krankenkassen geltenden Wirtschaftlichkeitsgebotes, wonach bei gleich geeigneten Hilfsmitteln das nur kostengünstigste gewährt werden kann, in der Regel durch.


Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn wie in dem hier besprochenen Fall, die Nutzung eines Elektrorollstuhls nicht oder - und das ist das Besondere an dieser Entscheidung  - nicht ohne fremde Hilfe möglich ist. Denn das Landessozialgericht stellt hier eindeutig heraus, dass die Krankenkassen bei der Nutzung von Hilfsmitteln die Versicherten nicht auf fremde Hilfe verweisen dürfen. Dem stehe das gesetzliche Teilhabeziel, ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben führen zu können, zwingend entgegen.


Für die Praxis

Sollte also der Transfer in den Elektrorollstuhl nur mit fremde Hilfe möglich sein, kann sich bereits aus diesem Grunde ein Anspruch auf die Versorgung mit dem Handbike ergeben. Auch wenn andere Umstände, der Nutzung eines Elektrorollstuhls sprechen, kann ein Anspruch auf die Versorgung mit einem Handbike bestehen.

Es kommt also immer auf die besonderen Umstände im Einzelfall an. Auf diese sollte bereits im Rahmen der Antragstellung bei der Krankenkasse ausdrücklich aufmerksam gemacht werden.


Sollten Sie bei der Prüfung eines Bescheides der Krankenkasse Hilfe benötigen, Rückfragen haben oder Widerspruch gegen einen Bescheid einlegen wollen, stehe ich Ihnen gerne bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche zur Verfügung.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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