Ansprüche gegen Pfandleihhaus "Pfando"- Fahrzeug versteigert- Verträge nichtig

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.11.2022
- VIII ZR 221/21, VIII ZR 288/21, VIII ZR 290/21 und VIII ZR 436/21 -

Der Bundesgerichtshof hat in den zu beurteilenden Fällen nun entschieden, dass die mit dem Pfandleihhaus "Pfando" abgeschlossenen Verträge aufgrund des besonders groben Missverhältnisses zwischen dem an den Kunden gezahlten Kaufpreis (5.000 €) und dem zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags bestehenden Wert des Fahrzeuges (13.700 €) nichtig sind. 

Die Voraussetzungen eines wucherähnlichen Rechtsgeschäftes nach  § 138 Abs. 1 BGB wurden bejaht. 

Ein Verstoß gegen § 34 GewO wurde hingegen verneint. 

Dem Kunden steht ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Wiederbeschaffungswerts des versteigerten Fahrzeugs  und ein Anspruch auf Rückzahlung der bezahlten Mieten sowie der Bearbeitungsgebühr , gekürzt um den von ihm erhaltenen  Kaufpreis zu. 

Dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes ging unter anderem nachfolgende Entscheidung voraus: 

Landgericht München I, Urteil vom 29.10.2021 - 40 O 590/21 -

Das Landgericht München I hat im zitierten Fall die von den Parteien geschlossenen Verträge  über Kauf und Rückkauf des Fahrzeugs (sog. „Cash & Drive“) wegen Umgehung der verbraucher­schützenden Vorschriften der Pfandleihverordnung als unwirksam betrachtet. 

I. Örtliche Zuständigkeit 

Das Pfandleihhaus ist nach § 17 ZPO grundsätzlich an deren Sitz zu verklagen. 

Als Ausnahme kommt in der Praxis der besondere Gerichtsstand der Niederlassung nach § 21 ZPO in Betracht. Es gilt nachzuweisen, dass das Pfandleihhaus eine Niederlassung hat, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden. 

§ 21 ZPO greift aber auch in Fällen, in denen der Schein einer Niederlassung verursacht worden ist. Die tatsächliche innerbetriebliche Organisationsstruktur ist unbeachtlich, wenn zurechenbar der Rechtsschein gesetzt wird, es handle sich um eine selbständige, aus eigener Entscheidung heraus handelnde Geschäftsstelle, welche zum Abschluss von Geschäften befugt und auf gewisse Dauer eingerichtet ist.

Notwendig ist zum dauerhaften Betrieb die Verknüpfung mit einer räumlichen Einrichtung (Musielak/Voit/Heinrich, 17. Aufl. 2020 Rn. 2, ZPO § 21 Rn. 2).

II. Unwirksamkeit der Verträge (Kauf- und Mietvertrag)

Die Unwirksamkeit der Verträge ergibt sich aus  § 34 Abs. 4 GewO, da das Pfandleihhaus einen gewerblichen Kauf mit einer Rückkauf-Option angeboten hat.

Dabei kommt es für die Beurteilung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an unabhängig davon, wie die Parteien, insbesondere das Pfandleihhaus, den Vertrag nachfolgend gehandhabt haben (OLG Frankfurt, Urteil v. 05.06.2020 -  2 U 90/19).

Der Anwendung des § 34 Abs. 4 GewO steht nicht entgegen, dass in dem Kaufvertrag  kein Rückkaufsrecht vereinbart ist, sondern lediglich im Mietvertrag  unter Nennung des § 1239 BGB darauf hingewiesen ist, dass der Mieter bei der nach Beendigung des Mietvertrages durchzuführenden Versteigerung mitbieten kann und dass der Mieter bzw. Käufer ferner  darauf hingewiesen wurde, dass der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts verboten ist. 

Nach der allein maßgeblichen wirtschaftlichen Bedeutung des Geschäfts der Parteien handelt es sich der Sache nach um die gewerbsmäßige Hingabe eines durch ein Pfandrecht an beweglichen Sachen gesicherten Darlehens (vgl. BGH, NJW 2009, 3368 ff.) und damit um ein verschleiertes Pfandleihgeschäft (OLG Frankfurt, Urteil v. 05.06.2020 -  2 U 90/19).

Die Schutzvorschriften der Pfandleihverordnung würden damit umgangen (Landgericht München I, Urteil vom 29.10.2021, Az.: 40 O 590/21).

Die Nichtigkeit der schuldrechtlichen Verträge erfasst auch das dingliche Rechtsgeschäft der Eigentumsübertragung an dem Fahrzeug auf das Pfandleihhaus (OLG Frankfurt am Main, Aktenzeichen 5 U 90/19).

Zu prüfen ist auch, ob der Kaufpreis, als auch die monatlichen Mietzahlungen den Tatbestand des Wuchers erfüllen. Dies ist bei einem  auffälligen Missverhältnis zwischen Kaufpreis bzw. Mietzins und dem Wert des Fahrzeugs zu bejahen. 

Nach ständiger Rechtsprechung liegt im Rahmen des § 138 BGB ein auffälliges Missverhältnis vor, wenn der Wert der Leistung rund doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGH NJW 01,1127, 02,429).

Sofern die streitgegenständliche Vertragsart für zulässig erachtet wird, ergibt sich möglicherweise ein Anspruch des Klägers aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach Vorschriften zur Verwertung des Fahrzeugs nach Beendigung des Mietvertrages enthalten sind. In diesen ist oftmals geregelt, dass der Mieter sofern er an der Auktion nicht teilnimmt, im Falle einer erfolgreichen Versteigerung den Überschuss erhält. 

Konkret stellt sich für die Klagepartei die Problematik, den Verkehrswert des streitgegenständlichen Fahrzeuges zu ermitteln. Diesbezüglich ist ggf.  ein Sachverständiger hinzuzuziehen. 

 Befinden Sie sich in einer derartigen Vertragsbeziehung und wünschen die Überprüfung Ihrer Verträge bzw. die Herausgabe Ihres Fahrzeuges, wenden Sie sich gerne jederzeit an mich. Jeder Fall bedarf hierbei einer individuellen Rechtsberatung. Ich stehe Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. 

Sarah Schörghuber

Rechtsanwältin 


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