Anwalt für Strafrecht bei Vorladung und Anklage wegen fahrlässiger Tötung

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Fast 550 Fälle fahrlässiger Tötung weist die polizeiliche Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2022 aus. Hierbei sind diejenigen Fälle fahrlässiger Tötung, die im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen stehen, sogar ausgenommen.


Gerade im Straßenverkehr, wenn man einen Autounfall verursacht hat, bei dem eine Person stirbt, steht schnell der Vorwurf der fahrlässigen Tötung im Raum. Und das auch dann, wenn man nicht wollte, dass eine Person durch das eigene Verhalten zu Tode kommt.

Wie hoch ist die Strafe für fahrlässige Tötung?

Fahrlässige Tötung wird gem. § 222 StGB grundsätzlich mit einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft.


Zu beachten ist allerdings, dass unter Umständen neben einer strafrechtlichen Verurteilung zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe weitere Folgen drohen können. Gerade bei einer fahrlässigen Tötung im Straßenverkehr (wenn man beispielsweise aus Fahrlässigkeit einen Verkehrsunfall verursacht) kann möglicherweise der Verlust des Führerscheins oder gar der Fahrerlaubnis drohen.

Wann macht man sich wegen fahrlässiger Tötung strafbar?

Eine Strafe wegen fahrlässiger Tötung droht demjenigen, der aufgrund fahrlässigen Verhaltens einen anderen Menschen tötet.

Wann handelt man in strafbarer Weise fahrlässig?

Fahrlässig handelt derjenige, der die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Die Tötung eines anderen Menschen muss zudem objektiv und auch aus dem Erkenntnishorizont des Täters hinaus sowohl vorhersehbar, wie auch vermeidbar gewesen sein. Welche Sorgfaltspflichten zu beachten sind, kann von Situation zu Situation variieren. Maßstab ist hier, wie ein umsichtiger Mensch in der konkreten Situation an der Stelle des Täters handeln würde. Vgl. BGH, Urteil v. 26.11.2019 – 2 StR 557/18 m.w.N.


Bei der Frage der Vorhersehbarkeit ist auch auf die persönlichen Fähigkeiten und dem Kenntnisstand des Täters zu achten. Nicht jede Feinheit, nicht jeder einzelne Schritt der Ursachenkette, die schlussendlich dazu führt, dass der Geschädigte durch das dies auslösende Verhalten des Täters stirbt, muss für den Täter vorhersehbar gewesen sein. Wird das Geschehen allerdings atypisch, liegt die Entwicklung außerhalb dessen womit nach allgemeiner Lebenserfahrung gerechnet werden konnte und musste, so entfällt die Vorhersehbarkeit. Vgl. BGH, Urteil v. 26.11.2019 – 2 StR 557/18 m.w.N.


So verneinte der BGH beispielsweise in einem Urteil die Vorhersehbarkeit, in dem den Angeklagten als Mitarbeiter einer Justizvollzugsanstalt die Modalitäten des teilweisen offenen Vollzugs eines Strafgefangenen lockerten. Dieser war bereits wegen Straßenverkehrsdelikten in der Vergangenheit aufgefallen. Er verschaffte sich unberechtigterweise ein Kfz. Als er wegen des gestohlenen Kennzeichens von der Polizei angehalten wurde, flüchtete er, wobei es dazu kam, dass er als „Geisterfahrer“ auf die Autobahn fuhr und dabei eine Person getötet wurde. Nun stellte sich die Frage nach der Strafbarkeit der Mitarbeiter wegen der Lockerung des Vollzugs. Da sich hier eine Ursachenkette bildete, die so von den Mitarbeitern nicht vorgesehen werden konnte, verneinte der BGH eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung. Vgl. BGH, Urteil v. 26.11.2019 – 2 StR 557/18 m.w.N. (Sachverhalt und Entscheidung stark verkürzt und vereinfacht dargestellt).



Der Tod der Person muss gerade aufgrund des vorgeworfenen pflichtwidrigen Verhaltens eintreten. Bei Fahrlässigkeitsdelikten erfolgt nämlich dergestalt eine Art Einschränkung der Zurechenbarkeit der Verursachung des herbeigeführten Erfolges (bei der fahrlässigen Tötung der Tod einer anderen Person), durch die Notwendigkeit des sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhangs. Außerdem muss gerade die verletzte Sorgfaltspflicht dafür da gewesen sein, dass der Erfolg (z.B. der Tod einer anderen Person) nicht eintritt. Man spricht vom sog. Schutzzweckzusammenhang. Vgl. z.B. LG Kempten, Urteil v. 08.10.2020 – 3 Ns 111 Js 10508/14 in openJur 2020, 79571 (in diesem Fall zum Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten eines Arztes).

Kann man sich wegen fahrlässiger Tötung strafbar machen, wenn man nicht wollte, dass jemand stirbt?

Ja. Der Fahrlässigkeitsvorwurf kann gerade ohne das Element des Wollens der Herbeiführung der Tötung bestehen. Darin unterscheidet er sich fundamental vom Vorsatz. Hier wird ein gewisses Maß an Wille zur Herbeiführung der Tötung verlangt (sie muss mindestens billigend in Kauf genommen werden).

Kann  man sich wegen fahrlässiger Tötung strafbar machen, wenn man hoffte, die Person überlebt?

Erkennt der Täter bei der Ausführung des ihm vorgeworfenen Verhaltens, dass er das Opfer dadurch töten kann und hofft aber, dass es schlussendlich doch überlebt, so kommt eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung in Betracht, wenn das Opfer stirbt. Eine vorsätzliche Tötung scheitert in diesem Fall daran, dass der Täter den Tod der Person einmal billigend in Kauf nimmt und zugleich nicht sicher weiß, dass die Person durch sein Verhalten stirbt (in letzterem Fall – bei sicherem Wissen kann man Vorsatz auch dann bejahen, wenn der Wille zur Tötung nur sehr schwach ausgeprägt ist, es ihm eigentlich Unrecht ist). Fahrlässigkeit knüpft allerdings an etwas anderes an, nämlich daran dass der Täter eine Sorgfaltspflicht verletzt (das ist in der Vornahme einer Handlung, die das Leben einer Person gefährdet in der Regel zu bejahen) und dass der Tod der Person infolge der Handlung sowohl vorhersehbar als auch vermeidbar war.

Ist dies der Fall, so steht der Vorwurf einer fahrlässigen Tötung regelmäßig im Raum.


Anders ist es übrigens, wenn das Opfer in dieser Konstellation überlebt. Eine versuchte fahrlässige Tötung gibt es nicht. Das liegt daran, dass beim Versuch die „böse Gesinnung“ bei der Bestrafung im Vordergrund steht und die Fahrlässigkeit gerade mangels Willenselements keine „böse Gesinnung“ in diesem Sinne aufweist.

Wann tritt bei fahrlässiger Tötung Verjährung ein?

Der Vorwurf der fahrlässigen Tötung verjährt nach 5 Jahren (§§ 78 Abs.3 Nr.4, 222 StGB).

Was ist ein Beispiel für fahrlässige Tötung?

Als Beispiel für eine fahrlässige Tötung kann man an einen vorwerfbar verursachten Autounfall im Straßenverkehr denken, bei dem jemand zu Tode kommt.


Eine fahrlässige Tötung bejahte das Landgericht Krefeld beispielsweise auch in einem Fall, bei dem ein Heilpraktiker für Krebspatienten eine Therapie mit Infusionen anbot und einen Wirkstoff überdosierte, weil er beim Abwiegen sorgfaltspflichtwidrig handelte (vgl. Landgericht Krefeld, Urteil v. 14.07.2019 – 22 KLs 14/18 (Sachverhalt sehr stark verkürzt und vereinfacht dargestellt)).

Kann man sich wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen einer Handlung strafbar machen?

Ja. Eine fahrlässige Tötung kann nicht nur dadurch begangen werden, dass eine Handlung vorgenommen wird, sondern auch dadurch, dass die Vornahme einer möglichen und gebotenen Handlung unterlassen wird. Hier ist allerdings im Rahmen der fahrlässigen Tötung zu beachten, dass man sich nur dann wegen Unterlassung der Vornahme einer Handlung wegen fahrlässiger Tötung strafbar machen kann, wenn man (unter anderem) eine sogenannte Garantenstellung inne hat, aus der auch eine Garantenpflicht (zum Handeln) entsteht.

Diese Garantenpflicht kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass Täter und Opfer in einem besonderen Näheverhältnis zueinander stehen (zum Beispiel Eltern gegenüber ihrem Kind oder Babysitter aufgrund der vertraglichen Übernahme der Sorgfalt für das Kind).

Auch die faktische Übernahme der Sorge bzw. Schutz für eine Person in gewisser Weise kann unter Umständen eine Garantenstellung begründen.

Auf dieser Grundlage bejahte das Landgericht Arnsberg beispielsweise die Strafbarkeit einer Mitarbeiterin des Jugendamtes wegen fahrlässiger Tötung, weil diese nicht die erforderlichen Maßnahmen im Hinblick auf ein verwahrlostes Kind einleitete, obwohl deren Notwendigkeit erkennbar war. Das Kind starb schlussendlich. Vgl. LG Arnsberg, Urteil v. 07.01.2020 – 3 Ns-411 Js 274/16 – 101/17 in openJur 2020, 3419 (Sachverhalt sehr stark verkürzt und vereinfacht dargestellt).




Sollten Sie eine polizeiliche Vorladung als Beschuldigter oder bereits eine Anklage erhalten haben, sollten Sie sich bestenfalls so bald wie möglich an einen Anwalt für Strafrecht wenden, der nach Analyse der Ermittlungsakten eine passende Verteidigungsstrategie, die auch gerade für Ihren konkreten Fall passt, erarbeiten kann.



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