Was sollte ich bei Erhalt einer Anklage tun? Fachanwalt für Strafrecht informiert

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Den Briefkasten zu öffnen und einen Brief vom Strafgericht darin zu finden, gefällt wohl den Wenigsten. Der Inhalt kann variieren. Besonders unangenehm ist die Situation, wenn sich in dem Umschlag eine Anklage der Staatsanwaltschaft befindet, weil man Beschuldigter eines Strafverfahrens ist.


Auch dann hilft es einem aber nicht weiter, den Kopf in den Sand zu stecken oder in Panik zu verfallen. Es gilt herauszufinden, was nun als nächstes passiert, um sich bestmöglich hierauf vorbereiten zu können und – soweit notwendig – entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Wie läuft ein Strafverfahren ab?

Um die folgenden Ausführungen besser verstehen zu können, sollte man sich erst einmal vor Augen führen, wie ein Strafverfahren abläuft.


Hier ist im Rahmen des sog. Erkenntnisverfahren insbesondere zwischen drei Verfahrensabschnitten zu unterscheiden. Das Erkenntnisverfahren ist der Teil des Strafverfahrens, in dem ermittelt wird, ob sich der Beschuldigte einer Straftat schuldig gemacht hat; anschließend folgt das Vollstreckungsverfahren, in dem die verhängte Strafe vollstreckt wird, der Verurteilte also beispielsweise ins Gefängnis muss.


1. Das Ermittlungsverfahren

2. Das Zwischenverfahren

3. Das Hauptverfahren


Im Ermittlungsverfahren wird – wie der Name bereits verrät – ermittelt. Die Ermittlungen werden von der Staatsanwaltschaft geleitet, zum Beispiel die Polizei hilft ihr dabei bzw. führt bestimmte Ermittlungsmaßnahmen durch. Ziel ist es, Beweise zu sammeln und auf dieser Basis feststellen zu können, ob der Beschuldigte – stark vereinfacht ausgedrückt - wohl mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sich einer Straftat schuldig gemacht hat (ob dies am Ende zur Überzeugung des Gerichts (§ 261 StPO) auch tatsächlich feststeht, ist keine Frage des Ermittlungsverfahrens, sondern des Hauptverfahrens).


Im Zwischenverfahren überprüft das zuständige Gericht im Grunde die von der Staatsanwaltschaft getroffene Entscheidung.


Im Hauptverfahren, deren Höhepunkt die mündliche Hauptverhandlung vor Gericht ist, soll dann das Gericht herausfinden, ob sich der Beschuldigte zur Überzeugung des Gerichts des angeklagten Verhaltens schuldig gemacht hat.

Am Ende der Hauptverhandlung wird ein Urteil gesprochen. Dies kann insbesondere in einer Verurteilung oder in einem Freispruch bestehen.

Wann erhält man eine Anklage von der Staatsanwaltschaft?

Eine Anklage erhält man nach Abschluss der Ermittlungen (also am Ende des Ermittlungsverfahrens), wenn die Staatsanwaltschaft nach dem aktuellen Kenntnisstand der nun gesammelten Beweise eine Verurteilung am Ende des Strafverfahrens für wahrscheinlicher hält als einen Freispruch (sog. hinreichender Tatverdacht). Das wiederum ist dann der Fall, wenn das vorgeworfene und festgestellte Verhalten des Beschuldigten nach einem Strafgesetz strafbar ist, sich dieses Verhalten auch beweisen lässt und keine dauernden Prozesshindernisse (z.B. die Verjährung der Tat) bestehen.


Kommt die Staatsanwaltschaft zu diesem Ergebnis, hat sie mehrere Möglichkeiten. Eine davon ist die Erhebung einer Anklage. Diese kommt dann erst einmal zum zuständigen Gericht. Dieses prüft dann seinerseits, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht. Ist dies der Fall, so eröffnet das Gericht das Hauptverfahren und die Anklage wird dem Beschuldigten zugestellt.


Statt der Erhebung einer Anklage kann das Gericht bei Bejahung eines hinreichenden Tatverdachts in bestimmten Fällen beispielsweise einen Strafbefehl erlassen (dann kommt es grundsätzlich nicht zu einer mündlichen Hauptverhandlung, außer der Beschuldigte legt rechtzeitig Einspruch ein).


Sieht die Staatsanwaltschaft keinen hinreichenden Tatverdacht, so stellt sie das Verfahren gem. § 170 Abs.2 StPO ein.

Was passiert nach Erhalt einer Anklage?

Nach Erhalt der Anklage wird zunächst die Hauptverhandlung vorbereitet. Das heißt unter anderem, dass ein Termin für die Hauptverhandlung anberaumt wird (§ 213 Abs.1 StPO), der Angeklagte kann beim Vorsitzenden des Gerichts bereits Beweisanträge stellen (§ 219 Abs.1 StPO), der Vorsitzende des Gerichts kann weitere Beweise sammeln bzw. dies anordnen (§ 221 StPO), das Gericht lädt die Beteiligten des Strafverfahrens sowie auch die Zeugen.


Anschließend findet die Hauptverhandlung statt, in der – stark verkürzt und damit unvollständig ausgedrückt - eine umfassende Beweisaufnahme vorgenommen und am Ende ein Urteil gesprochen wird.

Was sollte ich nach Erhalt einer Anklage am Besten tun?

Sollten Sie eine Anklage erhalten, so sollten Sie sich so schnell wie möglich an einen Anwalt für Strafrecht – einen Strafverteidiger – wenden. Am Besten ist es, sich bereits früh im Verfahren anwaltliche Hilfe zu suchen. Gerade zu Beginn des Strafverfahrens können sich Fehler schwerwiegend auswirken und sind schlimmstenfalls kaum bis gar nicht mehr im weiteren Verlauf des Verfahrens wieder gut zu machen.


Aber auch wenn Sie bei Erhalt der Anklage noch keinen Strafverteidiger haben, so ist es noch nicht zu spät, sich anwaltliche Hilfe zu suchen.

Der Anwalt für Strafrecht wird dann zunächst Akteneinsicht beantragen und nach Analyse der Ermittlungsakten eine für Ihren Fall geeignete Verteidigungsstrategie erarbeiten.

Er wird Sie auch umfassend darüber beraten, wie es nun weitergeht und was die nächsten Schritte sind.

Muss ich als Angeklagter zur Hauptverhandlung erscheinen?

Ja. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung im Strafverfahren eine Anwesenheitspflicht (§ 231 StPO). Sollte dies nicht gewährleistet sein, können entsprechende Maßnahmen angeordnet werden, wie beispielsweise den Angeklagten in Gewahrsam zu nehmen (§ 231 Abs.1 StPO).

Was sollte ich als Beschuldigter eines Strafverfahrens beachten?

Als Beschuldigter eines Strafverfahrens gibt es einige Dinge, auf die Sie achten sollten.

Hierzu gehören insbesondere (aber nicht nur) die folgenden Dinge:

1. Als Beschuldigter in einem Strafverfahren haben Sie das Recht, zum Tatvorwurf zu schweigen. Sie sind dazu verpflichtet, bestimmte Angaben (z.B. zu ihrer Person) zu machen, nicht aber zum Tatvorwurf als solchem. Es empfiehlt sich, zunächst von diesem Schweigerecht Gebrauch zu machen, insbesondere bevor sie nicht Rücksprache mit Ihrem Anwalt gehalten haben und dieser Einsicht in die Ermittlungsakten nehmen konnte. Vorher ist jede Aussage riskant und kann Ihnen schlimmstenfalls später auf die Füße fallen. Hierzu gehört auch Smalltalk mit den Ermittlungsbeamten.

Beachten Sie aber, dass auch ein Beschuldigter kein grenzenloses „Recht zu lügen“ hat. Insbesondere darf der Verdacht nicht wider besseren Wissens aktiv auf eine andere Person gelenkt werden.

2. Bewahren Sie Ruhe. Ein Strafverfahren ist außer Frage sehr belastend und regelmäßig eine psychische Zerreißprobe. Darüber hinaus kann es sich über Jahre hinweg ziehen und wie ein Damoklesschwert über dem Beschuldigten hängen. Dennoch sollten Sie, wenn Sie mit Ermittlungsmaßnahmen oder mit sonstigen Verfahrensschritten im Strafverfahren konfrontiert sind, Ruhe bewahren. Insbesondere sollten Sie die Beamten nicht angreifen. Sie müssen nicht bei Ihrer „Überführung“ helfen, dürfen die rechtmäßigen Maßnahmen aber grundsätzlich auch nicht aktiv behindern, ansonsten können unter Umständen weitere Strafbarkeiten drohen.

3. Sie haben das Recht auf einen Strafverteidiger. Unter Umständen liegt sogar ein Fall einer sog. Pflichtverteidigung vor. Dann muss Ihnen ein Strafverteidiger während des Verfahrens zur Seite stehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die drohende Strafe recht hoch ist (mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe) oder wenn die Sache besonders komplex, kompliziert ist (vgl. § 140 StPO). Aber auch wenn kein Fall einer notwendigen Verteidigung vorliegt, haben Sie das Recht, einen Strafverteidiger hinzuzuziehen. Dies ist im Hinblick auf die Schaffung von einer Art „Waffengleichheit“ auch ratsam. Der Staat, der dem Beschuldigten im Falle eines Strafverfahrens in Gestalt der Staatsanwaltschaft gegenübersteht, hat zahlreiche Ressourcen und Möglichkeiten, sowie juristische Fachkenntnisse. Dieses Ungleichgewicht, das so entstehen kann, soll durch einen Strafverteidiger in gewisser Weise ausgeglichen werden.


Diese Aufzählung an „Verhaltenstipps“ ist natürlich nicht abschließend. Die Frage, wie genau Sie in Ihrem Fall vorgehen und was Sie beachten sollten, kann Ihnen Ihr Anwalt für Strafrecht beantworten.

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