Arbeitszeitbetrug: Kündigung eines ordentlich „unkündbaren“ Arbeitsverhältnisses

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„Ein Arbeitszeitbetrug verbunden mit dem dringenden Verdacht langfristiger Gleitzeitmanipulationen rechtfertigt die außerordentliche Kündigung auch eines ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber ist nicht daran gehindert, die außerordentliche Kündigung als Tat- und Verdachtskündigung auszusprechen, wenn er den Betriebs-/Personalrat zu beiden Aspekten angehört hat.“ – so lauten die amtlichen Leitsätze des LAG Köln, Urteil vom 22.05.2003 – 6 (3) Sa 194/03ArbG Köln vom 17.10.2002 – 11 Ca 12761/01; Quelle: Beck-online.de

Arbeitgeber verliert erstinstanzlich Prozess gegen „unkündbaren“ Arbeitnehmer

LAG Köln: „Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung durch die Beklagte vom 14.12.2001 und über die Pflicht des Klägers zur Erstattung von Detektivkosten in Höhe von 9.864,65 EUR sowie einer Überzahlung in Höhe von 218,51 EUR. Der am 12.10.1949 geborene, verheiratete und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 01.08.1985 bei der beklagten Stadt zunächst als Leiter des Bauhofs und nach einer Umsetzung ab 1993 als Bauaufseher im Bereich Verkehrsflächen tätig. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 5.300,– DM. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.10.2002 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist, und den Kläger auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 9.864,65 EUR nebst 8,62 % Zinsen seit dem 20.12.2001 zu zahlen. Die weitergehende Widerklage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt: Soweit die Beklagte dem Kläger einen sog. Gleitzeitbetrug vorwerfe, fehle es unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände am Vorliegen eines Kündigungsgrundes, weil es sich letztlich nur um einen geringfügigen Kernzeitverstoß handele. Auch die unstreitige Ausübung privater Geschäfte während der Arbeitszeit rechtfertige vor dem Hintergrund eines mehr als 16jährigen Arbeitsverhältnisses ohne eine vorherige Abmahnung keine außerordentliche, fristlose Kündigung des Klägers.“ Quelle: Beck-online.de

Zweite Instanz des LAG Köln gibt Arbeitgeber recht und erklärt das Arbeitsverhältnis als beendet

LAG Köln: „ Auf die Berufung der Beklagten war unter Abweisung der Klage im übrigen festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist nicht vor dem 30.06.2002 beendet worden ist. Nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt kann der Beklagten eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden, weil der eingetretene Vertrauensverlust durch den unstreitigen Arbeitszeitbetrug sowie den dringenden Tatverdacht fortgesetzter Gleitzeitmanipulationen irreparabel ist. Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass der Arbeitszeitbetrug des Klägers an sich – unabhängig von seinem Umfang – einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Der Arbeitnehmer, der dem Arbeitgeber geleistete Arbeitszeit vorspiegelt, z. B. um einer nebenberuflichen Tätigkeit nachzugehen, verletzt die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und kann im allgemeinen fristlos entlassen werden.“ Quelle: Beck-online.de

Gleitzeitmanipulation rechtfertigt Kündigung eines „unkündbaren“ Angestellten

LAG Köln: „Auch eine Gleitzeitmanipulation kann je nach den Umständen einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an. Hier steht nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten und dem Ergebnis der Observation unter anderem fest, dass der Kläger am Freitag, dem 30.11.2001, um 10.26 Uhr sein Büro im Rathaus verließ, um in den Außendienst zu gehen (sog. Dienst-Buchung um 10.22). Auf dem Weg zur Baustelle „W. straße“ machte er einen Umweg über den Ortsteil M., wo er die dortige Filiale der Kreissparkasse aufsuchte. Anschließend fuhr er zur Baustelle in der nahegelegenen „W. straße“ und sprach dort mit einem Arbeiter. Der Aufenthalt auf der Baustelle dauerte insgesamt etwa 8 Minuten und endete um 11.03 Uhr. Der Kläger begab sich dann zu einer Postfiliale in S., danach um 11.20 Uhr über die A3 in Richtung O. nach L., wo er einen Zigarettenautomaten auffüllte. Von dort aus fuhr er zu seiner Wohnung nach P., die er gegen 12.00 Uhr erreichte. Der Kläger verließ die Wohnung eine halbe Stunde später, ohne ins Büro zurückzukehren. Der Kläger muss sich daher vorhalten lassen, schon die Kernzeit, die freitags bis 12.30 Uhr besteht, um eine gute Stunde unterschritten zu haben. Jedenfalls gegen 11.30 Uhr verließ er die Stadtgrenzen, um seiner Nebentätigkeit nachzugehen und schließlich nach Hause zu fahren. Eine dienstliche Zuordnung seiner Tätigkeit ab diesem Zeitpunkt scheidet aus, so dass von einem „lediglich ½-stündigen Kernzeitverstoß“ wie das Arbeitsgericht abmildernd formuliert hat, keine Rede sein kann. Dem Kläger war auch bekannt, dass das bei der Beklagten benutzte Zeiterfassungssystem freitags nach dem Ausbuchen zu einem Dienstgang automatisch eine Arbeitszeit bis 15.00 Uhr festhält.“ Quelle: Beck-online.de

Gleitzeitmanipulation war erheblich; Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Arbeitnehmers aus

LAG Köln: „Nach alledem kann der Beurteilung entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht nur ein geringfügiger Kernzeitverstoß zugrunde gelegt werden. Vielmehr besteht neben der unstreitigen Kernzeitunterschreitung vom 30.11.2001 der dringende Verdacht, dass der Kläger in erheblichem Umfang Gleitzeitmanipulationen vorgenommen hat.“ Quelle: Beck-online.de

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