Arbeitszeiterfassung: Europäischer Gerichtshof schafft neue Pflichten für Arbeitgeber

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Die Richter in Luxemburg haben entschieden: Unternehmen sind nach dem Unionsrecht dazu verpflichtet, anhand von Arbeitszeiterfassungssystemen die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer zu protokollieren. Nur so könne dem Europarecht wirksam Geltung verschafft werden! Zu diesem Ergebnis gelangt das Urteil vom 14.05.2018 (Aktenzeichen C-55/18) des Europäischen Gerichtshofs.

Auf den Weg gebracht hatte die Klage eine spanische Gewerkschaft. Ihrer Ansicht nach, lege das Europarecht zwar fest, dass die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden einschließlich Überstunden nicht überschreiten darf. Allerdings gäbe es keinerlei Maßnahmen, um die Einhaltung dieser Vorschrift zu kontrollieren. Darin läge ein Verstoß gegen das Unionsrecht, denn es könne nicht trennscharf zwischen regulärer Arbeitszeit und Überstunden unterschieden werden. Die Leidtragenden seien im Endeffekt die Arbeitnehmer.

In diesem Rechtstipp nehmen wir das Urteil kritisch unter die Lupe und erörtern, welche Folgen es für die Arbeitswelt hat.

1. An wen richtet sich das Zeiterfassungsurteil? 

Das Urteil ist in erster Linie an die Mitgliedstaaten der EU gerichtet. Denn diese sind jetzt aufgerufen, gesetzliche Regelungen auf nationaler Ebene zu schaffen, um die Anforderungen des Europarechts umzusetzen. Konkret hat der Europäische Gerichtshof die Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, Arbeitgeber zur Einrichtung eines „objektiven Systems“ zu verpflichten, mit dem die Arbeitszeit der Mitarbeiter gemessen und überprüft werden kann. Nur so könne die europäische Arbeitszeitrichtlinie und die EU-Grundrechtecharta, die vor allem dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu dienen bestimmt sind, wirksam umgesetzt werden. Denn ohne eine effektive Dokumentation der täglichen Arbeitszeit können Arbeitnehmer Verstöße auch nicht der Überprüfung durch die zuständigen Arbeitsgerichte vorlegen!

2. Wem kommt das Urteil des EuGH zu Gute?

Der Europäische Gerichtshof stellt sich mit dem Urteil ganz klar auf die Seite der Arbeitnehmer. Das Gericht argumentiert nämlich damit, dass es ohne Zeiterfassungssystem nahezu unmöglich sei, dass Arbeitnehmer ihre Rechte durchsetzen können. Insbesondere für die Frage, ob die Mindestruhezeiten oder die wöchentliche Höchstarbeitszeit eingehalten wurden, sei eine verbindliche Dokumentation der Arbeitszeit unerlässlich. Weiterhin erleichtert eine lückenlose Aufzeichnung der Arbeitszeiten dem Arbeitnehmer im Streitfall auch ein verlässlicher Nachweis.

3. Fazit: Rückschritt in Sachen Flexibilität?

Für Arbeitsrechtler stellt sich nun die Frage, ob mit dem Urteil tatsächlich ein Fortschritt in Sachen Arbeitsschutz einhergeht. Denn man könnte sich durchaus auf den Standpunkt stellen, das Urteil sei unflexibel und nicht mehr zeitgemäß. Die heutigen Arbeitsanforderungen verlangen Flexibilität und Einsatzbereitschaft von den Arbeitnehmern, die sich mit traditionellen Arbeitszeiten häufig nicht verbinden lassen. Hinzu kommt örtlich flexibles Arbeiten wie Home-Office oder mobiles Arbeiten. Für die digitale Arbeitswelt stellt sich die Entscheidung des Gerichtshofs daher durchaus als Rückschritt dar!

Doch allzu viel Schwarzmalerei ist unangebracht. Die Richter haben nämlich auch die individuellen betrieblichen Bedürfnisse der Unternehmen berücksichtigt. Denn wie genau die Zeiterfassung auszusehen hat, solle sich insbesondere auch an den Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereiches und den Eigenheiten des Unternehmens orientieren. Damit bleibt weiterhin Raum für Flexibilität! Auch eine Arbeitszeit auf Vertrauensbasis bleibt damit weiterhin möglich.

Bei arbeitsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere zum Thema Arbeitszeit können Sie jederzeit gerne Kontakt zu uns aufnehmen!


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