Arglistiges Verschweigen beim Hauskauf – ein Update Teil 1

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Nach dem letzten Beitrag des Verfassers zum arglistigen Verschweigen hat sich die Rechtsprechung weiterentwickelt. Insbesondere der Leitsatz einer Entscheidung des BGH (22.04.2016 – V ZR 23/15) hat für Aufregung gesorgt, scheint sie doch zu verkünden, dass eine Haftung des Verkäufers selbst dann ausgeschlossen ist, wenn der Verkäufer im Internet etwa falsche Angaben gemacht hat.

Es erscheint daher sinnvoll, das System einer Haftung des Verkäufers bei Verkauf einer Immobilie unter Gewährleistungsausschluss näher darzustellen, wobei auch auf die vorgenannte Entscheidung eingegangen wird.

Dieser Beitrag wird aus redaktionellen Gründen in 3 Teile gegliedert, die allerdings verlinkt sind.

Die Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten zeigt, wie leicht Fehler begangen werden. Deshalb sei auch erläutert, wann ein Verkäufer wofür haftet und worauf die Vertragsparteien achten sollten.

Der Dreh- und Angelpunkt beim Immobilienkaufvertrag ist der notarielle Abschluss des Vertrags. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil der Notarvertrag die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit birgt (st. Rechtsprechung, etwa BGH, Urteil vom 05.07.2002 – V ZR 143/01). Immobilienkaufverträge bedürfen regelmäßig der notariellen Beurkundung.

Das ist deshalb von Bedeutung, weil in den notariellen Verträgen bezüglich gebrauchter Immobilien regelmäßig ein Gewährleistungsausschluss vereinbart ist und oftmals mündliche Absprachen nicht in den Notarvertrag aufgenommen sind. Das gleiche gilt für Exposés oder Internetwerbung, die meist nicht mit beurkundet werden. Wenn also etwas besprochen wurde, was nicht im Notarvertrag aufgeführt ist, muss also die Vermutung der Vollständigkeit des Vertrags widerlegt werden.

Bei einem „normalen“ Kaufvertrag, der nicht notariell geschlossen wird, ist dies nicht so gravierend. Beschaffenheiten können auch mündlich vereinbart werden. Gem. § 434 I S. 3 BGB sind aber auch öffentliche Äußerungen des Verkäufers für die Frage von Sachmängeln von Bedeutung.

§ 434 BGB gilt zwar auch für den notariellen Vertrag. Hier hat die Rechtsprechung jedoch Grundsätze entwickelt, die es zu beachten gilt:

  1. Eine Beschreibung von Eigenschaften eines Grundstücks oder Gebäudes vor Vertragsschluss durch den Verkäufer, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, führt in aller Regel nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.
  2. Grundsätzlich sind alle Aspekte und Sachverhalte einer Immobilie, die im Rahmen einer Beschaffenheitsvereinbarung für zumindest eine der Vertragsparteien wichtig sind, explizit auch als geschuldete Beschaffenheit im notariellen Kaufvertrag zu regeln, BGH, Urteil vom 06.11.2015 – V ZR 78/14.

Die Schwierigkeiten liegen also auf der Hand. Denn wie oft kommt es vor, dass der Notar nach Absprachen anlässlich einer Besichtigung fragt und diese dann beurkundet? Wie oft wird erklärt, dass man sich schon einigen werde, oder diese oder jene Arbeiten natürlich noch erledigt werden. Die notarielle Beurkundung dieser Aussagen wird meist übersehen, weshalb sich die Frage stellt, wann ein Verkäufer haftet, wenn in dem notariellen Immobilienvertrag ein Gewährleistungsausschluss vereinbart ist.

Vorab: Der Gedanke, dass der Verkäufer gar nicht haftet, nur weil ein Gewährleistungsausschluss vereinbart ist, ist falsch. Wie immer „kommt es darauf an“.

Um eine Haftung zu prüfen, muss überhaupt erst einmal ein Sachmangel vorliegen.

Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung

Am einfachsten ist es, wenn eine Beschaffenheit im Vertrag vereinbart ist. Wird in dem Notarvertrag ausdrücklich eine ganz bestimmte Wohnfläche ausdrücklich vereinbart, gilt dieses als Beschaffenheitsvereinbarung. Ist diese Wohnfläche falsch, liegt ein Mangel vor. Auch wenn in dem Notarvertrag ausdrücklich die Versicherung des Verkäufers aufgenommen wird, dass alles so von dem Bauamt genehmigt sei, liegt ein Mangel vor, wenn er diese Erklärung irrtümlich abgegeben hat, weil er z. B. nicht wusste, dass der Ausbau des Dachbodens zu Wohnzwecken genehmigungspflichtig sei.

Hierbei ist aber folgende Rechtsprechung zu beachten: „Ein fachunkundiger Bauherr, der in seinem Haus ohne baurechtliche Genehmigung Kellerräume in eine „Einliegerwohnung“ umgewandelt hat, handelt beim Verkauf des Hauses nur arglistig, wenn er greifbare Anhaltspunkte dafür hat, dass die „Einliegerwohnung“ baurechtlich nicht zulässig war.“ OLG Zweibrücken, Urteil vom 08.05.2008 – 4 U 74/07

Grundsätzlich gilt, dass eine Beschaffenheit auch mündlich vereinbart werden kann. Ist eine Beschaffenheit vereinbart, kann sich der Verkäufer kaum auf den allgemeinen Haftungsausschluss berufen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 – VIII ZR 96/12). Allerdings kann eine Beschaffenheitsvereinbarung bei einem Immobilienkauf nur notariell vereinbart werden.

Das ist der ganz wesentliche Unterschied zu den weiter unten benannten Sachmängeln, auf die sich der Haftungsausschluss beziehen kann. Von daher ist die Beschaffenheitsvereinbarung von zentraler Bedeutung, wenn der Käufer sich absichern will. Deshalb ist aber auch besondere Sorgfalt bei der Formulierung geboten.

Da oben dargestellt wurde, dass eine solche Beschaffenheit regelmäßig in die notarielle Urkunde aufzunehmen ist, reicht es nicht aus, wenn der Verkäufer schriftliche Unterlagen übergibt, diese aber nicht notariell mitbeurkundet werden, oder man sich nur mündlich einigt.

Dies wird damit begründet, dass in einem beurkundungsbedürften Rechtsgeschäft alle Erklärungen zu beurkunden sind, die Rechtswirkungen entfalten sollen (BGH, 06.11.2015, V ZR 78/14).

Für die Gestaltung des Vertrags ist es also unbedingt notwendig, wichtige Absprachen in die notarielle Urkunde aufnehmen zu lassen. Erklärungen, die anlässlich von Besichtigungen abgegeben werden, stellen regelmäßig keine Beschaffenheitsvereinbarung dar! Das bedeutet aber nicht, dass solchen Erklärungen keine Bedeutung zukommt.

Die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung oder gewöhnliche Verwendung wird nicht erreicht

Etwas vereinfacht gesagt ist die Kaufsache ferner dann mangelfrei, wenn die Verwendung nach dem für den Vertrag vorausgesetzten Gebrauch möglich ist, oder sich diese Sache für gewöhnliche Verwendung eignet, die bei gleichen Sachen üblich ist. Zu dieser letzten Beschaffenheit gehören auch die Eigenschaften, die der Käufer nach öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten kann, § 434 BGB.

Wird also vereinbart, dass ein Haus mit Souterrainwohnung verkauft wird, ist der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch auch die Bewohnbarkeit der Souterrainwohnung. Ist diese nicht genehmigt und nicht genehmigungsfähig, liegt ein Mangel vor. Das Gleiche gilt auch, wenn sich eine Wohnung oder ein Haus nicht ordentlich beheizen lassen (OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.06.2014 – 9 U 184/10). Im letzteren Fall ist eine Wohnung für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch natürlich zu beheizen, um sie nutzen zu können.

Die gewöhnliche Verwendung unterscheidet sich durchaus von dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch. Wenn nach dem Vertrag der Keller zur Zucht von Champignons geeignet sein soll, darf und muss er ruhig feucht sein, während der gewöhnliche Verwender aber einen trockenen Keller wünscht. Dieses ist deshalb von Bedeutung, weil solche Wünsche ausdrücklich in den Vertrag aufgenommen werden sollten, damit es darüber später keinen Streit gibt. Denn wie alle mündlichen Aussagen, müssen diese nicht nur zulässigerweise den Vertrag ergänzen, sondern beweisbar sein. Die Erfahrung lehrt dabei, dass Zeugen dabei das schlechteste Beweismittel sind.

Besondere Bedeutung hat die Vorschrift, dass der Käufer eine gewöhnliche Verwendung nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten kann. Das betrifft Internetanzeigen, aber auch Exposés.

Wird ein Exposé übergeben, in dem eine genaue Berechnung der Wohnfläche erfolgt, ist oben ausgeführt worden, dass damit noch keine Beschaffenheit vereinbart wurde. Ein Mangel liegt aber dann vor, wenn die Berechnung falsch ist und der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers diese Wohnfläche erwarten durfte. Wird eine Erwartungshaltung durch öffentliche Erklärung geschürt, liegt ein Sachmangel vor, wenn diese Eigenschaft nicht vorliegt.

Das aber bedeutet noch nicht automatisch eine Haftung des Verkäufers!

Weiter geht es mit Teil 2.

Rechtsanwalt Joachim Germer

Fachanwalt für Bau – und Architektenrecht

Alle Rechte vorbehalten. Der Verfasser übernimmt keine Haftung.



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