Arzttermine und Arbeitsrecht – Darf ich während der Arbeit zum Arzt?

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Die praktischen Herausforderungen des Lebens spielen im Büroalltag eine wichtige Rolle. Das Stichwort „Arzttermin“ ist Arbeitgebern häufig ein Dorn im Auge. Beschäftigte stellen sie vor die Herausforderung, passende Termine zu finden, die sich mit der regulären Arbeitszeit vereinbaren lassen.

In diesem Rechtstipp beantworten wir die 10 Fragen, die uns als Rechtsanwaltskanzlei im Arbeitsrecht zu diesem Thema ständig beschäftigen!

1. Zählt der Arztbesuch zur Arbeitszeit?

Arbeitnehmer haben keinen generellen Anspruch auf bezahlte Freistellung, wenn sie während der regulären Arbeitszeit zum Arzt gehen! Auch wenn Arbeitgeber prinzipiell ein Interesse an der Gesundheit ihrer Mitarbeiter haben sollten, sind Arztbesuche eine private Aktivität und sind dementsprechend in der Freizeit zu organisieren. Es gibt allerdings einige Spezialfälle, in denen der Arbeitnehmer einen Freistellungsanspruch hat!

2. Wann habe ich einen Anspruch auf bezahlte Freistellung?

Prägend für die Fallgestaltungen, in denen der Arbeitnehmer einen Anspruch auf bezahlte Freistellung haben, ist folgendes Zitat des Bundesarbeitsgerichts: „Vergütung, für die aus Anlass eines Arztbesuches ausgefallene Arbeitszeit kann der Arbeitnehmer nur verlangen, wenn der Arztbesuch notwendig war“ (Az.: 5 AZR 92/82).

Es kommt also maßgeblich auf die medizinische und gesundheitliche Dringlichkeit des Arztbesuches an. Bei einer fiebrigen Erkältung beispielsweise, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bezahlt freistellen. Anders jedoch, wenn eine sofortige ärztliche Behandlung nicht notwendig ist. Bei weniger dringenden Beschwerden muss der Beschäftigte zunächst versuchen, einen Termin in seiner Freizeit zu bekommen.

3. Kein Arzttermin außerhalb der Arbeitszeit – Was nun?

Kann der behandelnde Arzt den Terminwünschen des Beschäftigten nicht nachkommen, stellt sich die Frage, ob ein Abwarten aus gesundheitlicher Sicht noch zumutbar ist. Das Bundesarbeitsgericht urteilte hierzu: „Notwendig aus der Sicht des Arbeitnehmers ist ein Arztbesuch auch schon dann, wenn der Arzt ihn zu einem bestimmten Termin einbestellt und der Arzt den terminlichen Wünschen des Arbeitnehmers auf Verlegung der Untersuchung oder Behandlung nicht nachkommen kann oder will“ (Az.: 5 AZR 92/82). Eine pauschale Faustregel kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden.

4. Kann mein Arbeitgeber von mir verlangen, einen anderen Arzt aufzusuchen?

Die Wahl des behandelnden Arztes ist eine höchstpersönliche Angelegenheit, bei der jeder andere Schwerpunkte setzt. Dementsprechend überwiegt die freie Auswahl des Arztes auch gegenüber den finanziellen Interessen des Arbeitgebers am regulären Fortgang der Arbeit. Ihr Chef darf Ihnen also nicht vorschreiben, einen anderen Arzt aufzusuchen, der womöglich eine bessere Terminverfügbarkeit hat.

5. Was gilt bei Vorsorgeuntersuchungen?

Routinemäßige Vorsorgeuntersuchungen beim Haut- oder Zahnarzt sind keine medizinisch notwendigen Behandlungen, die an einen ganz bestimmten Tag geknüpft sind. Ihr Arbeitgeber kann also verlangen, dass Sie einen Termin außerhalb der Arbeitszeit abwarten und notfalls sogar Urlaub nehmen. Längere Wartezeiten sind in diesem Fall hinzunehmen.

6. Was gilt bei Gleitzeitregelungen?

Wer von Gleitzeitregelungen profitiert, genießt regelmäßig mehr Flexibilität bei der Arbeitseinteilung. Der Arbeitgeber kann dementsprechend fordern, dass Sie diese Flexibilität ausnutzen, um Arbeitsausfälle zu vermeiden. Beispielsweise können Sie den Arztbesuch auf den Morgen legen und dafür länger bleiben. 

7. Was gilt für Teilzeitbeschäftigte?

Ähnlich wie bei Gleitzeitregelungen haben auch Teilzeitbeschäftigte dem Grunde nach mehr Flexibilität. Auch für Teilzeitkräfte gelten damit strengere Anforderungen für die bezahlte Freistellung. Sind die gesundheitlichen Beschwerden nicht akut, ist den Mitarbeitern grundsätzlich zuzumuten, einen Termin außerhalb der Arbeitszeit zu vereinbaren!

8. Muss ich meinen Arbeitgeber über den Arzttermin informieren?

Als Arbeitnehmer müssen Sie Ihren Chef natürlich über den Grund und die Dauer der Abwesenheit informieren. Diese Pflicht gilt auch für Arztbesuche. Anderenfalls laufen Sie Gefahr eine Abmahnung zu kassieren. Im Wiederholungsfall ist sogar eine verhaltensbedingte Kündigung möglich.

9. Muss ich meinem Arbeitgeber einen Nachweis über den Arzttermin abgeben?

Der Arbeitgeber kann eine vom Arzt unterschriebene Bescheinigung über den Arztbesuch fordern. Darin sollte der Arzt auch erklären, dass die Behandlung zwingend während der Arbeitszeit erfolgen musste. 

10. Was ist bei einem Arbeitsunfall zu tun?

Verletzt sich ein Mitarbeiter während der Arbeit, sind unter Umständen einige Besonderheiten zu beachten. Es kann sich nämlich um einen sogenannten Arbeitsunfall handeln! Als Arbeitnehmer haben Sie dann nicht die freie Wahl, von welchem Arzt Sie behandelt werden möchten. Erste Anlaufstelle ist dann nämlich der Durchgangsarzt!

Zudem muss ein Arbeitsunfall, der zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen führt, der zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse gemeldet werden. In diesem Fall stellen sich vielerlei andere rechtliche und praktische Fragen, zu denen wir Sie jederzeit gerne beraten!


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