Streik und Streikrecht: Wer darf wie streiken?
- 4 Minuten Lesezeit

- Das Recht zum Arbeitskampf für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber wird aus dem Grundgesetz hergeleitet.
- Auch das Streikverbot für Beamte basiert auf dem Grundgesetz, obwohl es es ebenfalls nicht ausdrücklich nennt.
- Die Teilnahme an rechtswidrigen Streiks kann eine Abmahnung und Kündigung rechtfertigen.
Streiks bei der Bahn und bei Fluggesellschaften oder wie aktuell der Warnstreik der BVG in Berlin treffen auch viele Unbeteiligte. Doch was ist beim Streiken überhaupt erlaubt? Und warum darf fast jeder streiken, Beamte aber nicht?
Streiken ist Grundrecht
Seit 1968 gewährleistet das Grundgesetz in Artikel 9 das Recht zum Arbeitskampf, ohne es jedoch klar zu nennen. Streiks gab es natürlich schon vorher – und das wesentlich häufiger, wie besonders in den 20er-Jahren. Bis heute gibt es kein spezielles Streikgesetz. Das Streikrecht prägten und prägen deshalb vor allem die Entscheidungen der Gerichte.
Keine Arbeitspflicht, kein Lohn
Die gegenseitigen Pflichten von Arbeitnehmer und Arbeitgeber ruhen während eines Streiks. Das heißt: Der streikende Arbeitnehmer muss nicht arbeiten. Der Arbeitgeber muss ihm aber auch keinen Lohn zahlen. Arbeitnehmer, die Mitglied der am Streik beteiligten Gewerkschaft sind, erhalten als Ausgleich Streikgeld.
Aussperrung durch Arbeitgeber
Das Kampfmittel der Arbeitgeber ist die Aussperrung. Sie verweigern damit, die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer anzunehmen und sind nicht zur Lohnzahlung verpflichtet.
Vieles ist erlaubt, aber lange nicht alles
Neben dem Grundgesetz gibt es kein Gesetz, das den Arbeitskampf besonders regelt. Was beim Streiken erlaubt ist und was verboten ist, prägte vor allem die Rechtsprechung. Nicht jeder Streik ist danach rechtmäßig.
Warnstreik
Zu Warnstreiks kommt es oft während laufender Tarifverhandlungen. Der Warnstreik ist zulässig, wenn die Verhandlungen stocken, weil die Arbeitgeberseite nicht auf die Arbeitnehmerforderungen eingeht. Warnstreiks dauern meist nur wenige Stunden und nur ein kleiner Teil der Beschäftigten ist zum Streik aufgerufen. Erhebliche Auswirkungen können Warnstreiks dennoch haben, wenn der Warnstreik den Bahn- oder Flugverkehr betrifft.
Schwerpunktstreik
Der Schwerpunktstreik richtet sich gezielt gegen Arbeitgeber, die eine Schlüsselrolle haben. Dadurch wirkt er sich stärker aus. Kann beispielsweise ein bestreikter Lieferant keine Teile mehr liefern, stockt die Produktion beim Abnehmer.
Flächenstreik
Ein Flächenstreik richtet sich voll gegen die Arbeitgeber einer ganzen Branche. Der Flächenstreik wird deshalb auch als Vollstreik bezeichnet.
Unterstützungsstreik
Ein Unterstützungsstreik richtet sich nicht gegen den eigenen Arbeitgeber. Er richtet sich vielmehr gegen andere Arbeitgeber. Ziel ist, die Forderungen anderer zu unterstützen. Wenn der Unterstützungsstreik dazu geeignet, nötig oder angemessen ist, ist er laut Bundesarbeitsgericht zulässig. Der unterstützte Streik bzw. die Forderungen müssen jedoch rechtmäßig sein.
Wilder Streik
Dieser Streik gilt als wild, weil keine Arbeitnehmervereinigung zum Streik aufgerufen hat. Nach dem Grundgesetz dürfen jedoch nur Vereinigungen Arbeitskämpfe führen. Wilde Streiks sind deshalb rechtswidrig, solange keine Gewerkschaft beschließt, den wilden Streik zu übernehmen.
Ebenso unzulässig sind wilde Aussperrungen durch Arbeitgeber, die keine Arbeitgeberorganisation trägt. Das gilt selbst für Aussperrungen als Reaktion auf einen wilden Streik.
Unzulässige Streiks
Streiks dürfen auch keine politischen Ziele verfolgen. So darf der Gesetzgeber beispielsweise nicht mittels Streik zum Erlass oder zur Aufhebung von Gesetzen gezwungen werden. Andererseits ist der Staat zur Neutralität verpflichtet und darf nicht in Arbeitskämpfe eingreifen.
Unzulässig sind Streiks, solange die tarifvertragliche Friedenspflicht gilt. Existiert ein ungekündigter Tarifvertrag, sind Streiks gegen dessen Vereinbarungen danach rechtswidrig. Der Tarifvertrag kann auch eine absolute Friedenspflicht vorsehen. Arbeitskämpfe sind dann auch wegen noch nicht tarifvertraglich geregelter Ziele unzulässig.
Verfolgt der Streik zugleich rechtmäßige Ziele, gilt die Rührei-Theorie: Verfolgt ein Streik nur teilweise rechtswidrige Ziele, ist er dennoch insgesamt rechtswidrig.
Unmittelbar von einem rechtswidrigen Streik betroffene Arbeitgeber können Unterlassung und Schadensersatz verlangen. Dasselbe gilt für Arbeitnehmer bei einer rechtswidrigen Aussperrung.
Darf der Arbeitgeber wegen der Streikteilnahme abmahnen oder kündigen?
Es kommt darauf an, ob der Streik rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Bei einem rechtmäßigen Streik sind Benachteiligungen von Arbeitnehmern unzulässig. Die Teilnahme an einem rechtswidrigen Streik kann dagegen arbeitsrechtliche Folgen wie die Abmahnung und sogar Kündigung rechtfertigen.
Beamte dürfen nicht streiken! Aber warum?
Ein ausdrückliches Streikverbot für Beamte gibt es nicht. Die Gerichte begründen es jedoch mit Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz. Das Streikverbot gehöre zu den Grundsätzen des Berufsbeamtentums: Es habe seit der Weimarer Republik Tradition. Im Jahr 1922 hatte die Regierung Beamten das Streiken per Notverordnung verboten. Der Grund: Vorherige heftige Streiks der damals noch regelmäßig verbeamteten Eisenbahnbeschäftigten.
Treuepflicht, Alimentations- und Lebenszeitprinzip
Ein ausdrückliches gesetzliches Streikverbot für Beamte gibt es nicht mehr. Jedoch ist das Streikverbot eng verknüpft mit den verfassungsrechtlichen Fundamenten des Berufsbeamtentums: der Treuepflicht, dem Alimentationsprinzip und dem Lebenszeitprinzip.
Die Treuepflicht gilt für den Staat wie für dessen Beamte. Der Staat ist besonders verpflichtet, für das Wohl jedes Beamten zu sorgen – auch nach dem Ausscheiden aus dem Dienst. Jeder Beamte ist wiederum dem Staat gegenüber besonders verpflichtet, seinen Dienst zu leisten. Dieses besondere Dienst- und Treueverhältnis schließt auch laut Bundesverfassungsgericht ein Streikrecht für Beamte aus.
Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Staat, für seine Beamten und deren Familien lebenslang angemessen zu sorgen.
Nach dem Lebenszeitprinzip besteht das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Sie sind besonders vor Entlassungen geschützt.
Wenn Beamte Regelungen durch Streik verändern könnten, bliebe für die Prinzipien kein Raum mehr. Das Bundesverfassungsgericht hält das Streikverbot für Beamte deshalb für verfassungsgemäß (Urteil v. 12.06.2018, Az.: 2 BvR 1738/12, 2 BvR 646/15, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 1395/13). Auch der Gewerkschaftsverband dbb Beamtenbund und Tarifunion steht hinter dem Streikverbot.
(GUE)
Artikel teilen:

Sie benötigen persönliche Beratung zum Thema Streik?
Rechtstipps zu "Streik"
-
28.04.2025 Odvjetnik Savin Vaic„… in diesem Zusammenhang das Recht auf Einsichtnahme in die entsprechende Dokumentation. Wichtig ist, dass der Betriebsrat nicht an der Vorbereitung oder Durchführung von Streiks, Aussperrungen …“ Weiterlesen
-
23.04.2025 Rechtsanwältin Büsra Delikara LL.M.„… Wetterbedingungen, politische Unruhen oder Sicherheitsrisiken, Streiks, soweit diese nicht innerhalb der Airline stattfinden. Dagegen besteht ein Anspruch, wenn die Verspätung durch Probleme verursacht …“ Weiterlesen
-
06.04.2025 Rechtsanwalt Hendrik Wilken„… und die Gültigkeit von Tarifverträgen geht oder beispielsweise um die Rechtmäßigkeit von Streik. 3. Verwaltungsgerichtsbarkeit Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird repräsentiert …“ Weiterlesen
-
03.04.2025 Rechtsanwalt Mediator & Coach Robert Haas FA ArbR (1997)„… . Auf die gehe ich hier nicht ein. In aller Regel wird der Reiseveranstalter/die Fluglinie auf Verzögerungen des Transports durch Streik, technische Probleme oder sonstige Betriebsstörungen …“ Weiterlesen
-
31.03.2025 Rechtsanwalt Daud Haque„Keine Starts ✈️, keine Landungen 🛬, massive Beeinträchtigungen im öffentlichen Raum – und der Höhepunkt steht noch bevor. Weitere Streiks folgen: Stadtverwaltungen 🏢, Landkreise, Kitas 🧸, Kliniken …“ Weiterlesen
-
10.03.2025 Rechtsanwältin Büsra Delikara LL.M.„Am Montag, den 10. März 2025, kommt es an mehreren deutschen Flughäfen zu umfangreichen Streiks des Bodenpersonals, darunter Gepäckabfertigung, Flugzeugbetankung und Enteisungsdienste. Betroffen …“ Weiterlesen
-
09.03.2025 Rechtsanwalt Holger Hopperdietzel„… sind. Streik führt zu Annullierungen Viele Fluggesellschaften kündigen bereits jetzt an, eine große Anzahl von Flügen zu annullieren. Manche Flughäfen (so unter anderem FRA) kündigen die vollständige …“ Weiterlesen
-
04.03.2025 Rechtsanwalt Martin Loibl„Die Gewerkschaft Verdi hat ihre Mitarbeiter zum Streik an mehreren deutschen Flughäfen, darunter Köln, Düsseldorf, Hamburg und München aufgerufen. Es kam zu zahlreichen Flugausfällen, gerade …“ Weiterlesen
-
25.02.2025 Rechtsanwältin Nicole Mutschke„… Forderungen. Dennoch sind nicht alle Streikmaßnahmen zulässig, und Arbeitnehmer dürfen nicht ohne weiteres die Arbeit niederlegen. Voraussetzungen eines rechtmäßigen Streiks Ein Streik ist in Deutschland …“ Weiterlesen
-
25.02.2025 Rechtsanwalt Dennis Borrmann„Streiken – Was soll das? Der Begriff Streik ist auch als Arbeitskämpfe bekannt. Dabei handelt es sich um kollektive Maßnahmen, die das Ziel haben, arbeitsrechtliche Beziehungen zu beeinflussen …“ Weiterlesen
-
24.02.2025 Rechtsanwalt Dr. Stefan Zimmermann„Reisende, die in diesen Tagen einen Flug geplant haben, könnten von Streiks des Flughafenpersonals betroffen sein. Die Gewerkschaft Verdi ruft immer wieder zu Arbeitsniederlegungen …“ Weiterlesen
-
Arbeitsrecht: Anscheinsbeweis für rechtzeitigen Zugang von Kündigungen mittels Einwurf-Einschreiben24.02.2025 Rechtsanwalt Thomas Ritter„… und Arbeitszeiten hat, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ein Brief vor dem späten Nachmittag ankommt, sofern kein besonderer Umstand (etwa Streik, extreme Wetterverhältnisse oder ein individuell …“ Weiterlesen
-
24.02.2025 Rechtsanwältin Anna Fuchs-Keller„… in zulässiger Weise seine Rechte ausübt (z.B. Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik) und aus diesem Grund gekündigt würde, dann wäre die Kündigung nach §§ 612a, 134 BGB nichtig. 3. Allgemeiner …“ Weiterlesen
-
07.02.2025 Rechtsanwalt Dr. jur. Jens Usebach LL.M.„… , Mindestankündigungsfristen für Streiks und die Einrichtung von Notbetrieben. Diese Maßnahmen sollen dazu dienen, übermäßige gesellschaftliche Schäden zu vermeiden, die durch plötzliche …“ Weiterlesen
-
06.02.2025 Rechtsanwalt Jan Glitsch„Der Großteil der Bevölkerung war schon einmal von den Folgen eines Streiks betroffen, zum Beispiel in Form von Zugausfällen aufgrund eines Lokführerstreiks oder eines stornierten Fluges …“ Weiterlesen
-
16.01.2025 Rechtsanwalt Dr. jur. Jens Usebach LL.M.„… des Arbeitnehmers zuzuordnen sind, wie beispielsweise Verkehrsstörungen wie Straßensperrungen, Staus, Verkehrsverbote aufgrund von Smogalarmen, Hochwasser, Glatteis, Schneeverwehungen oder Streiks im öffentlichen …“ Weiterlesen
-
08.01.2025 Rechtsanwalt Dirk M. Richter„… . Denn dieser Joker ist nicht immer gültig. Laut Gerichten sind nur folgende Szenarien wirklich außergewöhnlich: Schneestürme (außer Sie fliegen nach Hawaii – dann wird’s schwierig). Streiks – aber nur …“ Weiterlesen
-
27.11.2024 Rechtsanwalt Dr. jur. Jens Usebach LL.M.„… Streiks ein besseres Ergebnis erbracht hätten. Auch Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf äußerte sich zu dem Abschluss und wies darauf hin, dass es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten deutlich schwieriger …“ Weiterlesen
-
21.11.2024 Rechtsanwalt Silahan Gezer„… oder Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, wie z. B. Unwetter, Streiks oder politische Unruhen. Allerdings liegt die Beweislast bei der Airline. Sie muss die außergewöhnlichen Umstände …“ Weiterlesen
-
28.11.2024 Rechtsanwalt Avv. Kai Uwe Hosse„… , Sicherheitsrisiken oder Streiks der Flugverkehrskontrolle verursacht wird, die außerhalb der Kontrolle der Fluggesellschaft liegen. Flugannullierung oder Umleitung Wenn ein Flug annulliert wird oder die Verspätung …“ Weiterlesen
-
03.11.2024 Rechtsanwalt Ludwig Wilhelm Jorkasch-Koch„… von Streiks. Es wird erwartet, dass auch politische Akteure in die Diskussion eingreifen, um die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer zu unterstützen. Der geplante Stellenabbau ist nicht nur für …“ Weiterlesen
-
31.10.2024 Rechtsanwalt Dirk M. Richter„… straffrei bleiben. Der Kontext spielt eine Rolle Bei Beleidigungen ist stets zu prüfen, in welchem Kontext diese geäußert wurden. In hitzigen Diskussionen, z. B. während eines Streiks, werden kritische …“ Weiterlesen
-
29.10.2024 Rechtsanwalt Dr. jur. Jens Usebach LL.M.„… und möglicherweise zu Streiks führt. Die Pläne des Managements, die Entgelte um 10 Prozent zu reduzieren und in den Jahren 2025 und 2026 zwei Nullrunden a nzustreben, sorgen für Unruhe unter …“ Weiterlesen
-
21.10.2024 Rechtsanwalt Sven Rasehorn„Wie sehen das die Gerichte? Gerade erst hat das Arbeitsgericht Berlin den für Ende September angekündigten Streik in den Kitas des Landes Berlin untersagt, vgl. ArbG Berlin vom 27.09.2024 – 56 Ga …“ Weiterlesen