Aufrechnung unverbr. Gerichtskosten mit offener Geschäftsgebühr?

  • 2 Minuten Lesezeit


Kann ein Rechtsanwalt seine Honorarforderung gegen einen Mandanten mit einer Forderung des Rechtsschutzversicherers auf Auszahlung unverbrauchter Gerichtskosten verrechnen?

Diese Frage bejahte das Amtsgerichts Berlin-Mitte in seinem Urteil vom 16. August 2023 (Aktenzeichen: 28 C 62/22), in dem wir die auf Herausgabe der Gerichtskosten beklagte Kanzlei vertraten und wies die Klage des Rechtsschutzversicherers ab.  

In dem Fall forderte der Rechtsschutzversicherer (RSV) den Rechtsanwalt (RA) nach dem Vergleichsabschluss des Hauptverfahrens zur Auszahlung der auf das Anderkonto erstatteten (unverbrauchten) Gerichtskosten auf. Der Rechtsanwalt hatte allerdings noch eine offene Gebührenforderung aus der Geschäftsgebühr. Für diese hatte die RSV die Deckung nicht erteilt. Auch der Mandant hatte die Rechnung nicht beglichen. Daraufhin erklärte der RA außergerichtlich die Aufrechnung gegen die herausverlangten Gerichtskosten. 

Die RSV argumentierte, der RA sei nicht berechtigt, seine eigenen Honorarforderungen gegenüber der RSV aufzurechnen, unter anderem, weil der RA von Anfang an Kenntnis von der bestehenden Rechtsschutzversicherung des Versicherungsnehmers hatte.

Das Amtsgericht wies die Klage ab und stützte seine Entscheidung im Wesentlichen auf drei Aspekte:

  1. Im Verhältnis zwischen VR und RA finden grundsätzlich die Schutzbestimmungen für Schuldner gemäß §§ 404 ff. BGB über § 412 BGB Anwendung, wenn der Versicherer (wie hier) aus übergegangenem Recht (§ 86 VVG) vorgeht. Das Quotenvorrecht (§ 86 Abs. 1 S. 2) ist für diesen Fall irrelevant. 

  2. Es besteht kein Verbot der Aufrechnung gemäß § 4 Abs. 2 BORA, da Gerichtskosten zwar Fremdgelder sind, jedoch dem Mandanten gehören und somit nicht zweckgebunden für "andere" sind.

  3. Die Voraussetzungen gemäß §§ 406, 407 BGB sind zugunsten des RA zu bejahen. Der Beklagte RA hatte zum Zeitpunkt des Erwerbs seiner Forderung (Geschäftsgebühr) noch keine Kenntnis vom gesetzlichen Forderungsübergang, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Deckungszusage des VR vorlag und die Gerichtskosten selbst erst nach Entstehung der Geschäftsgebühr eingezahlt wurden. Es bleibt daher unklar, auf welchen der beiden Zeitpunkte es letztendlich ankommt, oder ob sogar erst auf den noch späteren Zeitpunkt der gerichtlichen Rückerstattung abgestellt werden sollte, was in diesem Fall offen bleiben konnte.


Praxishinweis:

Die nicht erteilte Deckung der außergerichtlichen Tätigkeit (bzw. Einschränkung der Deckungszusage auf einen "unbedingten Klageauftrag", § 19 RVG) stellt den Anwalt häufig vor praktische Probleme. Er selbst kann den Rechtsschutzversicherer mangels Vertragsbeziehung nicht verklagen. Der Mandant kann nur auf Freistellung klagen, die die RSV durch "Abwehrdeckung" ohne Zahlung erfüllen kann. Hierauf bleibt nur eine weitere Klage des RA gegen den eigenen Mandanten - ein zeit- und nervenraubendes Konstrukt. 

Die Verrechnungsmöglichkeit mit unverbrauchten Gerichtskosten (oder anderen Rückerstattungen) bringt den RA in die angenehmere Lage, nicht selbst aktiv werden zu müssen und seine offenen Posten so eigenständig zur Liquidität zu bringen.

 

Falls Sie Fragen zu diesem Vorgehen haben, insbesondere wissen wollen, unter welchen Voraussetzungen eine solche Verrechnung zulässig ist und wie ein solches Mandat aufbereitet werden muss, können Sie uns gerne kontaktieren.   


Foto(s): www.keen-law.com

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. jur. Tim Horacek

Beiträge zum Thema