Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei Fortführung eines Unternehmens durch neue Gesellschaft

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Übernimmt ein Unternehmen den kompletten Kundenstamm eines anderen Unternehmens, so hat der Handelsvertreter auch für Geschäfte mit diesen „Altkunden" einen Ausgleichsanspruch. Dies gilt auch dann, wenn der Handelsvertreter zuvor für das andere Unternehmen tätig war und zuvor genau diese „Altkunden" betreut hat.

1. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ist ein tragender Pfeiler des deutschen Handelsvertreterrechts. Der Handelsvertreter soll einen Ausgleich für den Verlust seiner Provisionsansprüche für die Geschäfte erhalten, welche das Unternehmen nach Beendigung des Handelsvertretervertrages mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden abschließt. Nach § 89b HGB erhält der Handelsvertreter einen angemessenen Ausgleich jedoch nur, wenn es sich um neue Kunden handelt.

2. Der Bundesgerichtshof hat in einer jüngeren Entscheidung noch einmal dargetan, wann ein Kunde ein neuer Kunde ist. Nach Auffassung des BGH sind Neukunden alle Kunden, die mit dem Unternehmer noch nicht in geschäftlicher Beziehung standen, sondern durch das Tätigwerden des Handelsvertreters erstmals ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben (BGH, Urteil vom 26.10.2011, Az. VIII ZR 222/10, Rn. 21, im Fall war das „alte" Unternehmen insolvent). Dem entspricht es, dass Kunden, die ein Handelsvertreter aus einer früheren Vertretung in ein neues Handelsvertreterverhältnis „einbringt", Neukunden für das Unternehmen sind. Mit anderen Worten: Schließen „Altkunden" des Handelsvertreters mit dem Unternehmen, für das der Handelsvertreter nun tätig ist, Geschäfte ab, so erhält der Handelsvertreter auch für diese Geschäfte einen entsprechenden Ausgleichsanspruch.

3. Eine Gesellschaft kann sich gegen den Ausgleichsanspruch dabei auch nicht mit dem Argument wehren, sie habe den Kundenstamm „abgekauft" und dem ebenfalls übernommenen Handelsvertreter die entsprechenden Informationen übergeben. Die Übernahme des Kundenstamms eröffnet lediglich die Chance für neue Geschäftsabschlüsse. Die neuen Geschäftsbeziehungen werden allein durch die Vermittlung des Handelsvertreters begründet. Die dem Handelsvertreter zur Verfügung gestellten Informationen über die potentiellen Kunden können lediglich bei der Frage der Angemessenheit des Ausgleichsanspruchs berücksichtigt werden und ggf. zu einer entsprechenden Kürzung führen.

4. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass der Handelsvertreterausgleich nach § 89b HGB nicht im Voraus durch eine vertragliche Regelung abdingbar ist. Die Vorschrift ist zwingend. Unzulässig sind nicht nur Vereinbarungen, durch die der Handelsvertreterausgleich ganz ausgeschlossen wird. Unzulässig sind auch Vereinbarungen, durch die der Ausgleich mehr oder weniger eingeschränkt wird. Hieraus folgt, dass eine den Ausgleich einschränkende Vereinbarung, z.B. eine Vereinbarung was unter einem Neukunden zu verstehen ist, unzulässig und damit unwirksam ist.

5. Für die Beteiligten bedeutet dies Folgendes:

  • Unternehmen, die den Kundenstamm (und auch Handelsvertreter) eines anderen Unternehmens erwerben/übernehmen, sollten mögliche Ausgleichansprüche von Handelsvertretern bedenken und bei Formulierung der Kaufpreisklauseln berücksichtigen.
  • Handelsvertreter hingegen sollten ungeachtet etwaig entgegenstehender Vertragsklauseln in jedem Fall ihren Ausgleichsanspruch durch einen Anwalt prüfen lassen.


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