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Balkonblumen gießen ja – aber nicht auf den Kaffeetisch tropfen

  • 4 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

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Es gibt unzählige Reibungspunkte zwischen Nachbarn, einer davon ist, wenn der oben wohnende Nachbar seine Blumen gießt und Wasser auf den Balkon oder die Terrasse des darunter wohnenden Nachbarn tropft. Das stellt nicht in jedem Fall ein Problem dar, allerdings kann dieser Umstand bis vors Landgericht führen, wie dieser Fall aus dem Wohnungseigentumsrecht zeigt.

Blumen gegossen und auch den Kaffeetisch getroffen

Vor Gericht stritten sich zwei Wohnungseigentümerinnen über das Anbringen von Blumenkästen und das damit verbundene Blumengießen. Immer wieder tropfte dabei Wasser auf die Terrasse der unteren Wohnung, oftmals sogar auf den bereits gedeckten Kaffeetisch. Dies konnten oder wollten die beiden Eigentümerinnen nicht unter sich klären, und so klagte die Eigentümerin der Erdgeschosswohnung gegen die über ihr wohnende Wohnungseigentümerin auf Unterlassung.

Balkonblumen sind normal – Gießen auch

Die Richter des Landgerichts (LG) München I stellten in ihrem Urteil zunächst fest, dass das Anbringen von Blumenkästen an einem Balkon im Frühjahr oder Sommer ganz normal ist. Auch das regelmäßige Gießen dieser Blumen stellt eine sozialadäquate Handlung dar und ist daher grundsätzlich zu dulden. Auch das Tropfen von Blumenwasser auf die darunter liegende Terrasse ist durchaus üblich und lässt sich nicht vermeiden. Dies sei mit einem Regenguss zu vergleichen. Allerdings muss beim Gießen auf die Belange der anderen Eigentümer Rücksicht genommen werden und Beeinträchtigungen durch tropfendes Blumenwasser seien, so gut es geht, zu vermeiden.

Beeinträchtigung liegt unzweifelhaft vor

Auch im Wohnungseigentumsrecht ist das gegenseitige Rücksichtnahmegebot zu beachten. In § 14 Nr. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ist geregelt, dass eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Beeinträchtigung anderer Eigentümer vermieden werden soll. Eine solche Beeinträchtigung liegt beispielsweise dann vor, wenn Blumen zu einem Zeitpunkt gegossen werden, zu dem sich andere Eigentümer bzw. zu deren Haushalt gehörende Personen oder Gäste erkennbar in dem darunter liegenden Bereich befinden und durch herabtropfendes Wasser konkret gestört werden können.

Blumenwasser im Kaffee schmeckt nicht

Zu einer Beeinträchtigung durch tropfendes Blumenwasser kam es in der Vergangenheit öfter. In mehreren Fällen saß die Klägerin mit ihrem Mann beim Frühstück oder anderen Mahlzeiten auf ihrer Terrasse, als die Beklagte die Blumen in ihren Blumenkästen goss. Dabei tropfte das überlaufende Wasser direkt auf den gedeckten Tisch. Diesen Umstand müssen die Eigentümer im Erdgeschoss nicht hinnehmen. Sie haben vor Gericht deutlich gemacht, dass die Eigentümerin über ihnen es zum einen hören könne, wenn der Tisch herausgezogen werde, um an ihm Platz zu nehmen, zum anderen müsse sich die gießende Nachbarin vor Beginn ihres Gießvorgangs vergewissern, dass dadurch niemand gestört wird.

Unterlassungsanspruch besteht

Nach § 1004 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG besteht unter Wohnungseigentümern ein Unterlassungsanspruch, wenn durch den Gebrauch des eigenen Eigentums andere Wohnungseigentümer nicht nur ganz unerheblich beeinträchtigt werden und das unvermeidliche Maß überschritten wird. Blumenkästen am Balkon anzubringen und das regelmäßige Gießen der Blumen stellt eine sozialadäquate und normale Nutzung des Balkons dar und muss von den anderen Wohnungseigentümern grundsätzlich geduldet werden. Dies ist auch dann der Fall, wenn beim Gießen Blumenwasser auf das darunter liegende Eigentum tropft. Das Heruntertropfen von Blumenwasser lässt sich nicht ganz vermeiden und stellt weder eine unübliche Nutzung dar, noch handelt es sich um einen erheblichen Nachteil für den anderen Eigentümer, denn auch bei Regen würde sein Eigentum nass werden.

Rücksichtnahmegebot muss beachtet werden

Allerdings muss beim Anbringen von Blumenkästen am Balkon und beim Gießen der darin befindlichen Blumen auf die Belange der anderen Eigentümer Rücksicht genommen werden, um eventuelle Beeinträchtigungen so weit wie möglich zu vermeiden. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot aus § 14 Nr. 1 WEG liegt dann vor, wenn die Blumen zu einem Zeitpunkt gegossen werden, zu dem sich entweder die Eigentümer, zu ihrem Haushalt gehörende Personen oder Gäste erkennbar unter dem Balkon befinden und durch heruntertropfendes Blumenwasser tatsächlich gestört werden könnten. Der Blumenfreund muss in diesem Fall mit dem Blumengießen warten, bis sich niemand mehr unter den Blumenkästen aufhält, der durch tropfendes Wasser gestört werden könnte, bzw. er muss sich durch Nachfrage bei den unteren Eigentümern vergewissern, dass er jetzt Blumen gießen kann, ohne jemanden zu stören. Beides hatte die blumengießende Eigentümerin nicht getan und damit gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen.

Schadensersatzanspruch gegen die Gießerin

Da die oben wohnende Eigentümerin bereits häufiger gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen hat, indem sie ihre Blumen gegossen hat, obwohl sich erkennbar Personen bzw. ein gedeckter Tisch unter ihrem Balkon befanden und diese durch tropfendes Wasser gestört bzw. beschmutzt wurden, hat die unten wohnende Eigentümerin gegen die oben wohnende Eigentümerin neben dem Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB i. v. m. §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG zusätzlich einen Schadensersatzanspruch gem. § 14 Nr. 1 WEG i. V. m. § 280 Abs. 1 BGB.

(LG München I, Urteil v. 15.09.2014, Az.: 1 S 1836/13 WEG)

(WEI)

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