Baurechtsfälle aus der Rechtsprechung

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Der 1. Fall schließt an das aktuelle Grundsatzurteil des Bundesgerichts vom 22.02.2018 (VII ZR 48/17) an. Hier geht es nochmals um die Schadensberechnung im Werkvertragsrecht. Grundgedanke dieses Urteils ist, dass ein Ersatz fiktiver Schadensersatzkosten nunmehr ausscheidet. Soweit Werkmängel beseitigt werden, kann der Besteller allein Erstattung der Mängelbeseitigungskosten beanspruchen, die er bei verständiger Würdigung für erforderlich halten durfte. Deshalb kann der Auftraggeber bei erfolgter Mängelbeseitigung nur den tatsächlichen Kostenaufwand fordern. Dies ändert sich durch das Grundsatzurteil nicht. Das war schon früher der Fall. Diese Rechtsprechung bestand schon vor dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs und zwar mit Urteil des OLG Köln vom 22.04.2015. Dies wird durch das Urteil des OLG Celle vom 01.02.2018 bestätigt. Dem Urteil lag der Sachverhalt zu Grunde, dass ein Auftragnehmer Dacheindeckungsarbeiten vorgenommen hat, die leider mangelhaft waren. Der gerichtlich bestellte Gutachter stellt Mängelbeseitigungskosten von 600.000,00 € fest, die der Auftraggeber auch fordert. Dem hält der Auftragnehmer jedoch entgegen, dass nur eine Teilfläche des Daches saniert wurde und der Auftraggeber insoweit nicht mehr auf Gutachtenbasis abrechnen darf. Das OLG Celle gibt dem Auftragnehmer recht, dass der Auftraggeber nur den tatsächlichen Kostenaufwand fordern und nicht fiktive Kosten ansetzen kann. Die Klage des Auftraggebers wird deshalb zum größten Teil abgewiesen. Somit gilt, dass nicht mehr nach fiktiven Ersatzkosten abgerechnet werden kann. Das gilt erst recht, wenn die Mängelbeseitigung tatsächlich erfolgt ist. Dann zählt nur der tatsächliche Kostenaufwand.

Auch der 2. Fall beschäftigt sich mit einem praxisrelevanten Sachverhalt. Hierbei geht es darum, dass ein Ehemann Malerarbeiten in einem Objekt in Auftrag gibt, wobei die Ehefrau Eigentümerin des Objekts ist. Es kommt, wie es kommen muss. Die Rechnung über 19.000,00 € wird nicht bezahlt. Der Auftragnehmer nimmt die Eheleute als Gesamtschuldner in Anspruch. Er erreicht in der ersten Instanz jedoch nur die Verurteilung des Ehemanns und nicht der Ehefrau. Damit geht er in Berufung. Das OLG Karlsruhe stuft den Vertrag mit dem Auftragnehmer als Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie im Sinne des § 1357 BGB ein und kommt damit zu der Auffassung, dass neben dem Ehemann auch die Ehefrau vertraglich verpflichtet wurde. Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 15.07.2015 dies damit begründet, dass die Instandsetzung der Wohnräume im Obergeschoss des Hauses dem elementaren Bedürfnis des Wohnens und damit der Deckung des angemessen Lebensbedarfs der Familie dient. Zum Glück legt die Rechtsprechung die Vorschrift des § 1357 BGB weit aus, sodass diese Regelung greift. Es besteht natürlich die Frage, was genau mit der Deckung des angemessen Lebensbedarfs der Familie zählt, insbesondere ob hierzu auch ein kompletter Umbau oder komplette Sanierung des Objektes zählen würde. Dies ist nicht rechtsicher. Deshalb sollte immer versucht werden, beide Ehepartner zur Unterschrift zu veranlassen, um Rechtssicherheit herzustellen. Grundsätzlich kann man sagen, dass der Auftragnehmer bei kleineren Geschäften auf jeden Fall geschützt ist, wenn er Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen für das Objekt ausführt und damit als Gesamtschuldner beide Ehepartner in Anspruch nehmen kann.

Das 3. Fall beschäftigt sich mit einem Beschluss des OLG München vom 14.03.2017. Hier ging es um die Abrechnung eines Pauschalpreisvertrages nach einer vorzeitigen Beendigung. Der Auftragnehmer macht 35.000,00 € als Restwerklohn geltend. Die Bauleitung hatte der Auftraggeber selbst übernommen. Ein beim Auftraggeber angestellter Bauleiter prüft die Rechnung des Auftragnehmers und bestätigt die vom Auftragnehmer abgerechneten Mengen mit einem Prüfvermerk. Trotzdem bezahlt der Auftraggeber die Rechnung nicht. Der Auftragnehmer reicht Klage ein. Im Prozess bestreitet der Auftraggeber den Umfang der vom Auftragnehmer abgerechneten Massen. Das OLG München beschäftigt sich zunächst mit der Rechtsnatur dieses Prüfvermerks.

Ein solcher Prüfvermerk ist nur eine Wissenserklärung über den Nachweis für die durchgeführte rechnerische Prüfung und Feststellung der Einzelpositionen (Mengen- und Einheitspreise) und des Gesamtergebnisses. Dagegen kommt dem Prüfvermerk kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert zu. Dies wird in der Baupraxis immer angenommen. Dies ist jedoch falsch.

Deshalb merke: Die Rechtsprechung agiert hier einheitlich und lässt keinen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert eines Prüfvermerks zu. Grundsätzlich ist der Auftraggeber deshalb auch nicht daran gehindert, die vom Auftragnehmer einseitig ermittelten Massen im Prozess zu bestreiten, wenn er zuvor die in der Schlussrechnung des Auftragnehmers abgerechneten Massen durch einen Prüfvermerk bestätigt hat.

Etwas anderes gilt jedoch bei besonderen Umständen des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall hat der Auftraggeber selbst die Bauleitung in der Hand und hat auch an Ort und Stelle Art und Umfang der Leistung selbst festgestellt. Aus dem Rechnungsprüfungsprotokoll geht hervor, dass dieses vom Bauleiter des Auftraggebers selbst erstellt worden ist. Hieraus ergibt sich ausnahmsweise eine Bindung des Auftraggebers an die von ihm selbst vorgenommene Prüfung. Mithin kann es im Ausnahmefall dazu kommen, dass eine Bindungswirkung des Auftraggebers an seinen Prüfvermerk besteht.

Als 4. Fall soll noch ein interessanter Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 01.02.2018 diskutiert werden. Hier geht es um die Frage der Befangenheit eines Sachverständigen, der ein fehlerhaftes Gutachten erstattet hat. Im Prozess kommt es immer wieder dazu, dass eine Partei mit dem Sachverständigengutachten nicht zufrieden ist und über einen Befangenheitsantrag versucht, den Sachverständigen loszuwerden.

Dies gelingt jedoch meistens nicht, da Zweifel an der Sachkunde oder Unzulänglichkeiten im Gutachten keinen Befangenheitsgrund darstellt.

Das Kammergericht stellt ausdrücklich fest, dass im Falle inhaltlicher Mängel der gutachterlichen Feststellung nicht Befangenheit folgt, sondern es muss zunächst eine mündliche Anhörung des Sachverständigen erfolgen.

Deshalb ist es falsch, ein fehlerhaftes Sachverständigengutachten mit einem Befangenheitsantrag angreifen zu wollen. 

Somit ist ein Ablehnungsantrag kein Mittel zur Fehlerkontrolle. Vielmehr gibt es gesetzlich nach dem Prozessrecht die Möglichkeit der mündlichen Anhörung gemäß § 411 ZPO und die Einholung eines neuen Gutachtens nach § 412 ZPO. Auf die Befangenheit kann man nicht zurückgreifen.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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