Rechtsprechung - News zum Baurecht

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Immer wieder interessante Fälle zum Baurecht aus der Rechtsprechung sind darstellungswert. Der 1. Fall betrifft den Mängeleinbehalt durch den Auftraggeber. Es stellt sich die Frage, ob ein Mängeleinbehalt trotz Mängelsicherheit vom Auftraggeber verlangt werden darf. Diese Entscheidung geht auf das Urteil des OLG Jena, Urteil vom 29.08.2019 – 1 U 324/17 zurück. Hier ging es darum, dass ein Auftragnehmer noch Restwerklohn für Leistungen über die Errichtung eines Einfamilienhauses vom Auftraggeber verlangt. Der Auftraggeber macht ein Einbehalt wegen Mängeln geltend, also ein Leistungsverweigerungsrecht. Der Auftragnehmer wendet ein, dass dieser Mängeleinbehalt aufgrund der gestellten Mängelsicherheit unberechtigt ist. Dies wird von vielen Auftragnehmern in der Baupraxis angenommen. Dem ist leider nicht so. Bei Vorliegen von Mängeln braucht sich der Besteller grundsätzlich nicht auf eine Mängelsicherheit verweisen zu lassen. Jedoch gilt die Einschränkung, dass die Kumulation von Mängeleinbehalt und Mängelsicherheit nicht zu einer erkennbaren und unangemessenen Übersicherung des Auftraggebers führen darf. Die Summe von Mängeleinbehalt und Mängelsicherheit muss dem gesetzlichen Druckzuschlag des Doppelten der Mängelbeseitigungskosten nach § 641 Abs. 3 BGB entsprechen. Der gesetzlich geregelte Druckzuschlag hat den Sinn, den Auftragnehmer anzuhalten, die festgestellten Mängel zu beseitigen. Dem Auftragnehmer soll nur dann die vereinbarte Vergütung in voller Höhe zustehen, wenn er seine Leistung vollständig und mangelfrei erbracht hat. Demgegenüber hat eine Mängelsicherheit eine ganz andere Zielrichtung, da der Auftraggeber wegen noch nicht erkannter und künftiger Mängel abgesichert werden soll und somit dazu beizutragen, dass für den Auftraggeber bestehende Insolvenzrisiko des Auftragnehmers zu reduzieren. Der 2. Fall beschäftigt sich mit der Kündigung. Hier ging es um einen Fliesenleger, der sich gegenüber einem Auftraggeber durch VOB-Vertrag über Fliesenverlegung und Aufstellung von Verlegeplänen verpflichtet hatte. Der Fliesenleger kommt der Aufforderung zur Vorlage dieser Verlegepläne nicht nach und stellt die Arbeiten ein. Der Auftraggeber macht alles richtig und erklärt nach Fristsetzung zur Arbeitsaufnahme und Kündigungsandrohung, die Kündigung aus wichtigem Grund nach § 5 Abs. 4 i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B. Natürlich entstehen dem Auftraggeber Mehrkosten, die er nunmehr vom Fliesenleger fordert. Das OLG München entscheidet durch Beschluss vom 19.09.2019 – 28 U 1508/19 Bau, dass der Fliesenleger aufgrund des Vertrages die ausdrückliche Pflicht hatte, die Verlegepläne zu erstellen und dies ernsthaft und endgültig verweigert hat. Damit war die Kündigung des Fliesenlegers rechtens und der Mehrkostenanspruch des Auftraggebers berechtigt. Das kann nicht überraschend sein. So schnell kann es gehen, wenn man als Handwerker nicht richtig handelt. Dann ist man in der Haftungsfalle. Ein weiteres Urteil geht für den Auftragnehmer ebenfalls schlecht aus. Der 3. Fall kommt vom OLG Celle, welches mit Urteil vom 29.09.2021 - 14 U 149/20 ebenso zuungunsten des Auftraggebers entscheidet. Hier ging es um Trockenbauarbeiten. VOB war vereinbart. Diese Arbeiten sollten innerhalb von 48 Werktagen erledigt sein. Es kommt zu einer Behinderungsanzeige durch den Trockenbauer. Nach Wegfall der Behinderung setzt er jedoch seine Arbeiten nicht fort, sondern wird erst wieder nach Mahnung des Auftraggebers tätig. Dann stellt er jedoch die Arbeiten ohne Begründung wieder ein. Die Parteien geraten über die Berechtigung eines vom Trockenbauer gestellten Nachtrags in Streit. Der Auftraggeber ermahnt den Auftragnehmer permanent zur Arbeitsaufnahme. Die Baustelle ist zeitweise über Wochen nicht besetzt. Nachfolgegewerke sind behindert und der Gesamtfertigstellungstermin ist in Gefahr. Der Auftraggeber geht dann hin und kündigt dem Auftragnehmer nach Fristsetzung zur Arbeitsaufnahme mit Kündigungsandrohung fristlos nach § 5 Abs. 4 i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B. Natürlich klagt der Auftragnehmer seinen Restwerklohn i.H.v. 70.000,00 € ein. Die Sache landet vor Gericht, da der Auftraggeber nicht zahlt. Das OLG Celle gibt dem Auftraggeber recht und entscheidet, dass der Auftraggeber berechtigt aus wichtigem Grund gekündigt hat. Deutlich verweist das Gericht darauf, dass durch die Baustellenabwesenheit des Auftragnehmers eine besonders schwere Vertragsverletzung vorliegt, da über erhebliche Zeiträume keine Arbeitnehmer auf der Baustelle waren. Also heißt dies für den Auftragnehmer: Aufgepasst bei Abzug aller Mitarbeiter von der Baustelle. Dies wird durch die Auftragnehmer gern praktiziert, ohne die Folgen zu bedenken. Diese Hauruck-Methode des Auftragnehmers führt nur zur Haftung und Geldverlusten. Aus der Rechtsprechungspraxis kann man mitnehmen, dass die Gerichte diese Methode nicht akzeptieren und grundsätzlich zum Nachteil des Auftragnehmers entscheiden. Hier muss man taktisch und strategisch ganz anders handeln, um einer Haftung und Geldverlusten zu entgehen. Der 4. Fall beschäftigt sich wiederum mit der Kündigung durch den Auftraggeber. Dieser Fall geht endlich für den Auftragnehmer einmal gut aus. Dieser Fall basiert auf der Entscheidung des OLG Schleswig, Beschluss vom 10.11.2021 - 12 U 159/20. Der Auftragnehmer meldet Bedenken an, was dem Auftraggeber überhaupt nicht passt. Der Auftraggeber geht hin und kündigt den Vertrag mündlich, was das OLG Schleswig wegen des Schriftformerfordernisses nach § 8 Absatz 6 VOB/B für unwirksam hält. Darüber hinaus stellt das OLG Schleswig fest, dass die Bedenkenanmeldung und die Ablehnung der Gewährleistung durch den Auftragnehmer keine Vertragsverletzung darstellen, sondern der Auftragnehmer vielmehr zur Bedenkenanmeldung vertraglich verpflichtet ist. In der Baupraxis besteht immer die Angst, eine Bedenkenanmeldung auszusprechen. Diese Angst geht auf diverse Gründe zurück. Vielfach will man weder den Architekten noch dem Auftraggeber verärgern. Auch hat man Angst um eine Kündigung des Vertragsverhältnisses. Eine solche Angst ist jedoch unbegründet, da die Gerichte dem Handwerker beistehen, wenn man eine Bedenkenanmeldung richtig ausgebracht hat. Nochmals: Eine Bedenkenanmeldung stellt keine Vertragsverletzung dar, sondern ein vertragsgerechtes Handeln durch den Auftragnehmer. Dies muss den Bauparteien immer wieder klargemacht werden. Es geht doch bei einer Bedenkenanmeldung nicht darum, den Auftraggeber oder den Architekten zu verärgern. Vielmehr geht es darum, darauf hinzuweisen, dass der Erfolg der Werkleistung gefährdet ist. Insoweit ist es doch im Interesse beider Parteien, eine fachgerechte und mängelfreie Werkleistung herzustellen. Wenn der Auftraggeber dies nicht einsehen will, so muss er mit den Konsequenzen leben. Eine unberechtigte Kündigung führt zwar zur Beendigung des Vertragsverhältnisses. Dies hat jedoch beträchtliche Vergütungsfolgen für den Auftraggeber, der auch für den nicht erbrachten Leistungsteil eine Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen schuldet. Das ist vielen Auftraggebern nicht klar, die leichtfertig einen in ihren Augen unbequemen Auftragnehmer, der seine Werkleistung ernst nimmt, loswerden wollen. Der 5. Fall beschäftigt sich mit Mehr- bzw. Mindermengen, die nicht auf eine Anordnung des Auftraggebers zurückzuführen sind. Hier ging es um eine Entscheidung des OLG München, Beschluss vom 13.05.2019 - 28 U 3906/18 Bau. Die vom Auftraggeber ausgeschriebenen Mengen an Erdaushub waren nicht zutreffend durch den Auftraggeber ermittelt. So kam es, dass Mehrmengen von der Baustelle abgefahren werden mussten, was naturgemäß auch zu höheren Abtransportkosten geführt hat. Der Auftraggeber geht hin und kürzt die Schlussrechnung um die Mehrmengen, da er der Auffassung ist, dass der Auftragnehmer ihm die Mehrmengen nicht vor Ausführung angezeigt hat. Dieses Argument lässt das Gericht nicht gelten. Grundsätzlich besteht bei Mehrmengen gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B keine Anzeigepflicht, wenn die Mengenangabe im Leistungsverzeichnis durch den Auftraggeber falsch ermittelt wurde. Wenn es dann zu einer Explosion der Vordersätze kommt, so muss der Auftraggeber dieses Mengenrisiko tragen und bei Vereinbarung eines Einheitspreisvertrages diese Mehrmengen auch zahlen. Im Gegensatz zu § 2 Abs. 6 VOB/B sieht § 2 Abs. 3 VOB/B ein Ankündigungserfordernis nicht vor. Deswegen kann auch ein solches Ankündigungserfordernis nicht einfach dort hineininterpretiert werden, was leider in der Vergangenheit durch einige Gerichte schon passiert ist. Vielleicht ist es in einer solchen Situation ratsam, wenn es tatsächlich zu einer Explosion der Vordersätze kommt, auf den Auftraggeber zuzugehen, um hinter Ärger und Frust bei der Abrechnung zu vermeiden und schnell an sein Geld ohne Gerichtsprozess zu kommen.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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