Berufsunfähigkeit: Worauf ist bei Leistungen wegen Berufsunfähigkeit zu achten?

  • 4 Minuten Lesezeit

Leistungen wegen Berufsunfähigkeit: Reaktionsmöglichkeiten des Versicherers

Wer aufgrund gesundheitlicher Beschwerden nicht mehr dazu in der Lage ist, den bisherigen Beruf in vollem Umfang auszuüben, sollte, unabhängig von möglichen Rentenansprüchen gegenüber der Deutschen Rentenversicherung, einen Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit in Erwägung ziehen.

Der Beitrag soll einen ersten Überblick verschaffen, die möglichen Reaktion des Versicherers skizzieren und aufzeigen, wo gegebenenfalls Vorsicht geboten ist.

Der Leistungsantrag

Wer als Versicherungsnehmer meint, eventuell einen Anspruch wegen Berufsunfähigkeit zu haben, sollte dies zunächst dem Versicherer anzeigen und erhält sodann von diesem ein Antragsfragebogen. Da bei dem Ausfüllen dieses Fragebogens erfahrungsgemäß schon häufig Fehler gemacht werden, die sich im Nachhinein oftmals nur schwer revidieren lassen, ist es sinnvoll, sich hierbei bereits unterstützen zu lassen.

Wurden Leistungen wegen Berufsunfähigkeit beantragt, hat der Versicherer nach Abschluss der Leistungsprüfung hierüber zu entscheiden.

Der Versicherungsfall: wann liegt Berufsunfähigkeit vor?

Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann. Vielfach ist zusätzlich vereinbart, dass der Versicherungsnehmer auch keine andere Tätigkeit ausübt oder ausüben kann. Entscheidend sind die dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen.

Die Versicherungsleistungen: Rente und Beitragsbefreiung

Liegt ein Versicherungsfall im Sinne der Bedingungen vor, hat der Versicherer nach §§ 172 Abs. 1, 173 Abs. 1 VVG die vertraglich vereinbarten Leistungen zu erbringen. Er hat sodann ein Anerkenntnis über seine Leistungspflicht abzugeben. Neben der vereinbarten Rentenleistung ist oftmals eine Beitragsbefreiung vorgesehen. Je nach vertraglicher Vereinbarung wird die Rentenzahlung rückwirkend ab Beginn der Berufsunfähigkeit, der Antragserstellung oder einem hiervon abweichenden Zeitpunkt geleistet. Dies hat häufig zur Folge, dass neben zukünftigen Ansprüchen auch Leistungen für die Vergangenheit erbracht werden. Gleiches gilt für die Beitragsbefreiung.

Die Ausnahme: das befristete Anerkenntnis

In manchen Fällen kommt es jedoch vor, dass der Versicherer "nur" ein befristetes Anerkenntnis abgibt. Dies darf nach dem Versicherungsvertragsgesetz nur einmal zeitlich befristet werden. Es ist darüber hinaus bis zum Ablauf der Frist bindend.

Der Versicherer ist jedoch nicht berechtigt, anstatt eines gebotenen unbefristeten ein nur befristetes Anerkenntnis abzugeben. Ein befristetes Anerkenntnis setzt vielmehr sowohl das Vorliegen eines sachlichen Grundes als auch eine Begründung der Befristung durch den Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer voraus. Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 09.10.2019 zum Aktenzeichen IV ZR 235/18 ausdrücklich klargestellt. Ob die Voraussetzungen für ein befristetes Anerkenntnis tatsächlich vorliegen, sollte daher intensiv geprüft werden.

Die vermeintliche Kulanzleistung

Wird durch den Versicherer kein Anerkenntnis abgegeben und stattdessen erklärt, er sei zu einer Kulanzleistung bereit, ist besondere Vorsicht geboten. Eine solche ist weder im Gesetz noch in den Bedingungen vorgesehen, sodass der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Entscheidung über die Leistungspflicht des Versicherers hat. Andererseits wird kaum ein Versicherer Leistung wirklich aus "Kulanz" erbringen.

Bereits in seiner Entscheidung vom 15.02.2017 zum Aktenzeichen IV ZR 280/15 hatte der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass ein Versicherer objektiv treuwidrig handelt, wenn er bei naheliegender Berufsunfähigkeit die ernsthafte Prüfung seiner Leistungspflicht durch das Angebot einer befristeten Kulanzleistung hinausschiebt und so das nach Sachlage gebotene Anerkenntnis unterläuft. Daher ist eine solche Vereinbarung nur unter sehr engen Grenzen möglich und setzt eine unklare Sach- und Rechtslage voraus. Ferner hat der Versicherer vor dem Abschluss den Versicherungsnehmer durch unmissverständliche und konkrete Hinweise darauf, wie sich dessen vertragliche Rechtsposition darstellt und in welcher Weise diese durch den Abschluss der Vereinbarung verändert oder eingeschränkt wird, zu informieren.

Das Nachprüfungsverfahren bei unbefristetem Anerkenntnis

Bei einem unbefristeten Anerkenntnis ist der Versicherer berechtigt, auf seine Kosten jährlich ein sogenanntes Nachprüfungsverfahren durchzuführen und hierdurch das weitere Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen prüfen zu lassen. Oftmals wird von dieser Möglichkeit jedoch nicht jährlich Gebrauch gemacht, insbesondere in Fällen, in denen eine Besserung des Gesundheitszustandes nicht oder kaum denkbar ist.

Die Leistungseinstellung

Stellt sich im Rahmen dieses Nachprüfungsverfahrens heraus, dass die Leistungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen, wird der Versicherer leistungsfrei. Hier ist jedoch ebenfalls Vorsicht geboten. Zunächst einmal ist es erforderlich, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer über diese Veränderung in Textform informiert und diese auch darlegt. Es reicht demnach nicht, lediglich mitzuteilen, dass die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung aufgrund der Besserung des Gesundheitszustandes entfallen. Darüber hinaus sollten die zugrunde liegenden Erwägungen und ärztlichen Stellungnahmen immer von einem Spezialisten geprüft werden, um klären zu lassen, ob diese zutreffend sind, eine Leistungseinstellung zur Folge haben können und ob der Versicherer die gesetzlichen und vertraglichen Voraussetzungen für die Leistungseinstellung eingehalten hat.

Zu beachten ist insbesondere, dass der Versicherer im Streitfall die Tatsachen beweisen muss, aus denen sich die Gesundheitsbesserung ergeben soll. Hier ist der sogenannte Vollbeweis zu führen. Dieses Beweismaß gilt auch bei psychischen Erkrankungen.

Sind alle Voraussetzungen erfüllt, endet die Leistungspflicht jedoch nicht sofort sondern frühestens mit dem Ablauf von drei Monaten nach Zugang der Erklärung.

Fazit

Sinnvoll ist es, schon vor Einreichung des Fragebogens zur Antragstellung fachkundige Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sollten bei einem Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit die Leistungen nicht anerkannt werden, sollte nicht nur bei einer Ablehnung sondern auch bei einem befristeten Anerkenntnis und vor Annahme einer (vermeintlichen) Kulanzleistung eine Überprüfung erfolgen. Dies gilt ebenfalls für den Fall, dass nach Durchführung des Nachprüfungsverfahrens die Leistung eingestellt werden soll.

Aufgrund meiner Erfahrung und langjährigen Tätigkeit als Fachanwältin für Versicherungsrecht auf Seiten der Versicherungsnehmer stehe ich Ihnen  bundesweit für eine fachkundige Überprüfung und Durchsetzung Ihrer Leistungsansprüche gern zur Seite.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Birte Raguse

Beiträge zum Thema