Bewerbung von Photovoltaik mit 0 % MwSt: Muss das UWG gegenüber dem Klimaschutz zurücktreten (LG Giessen) ?

  • 7 Minuten Lesezeit

Aktuell: Die nachfolgend besprochene Entscheidung vom LG Giessen ist durch das OLG Frankfurt aufgehoben worden.


Seit dem 01.01.2023 können Solarmodule sowie die für den Betrieb einer Photovoltaikanlangen wesentlichen Komponenten und Speicher (z. B. Wechselrichter, Batteriespeicher, etc.) zu einem Mehrwertsteuersatz von 0 % verkauft werden. Diese 0 % gelten jedoch nicht immer, sondern sind an die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG geknüpft:


Die Steuer ermäßigt sich auf 0 Prozent für die folgenden Umsätze:

  1. die Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die Voraussetzungen des Satzes 1 gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) beträgt oder betragen wird;
  2. den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
  3. die Einfuhr der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
  4. die Installation von Photovoltaikanlagen sowie der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Lieferung der installierten Komponenten die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt.


Ein aktuelles wettbewerbsrechtliches Thema ist die Bewerbung derartiger Produkte in Preissuchmaschinen oder z. B. Google-Shopping: Wenn dort ein Produkt unter Angabe eines Preises beworben wird, für den der 0 % Steuersatz gem. § 12 Abs. 3 UStG gilt, spricht Vieles dafür, dass bereits in der Anzeige z. B. bei Google-Shopping darauf hingewiesen werden muss. Der Preis gilt nicht immer und für alle, sondern nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG.



LG Gießen: Bewerbung von Batteriespeichern für Photovoltaikanlagen bei Google-Shopping ohne Information zu 0 % Umsatzsteuer ist nicht wettbewerbswidrig.


Das Landgericht Gießen (LG Gießen, Beschluss vom 24.03.2023, Az: 8 O 3/23) hatte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hinsichtlich einer Werbung von Batteriespeichern für Photovoltaikanlagen, die für 0 % Umsatzsteuer angeboten wurden, zurückgewiesen. In der Anzeige bei Google-Shopping gab es keinerlei Hinweise darauf, dass der Preis unter der Voraussetzung des § 12 Abs. 3 UStG steht.


Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.


Die Begründung ist bemerkenswert.


Kein Platz in Google-Shopping-Anzeige ist kein Rechtfertigungsgrund.


Hierzu führt das Landgericht aus:



„Der Umstand, dass auf der Plattform „Google Shopping“ aus technischen Gründen nicht genügend Platz sein mag für eine detaillierte Preisinformation, würde eine rechtswidrige Preisangabe nicht rechtfertigen. Bietet eine Plattform keinen Raum für rechtmäßiges Handeln, darf diese Plattform schlicht nicht verwendet werden.“



So weit, so gut.


Kein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung


Nach Ansicht des Landgerichtes stellt diese Art der Bewerbung kein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung vor. Dies begründet das Gericht damit, dass § 3 Abs. 1 PAngV Unternehmer, die Waren gegenüber Verbrauchern anbieten, dazu verpflichtet, den Gesamtpreis anzugeben. Lässt sich ein Gesamtpreis aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht im Voraus einheitlich berechnen, ist vom Gesamtpreis eine Ausnahme zu machen. Ein solcher Ausnahmefall, so das Landgericht, läge hier vor:


„Für eine Vielzahl der Interessenten der Photovoltaikanlagen-Komponenten kommt eine Umsatzsteuerbefreiung in Betracht. Für diese ist allein der umsatzsteuerbefreite Preis interessant, da sie nur diesen Preis zahlen müssen. Die Angabe des Bruttopreises könnte einen höheren Preis suggerieren, als er im Ergebnis von einem großen Kreis von Interessenten zu entrichten wäre. Damit wäre eine Bruttopreisangabe ähnlich irreführend wie die Nettopreisangabe. Der Schutz des Verbrauchers, dem die Vor-schriften der Preisangabenverordnung in erster Linie dient, gebietet daher in der vor-liegenden Konstellation nicht die Angabe des Bruttopreises.“


Die Argumentation mit der Preisangabenverordnung passt nach unserer Auffassung nicht. Es heißt im § 3 Abs. 1 PAngV:


„Wer als Unternehmer Verbrauchern Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angaben von Preisen wirbt, hat den Gesamtpreis anzugeben.“


Der Endpreis ist entweder der Preis mit 0 % Mehrwertsteuer, wenn die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG gegeben sind. Der Endpreis kann aber auch der Preis inkl. 19 % MwSt. sein, wenn die Voraussetzungen nicht gegeben sind. Der Endpreis inkl. MwSt. (einmal 0 %, einmal 19 %) ist jedoch klar.


Klimaschutz vor Wettbewerbsrecht?


Dann wird es in der Entscheidung des Landgerichtes politisch:


„Für eine Vielzahl der Interessenten der Photovoltaikanlagen-Komponenten kommt eine Umsatzsteuerbefreiung in Betracht. Für diese ist allein der umsatzsteuerbefreite Preis interessant, da sie nur diesen Preis zahlen müssen. Die Angabe des Bruttopreises könnte einen höheren Preis suggerieren, als er im Ergebnis von einem großen Kreis von Interessenten zu entrichten wäre. Damit wäre eine Bruttopreisangabe ähnlich irreführend wie die Nettopreisangabe. Der Schutz des Verbrauchers, dem die Vor-schriften der Preisangabenverordnung in erster Linie dient, gebietet daher in der vor-liegenden Konstellation nicht die Angabe des Bruttopreises. Hinzukommt, dass die Umsatzsteuerbefreiung dazu dienen soll, Kauf und Nutzung von Photovoltaikanlagen zu fördern und durch die damit erfolgte Erhöhung der Quote an erneuerbaren Energien zum Klimaschutz beizutragen. Dieser Förderungszweck kann umso besser erzielt werden, je mehr die umsatzsteuerbefreiten Interessenten von Photovoltaikanlagen auf die Steuerermäßigung hingewiesen werden, was gerade auch durch die Angabe des maßgeblichen Nettopreises geschehen kann.

Ein in Einzelfällen nicht auszuschließender Anlockeffekt muss angesichts dieser über-geordneten Erwägungen ebenso hingenommen werden wie nicht auszuschließende Fehlvorstellungen einzelner über die Zusammensetzung des auf „Google Shopping“ ausgewiesenen Preises. Diese Interessenabwägung gilt umso mehr angesichts des Umstandes, dass auf der Angebotsseite im Online Shop der Antragsgegnerin die Einzelheiten der Umsatzsteuerbefreiung in ausreichender Verständlichkeit dargelegt sind, so dass vor der endgültigen Kaufentscheidung der potentielle Käufer sich Gewissheit über den von ihm zu zahlenden Kaufpreis verschaffen kann.“


Das Gericht setzt sich bereits dadurch in den Widerspruch, als dass es am Anfang des o. g. Zitates heißt, dass für eine Vielzahl der Interessenten der Photovoltaik-Komponenten eine Umsatzsteuerbefreiung in Betracht kommt. Vielzahl heißt nicht alle. Wenn ein Preis nicht für alle gilt, muss auf diese Bedingung in der Werbung hingewiesen werden. So hat das Landgericht Frankfurt vor Kurzem entschieden (LG Frankfurt, Versäumnisurteil vom 13.01.2023, Az: 3-10 O 93/22), dass eine Preiswerbung von Amazon bei Google wettbewerbswidrig ist, weil dieser Preis nur für Amazon-Prime-Mitglieder galt. Einen Hinweis in der Google-Anzeige von Amazon auf diese Voraussetzung gab es nicht.


Zudem geht es nicht darum, dass die Angabe des Bruttopreises (mutmaßlich meint das Gericht einen Preis inkl. 19 % MwSt.) suggerieren könnte, dass ein höherer Preis zu entrichten wäre, als beworben. Diese Ansicht liegt ein grundsätzliches Missverständnis des Landgerichtes zu Grunde: Ein Bruttopreis ist ein Preis inkl. MwSt., egal, ob die Mehrwertsteuer 0 % oder 19 % beträgt. Die angesprochenen Verkehrskreise einer Google-Werbung nehmen zunächst an, dass der Preis ohne Wenn und Aber für Jeden gilt, außer es wird auf eine Bedingung hingewiesen. Hinzukommt, dass es kaum eine wettbewerbsrechtliche Relevanz geben dürfte, wenn der Kunde bei Anklicken der Werbung feststellt, dass er das Produkt ggf. 19 % billiger bekommt.


Der Hinweis, dass die Umsatzsteuerbefreiung dazu dienen soll, Kauf und Nutzung von Photovoltaikanlagen zu fördern und dass dieser Förderungszweck umso besser erzielt werden kann, je mehr die umsatzsteuerbefreiten Interessenten von Photovoltaikanlagen auf die Steuerermäßigung hingewiesen werden, passt ebenfalls nicht. Gegenstand des Verfahrens war gerade die Tatsache, dass es in der Google-Werbung keinen Hinweis auf die Steuerermäßigung gab.


Anlockeffekt muss hingenommen werden?


Das Gericht räumt selbst einen nicht auszuschließenden Anlockeffekt ein. Gleichzeitig wird jedoch angenommen, dass „angesichts dieser übergeordneten Erwägungen“ dieser hingenommen werden muss. Eine Rechtsgrundlage gibt es dafür nicht. Gleiches gilt für die, wie das Landgericht selber einräumt, „nicht auszuschließende Fehlvorstellung“ über den Preis. Für diese, wie das Gericht es nennt, „Interessenabwägung“ gibt es bei einem eigentlich einfach gehaltenen wettbewerbsrechtlichen Sachverhalt keine Rechtsgrundlage.


Darauf, dass auf der Zielseite, die nach Anklicken der Google-Anzeige erscheint, weitere Informationen enthalten sind, kommt es nicht an. Das wettbewerbsrechtliche Problem besteht gerade darin, dass Kunden durch den vermeintlich günstigen bedingungslosen Preis auf die Seite des Werbenden gelockt werden, die erst dort feststellen, dass der Preis u. U. für sie gar nicht gilt.


Die aktuell häufig vorzufindende Bewerbung von Photovoltaikprodukten mit 0 % MwSt. bei Preissuchmaschinen ohne einen entsprechenden Hinweis, dass der Preis unter der Voraussetzung des § 12 Abs. 3 UStG. steht, ist nach unserer Auffassung wettbewerbsrechtlich sehr problematisch. In diesen Fällen geht es um eine Irreführung und nicht um die Preisangabenverordnung.


Auch wenn Klimaschutz von großer Wichtigkeit ist, ist dies nach unserer Auffassung kein Argument in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren. 


Wettbewerbsrecht verhindert keinen Klimaschutz. 


Wettbewerbsrecht verhindert eine Verzerrung des Wettbewerbs.


Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate und vertrete als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in meiner Kanzlei Internetrecht-Rostock.de Mandanten regelmäßig in wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten. Ich verfüge über Erfahrung aus einer Vielzahl von Abmahnverfahren.

Die Kanzlei Internetrecht-Rostock.de informiert auf ihrer gleichnamigen Internetseite seit mehr als 20 Jahren mit inzwischen über 3.000 Beiträgen über Themen für Online-Händler und berät eine Vielzahl von Online-Händlern bei der Absicherung ihrer Auftritte.



Wettbewerbsrechtliche Probleme beim Angebot von Photovoltaikanlagen angezeigt


wenn Sie wettbewerbsrechtliche Fragen oder Probleme beim Angebot von Fotovoltaikanlagen haben, können Sie sich über die angegebenen Kontaktdaten unkompliziert mit mir in Verbindung setzen:


  • Rufen Sie mich einfach an (Tel. 0381-260 567 30).



  • Oder lassen Sie mir über die Funktion „Nachricht senden“ eine Mitteilung zukommen.



Johannes Richard
 Rechtsanwalt
 Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Johannes Richard

Beiträge zum Thema