Bewertungen insbesondere im Internet – mit einem Bein im Knast? (Teil 1 von 2)

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Inhaltsverzeichnis

I. Internetportale

II. Rechtlicher Rahmen

1. Äußerungen

2. Welche Äußerungen sind geschützt ?

2.1 Meinungen

2.2 Fingierte Bewertungen

2.3 Gekaufte Bewertungen

2.4 Eingriff in den eingerichteten oder ausgeübten Gewerbebetrieb

2.5 Grundsätzlich unzulässig

3. Rechtsansprüche gegen negative Bewertungen

3.1 Welche Ansprüche bestehen?

3.2 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

3.3 Unterlassung

3.4 Schadensersatz

3.5 Berichtigung und Löschung

3.6 Löschung des gesamten Profils

4. Datenschutz

5. Sicherung von Beweismitteln

6. Wo muss Klage/Antrag auf einstweilige Verfügung eingereicht werden?

7. Strafrechtliche Aspekte – AG Starnberg: Strafbefehl über 5.400 € wegen Beleidigung und Einzug des Laptops

8. Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG)

9. Wiederveröffentlichung gelöschter Bewertungen?

10. Anspruch auf Auskunft in Bezug auf Daten eines Kommentators wegen eines rechtswidrigen Kommentars?

I. Internetportale

Internetportale, auf denen Privatleute oder auch Gewerbetreibende ihre Produkte zum Kauf anbieten, gibt es eine ganze Menge (z. B. Jameda, Google, Quoka, Kununu, Tripadvisor, Yelp, Geolokal, Holidaycheck, Kununu, Xing etc. ).

Auf den meisten dieser Portale kann man als Interessent die Angebote bewerten, entweder mit einem Kommentar oder auch nur mit einem Bewertungssystem wie zum Beispiel der Zahl der Sterne. Die werbenden Unternehmen freuen sich über positive Bewertungen, die Kunden können hier gegebenenfalls ihre Erfahrungen mit dem Produkt äußern oder konkrete Kritik oder auch nur einfache Meinungen bekanntgeben. Für die Unternehmen, deren Produkte oder Leistungen bewertet werden, sind positive Kundenurteile natürlich von großer Bedeutung. Das kann aber dazu führen, dass hinter manchen Bewertungen kein echter Kunde mit echten Erfahrungen in Bezug auf dieses Produkt steckt, sondern zum Beispiel Freunde oder Bekannte oder gar gewerbsmäßig tätige Beratungsfirmen, also Firmen, die gegen Bezahlung Bewertungen durch ihre Mitarbeiter schreiben lassen. Auch in Foren zu allgemeinen oder politischen Themen lassen sich derartige Bewertungen finden. Auf bestimmten Portalen besteht für Mitarbeiter die Möglichkeit, anonym Bewertungen über ihren früheren oder auch aktuellen Arbeitgeber abzugeben. Auch in den sozialen Netzen wie Facebook, Twitter, Blogs oder RSS-Feeds finden sich derartige Bewertungen und Kommentare.

II. Rechtlicher Rahmen

1. Äußerungen

Bewertungen sind Äußerungen in Sprache, Text oder aus den Umständen zu erkennende Verhaltensweisen. In rechtlicher Hinsicht kommt es wesentlich darauf an, ob es sich um eine Tatsachen- oder eine Meinungsäußerung handelt. Bei Tatsachenäußerungen kommt es darauf an, ob eine Tatsache behauptet wird, also ein Umstand, der sich objektiv nachweisen lässt. Tatsachenbehauptungen müssen der Wahrheit entsprechen, d. h. gegebenenfalls auch vor Gericht beweisbar sein.

2. Welche Äußerungen sind geschützt?

2.1 Meinungen

Meinungen dagegen sind subjektive Äußerungen, subjektive Urteile und Bewertungen, die nicht bewiesen werden können und müssen. Auch die Bewertung nur mittels Sternchen ist eine Meinung, sie drückt ein Werturteil aus (BGH vom 23.6.2009; Az. VI ZR 196/08).

Auch in der Vergabe von Schulnoten ist eine solche Meinungsäußerung zu sehen. Die Vergabe nur eines einzigen Sternchens ohne jeden weiteren Kommentar reicht als Meinungsäußerung aus. Anderer Auffassung ist das LG Augsburg, das im Gegensatz zur überwiegenden Rechtsprechung in der unkommentierten Vergabe eines Sternchens keine Bewertung sieht (LG Augsburg vom 17.7,2017; Az. 022 0560/17).

2.2 Fingierte Bewertungen

Meinungen und Werturteile stehen unter dem Schutz des Art. 5 Grundgesetz und sind damit weitgehend (dazu siehe unten) geschützt. Fingierte Bewertungen, also Bewertungen, die nicht auf eine konkrete Person und vor allem nicht auf den Verfasser der Bewertung zurückzuführen sind, genießen diesen Meinungsschutz nicht, derartige Bewertungen sind als Eingriff in das Persönlichkeitsrecht oder in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Bewerteten unzulässig.

So haben das LG Frankfurt und das LG Meiningen entschieden, als sich herausstellte, dass ein Kritiker mit dem kritisierten Produkt oder Dienstleistung gar nicht in Kontakt war. In einer Entscheidung des LG Frankfurt stellte sich heraus, dass der Kritiker mit dem bewerteten Arzt nie in Kontakt getreten war und der Arzt einen Behandlungstermin bestritten hatte (LG Lübeck vorn 13.6.2018; Az. 9 0 59/17; LG Frankfurt vom 13.9.2018, Az. 2 - 03 0 123/17, LG Meiningen vom 15. 5. 2019; Az. 117 20 274/19). Falsche Tatsachenbehauptungen sind also nicht durch Art. 5 Grundgesetz geschützt (BVerfG vom 3.6.1980; Az. 1 BVerfG 797/78).

2.3 Gekaufte Bewertungen

Im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist für die Veröffentlichung von Kundenrezensionen im Internet, für die der Rezensent eine Zahlung oder einen anderen vermögenswerten Vorteil erhalten hat, sogar mit § 5 a VI UWG eine eigene Bestimmung enthalten, nach der dies unlauter ist. Es muss darauf hingewiesen werden, wenn es sich um "bezahlte" Bewertungen handelt. Dafür haftet auch das Unternehmen, das für den Anbieter derartige "bezahlte" Rezensionen hat verfassen und veröffentlichen lassen. Dies ergibt sich aus der Richtlinie 2005/29/EG gegen unlautere Geschäftspraktiken. Auch das OLG Frankfurt am Main hat so entschieden (Beschluss vom 22.02.2019 – 6 W 9/19). Im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb unter § 5a Abs. 6 UWG heißt es dazu: 

"Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte."

2.4 Eingriff in den eingerichteten oder ausgeübten Gewerbebetrieb

Ob ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht eines Kritisierten oder in den ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb durch eine Tatsachenbehauptung vorliegt, ist im Einzelfall abzuwägen. Der BGH hat dazu erklärt, dass ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nur dann rechtswidrig ist, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH vom 1.3.2016; Az. VI ZR 30 IV/15).

2.5 Grundsätzlich unzulässig

Grundsätzlich unzulässig sind Äußerungen, die eine unsachliche Schmähkritik darstellen oder eine Formalbeleidigung sind oder gar einen Angriff auf die Menschenwürde, also Formalbeleidigungen, unsachliche Schmähkritik sowie Angriffe auf die Menschenwürde.  

Allerdings haben auch an sich zulässige Meinungsäußerungen dort ihre Grenze, wo sie den Angegriffenen bloßstellen, stigmatisieren oder an den Pranger stellen. Dabei räumt der BGH durchaus ein, dass auch harsche Kritik, sogar polemisch, ungerecht oder überzogen unter dem Schutz des Grundgesetzes steht. Das gilt sowohl für den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht als auch für den Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (BGH vom 29.1.2002; Az. VI ZR 20/01; BGH vom 16.12.2014, Az. VI ZR 39/14 oder Bundesverfassungsgericht vom 29.6.2016, Az. 1 BA 3487/14).

Der Beitrag wird in einem zweiten Teil fortgesetzt.

Verfasser: Dr. Peter Schotthöfer



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