BGH: Online-Sportwetten–Anbieter muss Spieler wohl alle Verluste ersetzen

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Passend zur bevorstehenden Fußball-EM 2024 hat der I. Zivilsenat des BGH die „Bombe platzen lassen“: Ein offizieller Sponsor der Fußball EM 2024, der Online-Sportwetten-Anbieter „Betano“ aus Österreich, soll jahrelang illegales Online-Glücksspiel betrieben haben und muss nun voraussichtlich geschädigten Spielern die erlittenen Verluste ersetzen.

Klage gegen offiziellen Sponsor der Fußball EM 2024 - Verhandlung vor dem BGH am 02.05.2024

Ein Spieler, der auf der Seite „Betano“ des österreichischen Anbieters "Betkick Sportwettenservice GmbH“ in der Zeit vom 11.10.2018 bis 28.12.2018 einen Betrag iHv 11.984,89 € bei Online-Sportwetten verloren hatte, klagte auf Rückzahlung seiner Verluste gegen den Anbieter vor dem Landgericht (LG) Görlitz. Hintergrund war, dass „Betano“ in dieser Zeit nicht über eine Lizenz zur Veranstaltung von Online-Sportwetten in Deutschland verfügte. Der Anbieter hatte zwar eine solche Lizenz seinerzeit beantragt, aber erst im Jahre 2021 erhalten. 

Zunächst ohne Erfolg: Das LG wies die Klage ab. Auf die hiergegen gerichtete Berufung hob allerdings das zweitinstanzlich zuständige Oberlandesgericht (OLG) Dresden das Urteil des LG Görlitz auf und verurteilte den Anbieter zur Zahlung von 11.984,89 € nebst Zinsen an den Spieler. 

Hiergegen wiederum legte der Sportwetten-Anbieter Revision zum BGH ein, welche am 02.05.2024 verhandelt werden soll. Diese Verhandlung wird mit Spannung erwartet, war die erste Verhandlung im März 2024 in einem Parallelverfahren noch vorzeitig durch Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien aufgehoben worden.

BGH erteilt vorab Hinweise zu seiner Rechtsauffassung

Womöglich war genau das der Grund, warum sich der I. Zivilsenat nun dazu berufen fühlte, mit einem 25-seitigen(!) Hinweisbeschluss seine vorläufige Rechtsauffassung zu dem Fall kundzutun. Denn er wollte offensichtlich verhindern, dass seine Rechtsauffassung durch eine vorzeitige Rücknahme der Revision / einen Vergleich zwischen den Parteien wieder nicht zum Ausdruck kommen kann. 

Und dieser Hinweisbeschluss liest sich wie eine Art „Rund-um-Schlag“ dessen, was sich womöglich die letzten Jahre beim BGH zu dem Thema Online-Glücksspiel angestaut hatte.

Spieler hat grds. Anspruch gegen Online-Sportwetten-Anbieter bei fehlender Lizenz

Zunächst entschied der Senat, dass für den hiesigen Rechtsstreit ein deutsches Gerichte zuständig und deutsches Recht anwendbar ist. Des Weiteren steht dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung der verlorenen Einsätze bei den streitgegenständlichen Online-Sportwetten zu, weil der Anbieter die vom Kläger gezahlten Beträge wohl ohne Rechtsgrund erhalten hat. Mangels Vorliegen einer nationalen Lizenz zum Veranstalten von Online-Sportwetten hat der Anbieter gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, wenn er dennoch solche Online-Sportwetten anbietet. Sportwetten-Verträge zwischen den Parteien sind in diesem Fall nichtig. Die Nichtigkeit der Sportwetten-Verträge ist auch durch den Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften gedeckt.

Online-Glücksspiele besonders gefährlich

Über das Internet angebotene Spiele weisen ein besonderes Gefährdungspotential für Jugendliche und Spielsuchtgefährdete oder spielsüchtige Verbraucher auf, das mit erhöhten Betrugsrisiken einhergeht. Dabei fällt insbesondere auch die für das Internet typische besonders leichte und ständige Zugänglichkeit zu einem sehr großen internationalen Spielangebot ins Gewicht. Wegen der auf viele Menschen wirkenden besonderen Reize von Glücksspielen und der niedrigen sozialen Hemmschwellen beim Online-Glücksspiel soll es verhindern, dass Spielsüchtige und spielsuchtgefährdete Menschen außerhalb jeder aufsichtsrechtlichen Kontrolle in die Lage geraten, trotz des vorhandenen Wissens um das Verlustrisiko - womöglich erhebliche - Verluste zu erleiden.

Online-Sportwetten-Anbieter müssen laufend die Voraussetzung der Lizenz einhalten

Dem steht auch nicht entgegen, dass Online-Sportwetten erlaubnisfähig sind. Denn auch nach der Lizenzserteilung unterliegen (erlaubte) Sportwettenangebote der laufenden Aufsicht der zuständigen Behörde. In der Lizenz werden Inhalts- und Nebenbestimmungen festgelegt, die zur dauernden Sicherstellung der Lizenzvoraussetzungen sowie zur Einhaltung und Überwachung der Pflichten des Sportwettenanbieters erforderlich sind. Verletzt ein Sportwettenanbieter eine Inhalts- und Nebenbestimmung der Lizenz oder veranstaltet er unerlaubte Glücksspiele, kann die zu­ständige Behörde hiergegen Maßnahmen ergreifen und als ultima ratio einen Widerruf der Lizenz aussprechen. Es ist kein Wille der Landesgesetzgeber erkennbar, das Vorgehen gegen Glücksspielanbieter, die gegen das im Glücksspielstaatsvertrag geregelte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt verstoßen, zu begrenzen und insbesondere nicht in das zivilrechtliche Schuldverhältnis zwischen Glücksspielanbieter und Spieler einzugreifen.

Online-Sportwetten-Anbieter muss Lizenz beantragt haben

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann zwar das Fehlen einer Erlaubnis eine Untersagung von Sportwetten nicht begründen, wenn das Erlaubnisverfahren nicht transparent und diskriminierungsfrei ausgestaltet ist und deshalb faktisch ein staatliches Sportwettenmonopol fortbesteht. Dies entbindet die Anbieter indes nicht davon, einen (Erst-)Antrag auf Erteilung einer Lizenz zu stellen, wenn dies ohne Weiteres möglich gewesen wäre.

Anbieten von Online-Sportwetten ohne Lizenz ist strafbar

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 284 StGB, der die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels unter Strafe stellt, verwaltungs­akzessorisch ausgestaltet, so dass grundsätzlich bereits das Fehlen einer be­hördlichen Erlaubnis den Tatbestand ungeachtet einer möglichen materiellrechtlichen Genehmigungsfähigkeit erfüllt. Ein Sachverhalt, bei dem die Erlaubnis erteilt werden könnte oder gar müsste, begründet keinen Tatbestandsausschluss. Diese Erwägung gilt auch in den Fällen, in denen der Betroffene sogar einen Anspruch auf die Erteilung der Genehmigung selbst hat. Stellt sich im Nachhinein die Rechtswidrigkeit der Versagung der Genehmigung heraus oder erteilt die Behörde nachträglich eine Genehmigung, so ist regelmäßig kein Strafaufhebungsgrund gegeben, der trotz Tatbestandserfüllung und Rechtswidrigkeit des genehmigungslosen Verhaltens die Strafbarkeit nachträglich entfallen ließe. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Betroffene verwaltungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt hat, die ihrer­seits gegen das Unionsrecht verstoßen.

Betano hat Lizenzvorgaben nicht eingehalten

Dies kann im vorliegenden Fall nach Ansicht des Senats aber dahinstehen, da der Anbieter im maßgeblichen Zeitraum keine Erlaubnis bekommen hätte bzw. eine einmal erteilte Erlaubnis wieder hätte widerrufen bekommen können. Denn unstreitig hatte der Anbieter den Höchsteinsatz je Spieler nicht auf einen Betrag von 1.000 € pro Monat begrenzt. Die Begrenzung des erlaubten monatlichen Höchsteinsatzes stellt aber eine Voraussetzung für die Lizenzerteilung dar. Das Sportwettenangebot von Betano war daher aus Gründen des materiellen Glücksspielrechts nicht ohne Weiteres erlaubnisfähig und hätte selbst bei unterstellter Lizenzserteilung einem Einschreiten der Aufsichtsbehörde bis hin zu einem Widerruf der Lizenz unterlegen. Der Anbieter verfügte auch nicht über eine Konzession, in der die zuständige Behörde einen abweichenden Höchsteinsatz erlaubt hätte. Der Verstoß des Sportwettenangebots gegen das gesetzlich vorgeschriebene monatliche Limit führt auch zur Nichtigkeit der geschlossenen Sportwettenverträge.

Gleiches gilt im Übrigen für die vollständige Trennung der (Sport-)Wetten von anderen Online-Glücksspielen und den Ausschluss von sogenannten Ereigniswetten auf einzelne Vorgänge während des laufenden Sportereignisses.

Keine Vorlage an den EuGH notwendig

Der BGH sah auch keine Notwendigkeit einer Vorlage des Rechtsstreits an den EuGH. Die Folgen einer möglichen Unionsrechtswidrigkeit von Regelungen im Bereich des Glücksspiels und die Anforderungen an ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung für das Angebot von Glücksspielen sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter: https://www.redell.com/blog

Sollten Sie auch Verluste beim Online-Glücksspiel erlitten haben, melden Sie sich gerne unverbindlich bei uns über rechtsanwalt@redell.com. Ihre Anfrage wird selbstverständlich vertraulich und diskret behandelt.

Foto(s): Dr.Redell Rechtsanwälte


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