BGH-Urteil: Wohnungsmietvertrag mit extrem günstiger Miete ist vorerst nicht nichtig

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Bundesgerichtshof hebt Berliner Urteil auf – neue Prüfung notwendig

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass ein extrem günstiger Wohnungsmietvertrag nicht automatisch sittenwidrig ist – selbst wenn er vom Geschäftsführer einer Vermietergesellschaft möglicherweise unter Missbrauch seiner Befugnisse abgeschlossen wurde.

Im Mittelpunkt des Falls steht eine große Fünfzimmerwohnung in Berlin mit rund 177 Quadratmetern Wohnfläche. Die Mieterin lebt dort seit Ende 2017 mit ihrer Familie. Der Mietvertrag wurde von ihr mit der Eigentümerin der Wohnung, einer GmbH, geschlossen – und zwar zu einer erstaunlich niedrigen Nettokaltmiete von nur 600 Euro im Monat, etwa 60 % unter dem ortsüblichen Niveau. Zusätzlich musste sie in den ersten acht Monaten keine Miete zahlen, sondern sollte im Gegenzug Renovierungsarbeiten übernehmen.

Verdacht auf "kollusives Verhalten"

Die Gesellschafter der Vermieter-GmbH warfen ihrem damaligen Geschäftsführer später vor, diesen Vertrag bewusst zum Nachteil der Firma geschlossen zu haben – und zwar in Absprache mit dem Lebensgefährten der Mieterin. Sie vermuteten also kollusives Verhalten, also ein "abgekartetes Spiel" zum Schaden der Vermieterin.

Die Klägerin verlangte daraufhin die Räumung der Wohnung und machte zusätzlich Geldforderungen geltend. Das Landgericht Berlin gab der Klage größtenteils recht. Die Mieterin legte Revision ein – mit Erfolg.

BGH: Mieterin trifft keine automatische Schuld

Der Bundesgerichtshof stellt klar: Ein Mietvertrag ist nur dann sittenwidrig, wenn beide Seiten bewusst und gemeinsam zum Schaden eines Dritten (hier: der GmbH) handeln. Es reicht nicht, wenn nur der Geschäftsführer seine Befugnisse überschreitet und der Vertrag für die Gesellschaft nachteilig ist.

Außerdem betonte der BGH, dass man der Mieterin nicht ohne Weiteres das Wissen oder Verhalten ihres Lebensgefährten zurechnen kann – etwa nur weil sie zusammenwohnen. Nur wenn dieser ausdrücklich in ihrem Namen gehandelt hätte oder sie ihn beauftragt hätte, könnte man davon ausgehen.

Mietvertrag bleibt vorerst gültig

Der Mietvertrag bleibt damit vorerst bestehen. Die Sache wurde zurück an das Landgericht Berlin verwiesen. Dort muss jetzt genauer untersucht werden, ob die Mieterin selbst vom rechtswidrigen Verhalten des Geschäftsführers wusste oder es zumindest hätte wissen müssen. Erst dann könnte der Vertrag möglicherweise als unwirksam angesehen werden.

Keine automatische Benachteiligung durch günstige Miete

Mit dem Urteil betont der BGH ein weiteres Mal: Auch ungewöhnlich günstige Mietverträge sind nicht automatisch sittenwidrig – solange keine klaren Beweise für ein betrügerisches Zusammenwirken vorliegen.

Hintergrund:
Der Fall wurde unter dem Aktenzeichen VIII ZR 152/23 entschieden. Das Urteil wurde am 26. März 2025 verkündet. Die Vorinstanzen waren das Amtsgericht Charlottenburg und das Landgericht Berlin.

FAQ zum BGH-Urteil über den umstrittenen Mietvertrag

Darf ein Mietvertrag extrem günstige Mieten enthalten?

Ja, grundsätzlich dürfen Vermieter und Mieter die Miethöhe frei vereinbaren. Selbst eine sehr niedrige Miete ist nicht automatisch verboten – erst wenn sie extrem unter dem ortsüblichen Niveau liegt und gezielt zum Schaden des Vermieters abgeschlossen wurde, könnte sie sittenwidrig sein.

Was bedeutet „kollusives Verhalten“ in diesem Zusammenhang?

„Kollusives Verhalten“ liegt vor, wenn zwei Parteien – z. B. ein Geschäftsführer und ein Mieter – bewusst zusammenarbeiten, um eine dritte Partei zu schädigen. Im Mietrecht wäre das etwa der Fall, wenn der Geschäftsführer zum Schaden seiner eigenen Firma absichtlich einen ungünstigen Vertrag abschließt.

Kann ein Mietvertrag wegen zu niedriger Miete für ungültig erklärt werden?

Nur unter bestimmten Bedingungen. Ein Vertrag ist nicht allein wegen einer niedrigen Miete ungültig. Er kann aber sittenwidrig sein, wenn er auf unredliche Weise zustande kam – z. B. durch ein kollusives Vorgehen oder bei Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Vermieter.

Warum musste der Fall zurück ans Landgericht?

Der Bundesgerichtshof sah nicht genug Beweise dafür, dass die Mieterin vom möglichen Fehlverhalten des Geschäftsführers wusste oder daran beteiligt war. Jetzt muss das Landgericht genauer prüfen, ob die Mieterin tatsächlich in das mutmaßlich unrechtmäßige Vorgehen einbezogen war.

Kann das Verhalten eines Lebenspartners der Mieterin ihr rechtlich angelastet werden?

Nicht automatisch. Nur wenn der Partner im Namen der Mieterin handelte oder sie ihn beauftragt hat, kann sein Wissen oder Verhalten ihr zugerechnet werden. Allein eine Partnerschaft oder das gemeinsame Wohnen reicht dafür nicht aus.

Foto(s): Titelbild von wal_172619 auf Pixabay


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