BGH-Urteil zu Immobilienverkauf durch Betreuer: Risiken und rechtliche Fallstricke

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Immobilie Haus Spiegelung Fenster

Am 28. August 2024 entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem bemerkenswerten Fall (XII ZR 62/22), der für Immobilienbesitzer und Betreuer besonders interessant ist. Im Kern ging es um die Veräußerung einer Immobilie durch einen Betreuer und die Frage, ob dieser seine Sorgfaltspflichten verletzt hat. Das Urteil wirft wichtige Fragen für alle auf, die sich mit dem Kauf und Verkauf von Immobilien sowie der Rolle eines Betreuers beschäftigen. Für Immobilienrecht-Laien und Interessierte erläutere ich als Rechtsanwältin die wichtigsten Punkte des Falls und gebe wertvolle Tipps.

Der Fall im Detail

Die verstorbene Klägerin, vertreten durch ihren Erben, erhob Klage gegen ihren Enkel, der in der Zeit von 2015 bis 2017 als ihr Betreuer fungierte. Der Enkel hatte im Namen seiner Großmutter eine Immobilie für 120.000 Euro an eine Bekannte der Familie verkauft. Der Kläger warf ihm eine Pflichtverletzung vor, da der erzielte Kaufpreis seiner Meinung nach zu niedrig war und die damit verbundenen Kosten zu Unrecht der Verkäuferin auferlegt wurden.

Im Zuge der notariellen Beurkundung erklärte die Erblasserin zwar ausdrücklich ihre Genehmigung des Kaufvertrags, doch die Frage blieb, ob sie den vollen Umfang der wirtschaftlichen Folgen und den tatsächlichen Wert ihrer Immobilie kannte.

Beweiskraft von notariellen Urkunden: Was sagt das Gesetz?

Der BGH stellte klar, dass notarielle Urkunden gemäß § 415 ZPO den Beweis erbringen, dass die Erklärungen der Parteien so abgegeben wurden, wie sie dokumentiert sind. Allerdings erstreckt sich diese Beweiskraft nur auf die formale Richtigkeit der Erklärung, nicht auf deren inhaltliche Richtigkeit. Das Gericht betonte, dass es Aufgabe der Richter ist, im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu entscheiden, ob die inhaltlichen Erklärungen der Urkunde, wie der Kaufpreis oder die Besprechung der Wertermittlung, korrekt waren.

Fehler des Berufungsgerichts: Rechtliches Gehör verletzt

Ein zentraler Punkt des Urteils war die Feststellung, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt hatte. Der Kläger hatte argumentiert, dass die Erblasserin nicht ausreichend über die wirtschaftlichen Folgen des Verkaufs und die Unzulänglichkeiten der Wertermittlung durch einen Immobilienmakler informiert worden sei. Insbesondere wurde behauptet, dass der Wert des Stellplatzes nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Das Berufungsgericht hatte diese Vorbringen jedoch nicht ausreichend gewürdigt.

Praxistipps: Was bedeutet das für Immobilienverkäufe durch Betreuer?

  1. Sorgfaltspflichten des Betreuers: Ein Betreuer muss sicherstellen, dass eine Immobilie zum angemessenen Marktwert verkauft wird. Hierbei ist oft ein Verkehrswertgutachten eines vereidigten Sachverständigen notwendig, um den tatsächlichen Wert der Immobilie zu ermitteln. Eine bloße Stellungnahme eines Maklers reicht in der Regel nicht aus.

  2. Umfassende Aufklärung des Betreuten: Vor einer Veräußerung muss der Betreuer den Betreuten umfassend über die finanziellen Konsequenzen aufklären. Insbesondere müssen auch „versteckte“ Kosten wie die Grunderwerbsteuer oder Notarkosten, die üblicherweise der Käufer trägt, offen angesprochen werden.

  3. Nachweis der Aufklärung: In strittigen Fällen ist es ratsam, die Aufklärung des Betreuten durch Zeugen oder detaillierte Dokumentationen nachweisen zu können. Das Gericht wird im Streitfall genau prüfen, ob der Betreute inhaltlich ausreichend informiert wurde.

  4. Vermeidung von Interessenskonflikten: Wenn der Käufer aus dem Bekanntenkreis des Betreuers stammt, wie in diesem Fall, sollten besondere Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, um den Verdacht von Interessenskonflikten zu vermeiden.

Fazit

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, wie komplex und risikobehaftet Immobilienveräußerungen im Betreuungsverhältnis sein können. Für alle Beteiligten – Betreuer, Immobilienbesitzer und Käufer – ist es essenziell, sich rechtzeitig abzusichern und professionelle Beratung einzuholen. Notariell beurkundete Erklärungen sind nicht unantastbar und können im Nachhinein hinterfragt werden, insbesondere wenn die inhaltliche Aufklärung unzureichend war.

Haben Sie Fragen zum Verkauf von Immobilien oder zur Rolle des Betreuers?
Kontaktieren Sie mich gerne für eine unverbindliche Ersteinschätzung. Als erfahrene Rechtsanwältin im Grundstücks- und Immobilienrecht stehe ich Ihnen mit rechtlichem Rat zur Seite und helfe Ihnen, Risiken zu minimieren und rechtssicher zu handeln.

Foto(s): Titelbild von WERNER Rechtsanwälte, Konstanz


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