BGH: Vom Abgasskandal betroffene Fahrzeuge haben einen Sachmangel

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1. Am 22.02.2019 hat der BGH einen Hinweisbeschluss in einem Verfahren veröffentlicht. Gegenstand war ein Verfahren, in welchem der Kläger ein mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattetes Dieselfahrzeug zurückgeben wollte. Können Sie dies näher erläutern?

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs betrifft einen Rechtsstreit, der in erster Instanz vor dem Landgericht Bayreuth und in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Bamberg anhängig war. Der Kläger hatte von einem Händler einen VW Tiguan 2,0 TDI als Neufahrzeug erworben. Dieses Modell war mit dem Motor EA 189 von Volkswagen ausgestattet. In dem Fahrzeug war eine Abschalteinrichtung verbaut. Mithilfe dieser Einrichtung hat das Fahrzeug erkannt, dass es sich auf einem Abgasprüfstand befindet. Sodann wurde mittels der Motorelektronik die Abgasreinigungsanlage auf eine höhere Wirksamkeit als im normalen Straßenbetrieb eingestellt, um den Prüfern vorzutäuschen, dass das Fahrzeug die Abgaswerte einhält.

Der Kläger ging nur gegen den Händler und nicht gegen den Fahrzeughersteller vor. Der Kläger hatte das Fahrzeug von dem Händler erworben, die 2-jährige Gewährleistungsfrist war zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgelaufen. Daher hat sich der Kläger entschlossen, allein gegen den Händler zu klagen und Gewährleistungsansprüche geltend zu machen.

2. Welchen Vorteil bietet diese Vorgehensweise?

Gegenüber dem Händler können im Rahmen der Gewährleistung Nacherfüllungsansprüche geltend gemacht werden. Interessant ist dabei vor allem die Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache. Wenn der Kaufgegenstand bei der Übergabe mit einem Mangel behaftet ist, dann kann der Käufer vom Verkäufer grundsätzlich verlangen, dass dieser den Kaufgegenstand zurücknimmt und eine mangelfreie Sache liefert. Bei Geschäften zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ist dies deshalb besonders reizvoll, da der Käufer keinen Nutzungsersatz für die gefahrenen Kilometer leisten muss. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Fahrzeug gegen ein anderes Fahrzeug ausgetauscht werden kann. Dies ist im Regelfall nur bei Kauf eines Neufahrzeuges, nicht aber bei Kauf eines Gebrauchtwagens anzunehmen. Denn bei Gebrauchtfahrzeugen hat sich der Käufer in der Regel nach einer intensiven Besichtigung und gegebenenfalls einer Probefahrt genau für dieses eine Fahrzeug entschieden. Hier scheidet die Lieferung eines anderen, mangelfreien Wagens in der Regel aus.

3. Was ist dem Hinweisbeschluss des BGH hierzu zu entnehmen? 

Dem Beschluss lässt sich entnehmen, dass die Nachlieferung einer mangelfreien Sache jedenfalls nicht deshalb ausgeschlossen sein soll, weil das verkaufte Modell nicht mehr hergestellt wird. Daher kann der Verkäufer verpflichtet sein, vom Käufer das Vorgängermodell zurückzunehmen und diesem ein vergleichbares Fahrzeug der aktuellen Modellreihe zu liefern. 

4. Wie wichtig ist die Klärung dieser Rechtsfrage?

Die Klärung dieser Rechtsfrage ist durchaus wichtig, denn die meisten Land- und Oberlandesgerichte waren der Auffassung, dass die Nachlieferung einer mangelfreien Sache vom Händler nicht mehr verlangt werden kann, wenn das jeweilige Modell nicht mehr hergestellt wird, sondern bereits durch ein neues Modell ersetzt wurde. Für diejenigen Käufer, die ein Fahrzeug mit einem EA 189-Dieselmotor von Volkswagen gekauft haben, ist diese Entscheidung in den meisten Fällen allerdings nicht mehr relevant. Zumeist sind die Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Autohändler bereits verjährt. Es kommen dann nur noch deliktische Ansprüche in Betracht.

5. Welche Bedeutung hat der Beschluss für anhängige oder künftige Verfahren?

Der Beschluss ist von besonderer Wichtigkeit für bereits anhängige oder auch künftige Verfahren. Der Pressemitteilung lässt sich entnehmen, dass der Senat die von Volkswagen verwendete Abschalteinrichtung, die im Prüfstandsbetrieb in einen anderen Betriebsmodus wechselt, für unzulässig hält. Dies würde einen Sachmangel begründen. Damit ist auch klargestellt, dass die Käufer bei Abschluss des Kaufvertrages einen Schaden erlitten haben, denn diese haben für ihr Geld nicht das bekommen, was ihnen zugestanden hätte.

Zudem gibt der Bundesgerichtshof zu erkennen, dass die Typgenehmigung, die ja vom Kraftfahrtbundesamt nach Bekanntwerden des Abgasskandals nicht widerrufen wurde, der Geltendmachung von Ansprüchen nicht entgegensteht.

Ferner ist die Begründung des Sachmangels von besonderer praktischer Relevanz. Der BGH begründet den Sachmangel damit, dass die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde besteht. Hierbei handelt es sich im Kern um dieselbe Begründung, die für den deliktischen Schadensersatzanspruch relevant ist. Diese Argumentation lässt sich somit auf Klagen übertragen, die direkt gegen den Fahrzeughersteller gerichtet sind. Damit sind vier wichtige Streitpunkte nun höchstrichterlich geklärt.

Lassen Sie daher Ihre Ansprüche durch einen Rechtsanwalt prüfen.


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