BGH zu Informationspflichten im Wettbewerb: Verbraucher dürfen nicht durch wiederholende Kennzeichnung verwirrt werden

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Urteil des Bundesgerichtshofs: Informationspflichten im Wettbewerbsrecht - Verbraucher dürfen nicht durch wiederholende Kennzeichnung verwirrt werden

Datum: 13.03.2024

Lesedauer: 6 Minuten

Seit der Einführung des neuen Wettbewerbsrechts (UWG) im Dezember 2020 steht die Beschränkung von Abmahnungen durch Wettbewerber im Fokus. Insbesondere bei Verstößen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten gibt es nun klare Regelungen.

Gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG dürfen in solchen Fällen keine Abmahnkosten geltend gemacht werden, wobei Wettbewerber dennoch abmahnen können. Doch die Umsetzung dieser Regelungen stößt auf Kritik von Juristen und Gerichten, vor allem in Bezug auf die Sinnhaftigkeit von Unterlassungserklärungen ohne Vertragsstrafe. Das Instrument einer Selbstregulierung durch Wettbewerber ist zum zahnlosen Tiger verkommen. Aber:


Knuspermüsli II - Einblick in die veränderte Rechtsprechung

Ein aktuelleres Urteil des Bundesgerichtshofs, auch als "Knuspermüsli II" bekannt, bringt eine neue Perspektive:

Die Richter änderten ihre bisherige Rechtsprechung und stellten klar, dass Verletzungen der Informationspflichten im kommerziellen Verkehr nur unter § 5a UWG subsummiert werden.


Der Wortlaut des § 5a UWG:

§ 5a Irreführung durch Unterlassen (1) Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, 

1.die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und2.deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(2) Als Vorenthalten gilt auch 

1.das Verheimlichen wesentlicher Informationen,2.die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise sowie3.die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.

(3) Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen: 

1.räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie2.alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen.

(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.


Damit wird auf § 3a UWG nicht mehr zurückgegriffen. 


Das Urteil erging in einem Fall, in dem der Lebensmittelhersteller Dr. Oetker auf der Vorderseite einer Müsliverpackung alle gesetzlich erforderlichen Nährwertangaben wiederholte. Jedoch bezog sich die Wiederholung nur auf das zubereitete Müsli, nicht auf 100 Gramm des Produkts. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (vzbv) erhob Klage, da die Nährwertangaben hinsichtlich 100 Gramm auf der Vorderseite fehlten.


Verbraucherrecht im Fokus: Informationsverletzung nach § 5a UWG

Das Bundesgerichtshof entschied zugunsten der Verbraucherschützer und verurteilte den Müslihersteller zur Unterlassung der Praxis, Nährwertangaben auf der Vorderseite zu wiederholen, ohne sich auf 100 Gramm des Produkts zu beziehen.

Entgegen der bisherigen Rechtsprechung bemisst sich nun unlauteres Verhalten in Fällen der Informationsverletzung der Verbraucher in kommerzieller Kommunikation nur nach § 5a UWG. Diese Entscheidung basiert auf einer höheren Schutzstufe von § 5a UWG, der einen Schadensersatzanspruch gewährt, im Vergleich zu § 3a UWG, der nur mit dem Unterlassungsanspruch verbunden ist.


Fehlende Informationen auf Verpackungen können Verbraucher verwirren

Im konkreten Fall wurde festgestellt, dass den Verbrauchern auf der Vorderseite des Müslikartons entgegen § 5a UWG Nährwertangaben bezogen auf 100 Gramm des Produkts vorenthalten wurden. Dies stellt eine Verletzung der Informationspflicht dar, insbesondere nach den Vorgaben der Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV). Das Fehlen dieser Information wurde als erheblich betrachtet, da der Verbraucher durch zusätzliche Deklarationen auf der Vorderseite verwirrt werden könnte.


Ausblick und Expertenrat

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs verdeutlicht eine klare Ausrichtung auf den Verbraucherschutz und die verstärkte Berücksichtigung der Informationspflichten im Wettbewerbsrecht nach § 5a UWG. Unternehmen sollten ihre Kennzeichnungen entsprechend anpassen, um rechtlichen Konsequenzen vorzubeugen.

Für betroffene Unternehmen und Verbraucher stellt sich die Frage nach der adäquaten Reaktion. Bei Unsicherheiten ist eine rechtliche Beratung empfehlenswert, um vorformulierte Unterlassungserklärungen sorgfältig zu prüfen und keine voreiligen Entscheidungen zu treffen.

Als Experten für Gewerblichen Rechtsschutz steht die Kanzlei Rieck & Partner ihren Mandanten seit vielen Jahren zur Verfügung. Die langjährige Erfahrung ermöglicht eine umfassende Beratung und Bewertung der individuellen Situation. 

Wenden Sie sich bei allen Fragen Rund um das Thema Gewerblicher Rechtsschutz gerne direkt per Kontaktformular an uns oder schreiben Sie mir eine E-Mail an Oliver.Eiben@Rieck-Partner.de

Betroffene können sich bundesweit über die angegebenen Kontaktdaten unkompliziert mit mir in Verbindung setzen. 

Foto(s): Oliver Eiben


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