BGH zu Werken angewandter Kunst: kein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung mehr erforderlich

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Der Bundesgerichtshof hat mit heutigem Urteil vom 13. November 2013  I ZR 143/12 seine bisher vertretene Auffassung zum Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst aufgegeben. An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst sind grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens, so der BGH in seiner heutigen Presseerklärung. Es genügt, daher, dass sei eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen Leistung" zu sprechen. 

Bislang wurde für die Annahme einer Werkhöhe bei einem Werk der angewandten Kunst - anders als bei Werken der zweckfreien bildenden Kunst - ein strenger Maßstab angesetzt. Im Hinblick auf einen parallel möglichen Geschmacksmusterschutz sei für eine Urheberrechtsschutzfähigkeit ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung notwendig. Begründet wurde dies damit, dass für die weniger individuellen Erzeugnisse der Geschmacksmusterschutz (Designschutz) bereitstehe. Da sich bereits die geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung abheben müsse, sei für den Urheberrechtsschutz ein noch weiterer Abstand von der nicht schutzfähigen Gestaltung notwendig. 

An dieser Rechtsprechung hält der BGH nun nicht mehr fest. Seit der Reform des Geschmacksmusterrechts im Jahr 2004 wurde ein eigenständiges Schutzrecht ohne Bezug zum Urheberrecht geschaffen. Der Geschmacksmusterschutz setzt keine Gestaltungshöhe mehr voraus, sondern die Unterschiedlichkeit des Musters (die sog. Eigenart des Musters, die Neben der Neuheit vorliegen muss). Damit können Geschmacksmusterschutz und Urheberrecht parallel voneinander bestehen und schließen sich nicht gegenseitig aus, so der Bundesgerichtshof. 

Fazit

Aus gesetzessystematischer Sicht erscheint die Entscheidung des BGH konsequent. Der Geschmacksmusterschutz kann unabhängig von einem Urheberrechtsschutz bestehen, was vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Voraussetzungen sinnvoll ist.

Ob und inwieweit mit dem Wegfall des Tatbestandsmerkmals des „deutlichen Überragen der Durchschnittsgestaltung" für einen Urheberrechtsschutz bei Werken der angewandten Kunst hier in der gerichtlichen Entscheidungspraxis der Instanzgerichte die faktische Schwelle für einen Urheberrechtsschutz bei Werken der angewandten Kunst gesenkt wird, mit der Folge, dass hier Werke nunmehr schutzfähig sind, die bislang keinem Urheberrechtsschutz zugänglich waren, bleibt abzuwarten. Vor dem Hintergrund der häufig geringeren kreativen Gestaltungsmöglichkeiten bei vielen Werken der angewandten Kunst erscheint es nicht unbedingt einfacher festzustellen, ob ein Werk der angewandten Kunst als „künstlerische Leistung" anzusehen ist, oder nicht.

Größere Rechtssicherheit besteht nach der Entscheidung des BGH allerdings nicht, denn die Frage, ob ein Urheberrechtsschutz besteht oder nicht, bleibt letztlich einer ungewissen tatrichterlichen Einschätzung vorbehalten, genauso wir bei der Frage eines Geschmacksmusterschutzes, nur dass es dabei auf die „Neuheit" und „Eigenart" ankommt. 

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