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Bin ich freie Mitarbeiterin oder Arbeitnehmerin?

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Mit dieser Thematik befasst sich ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. August 2020.

BAG Urt. v. 25.8.2020 – 9 AZR 373/19

 

Über folgenden Sachverhalt hatte das Gericht zu entscheiden:

Die Klägerin arbeitet seit 1998 tageweise als Grafikdesignerin für eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts (Beklagte). Basis der Vertragsbeziehung ist ein freies Dienstverhältnis. Die Klägerin berechnet der Beklagten für ihre Dienste als freie Mitarbeiterin eine Tagesgage in Form von Honorarabrechnungen. Die Klägerin erbringt für unterschiedliche Sendungen Grafikleistungen beispielsweise für die Sendung „Landesschau aktuell“ oder „Marktcheck“. Die Beklagte erwartet, dass die Klägerin regelmäßig an Redaktionssitzungen teilnimmt. Sie trägt die Klägerin in die Dienstpläne ein. Die Klägerin vertritt die Auffassung, es besteht ein Arbeitsverhältnis, da sie in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingebunden ist und fachlich weisungsgebunden arbeitet. Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass es sich um ein Dienstverhältnis in Form einer freien Mitarbeit handelt. Sie beruft sich insoweit schwerpunktmäßig auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit. Insoweit ist sie der Meinung, dass es ihr freisteht, die Klägerin als freie Mitarbeiterin zu beschäftigen.

 

Das Gericht hat folgendes entschieden:

Das Gericht hat die erstinstanzlichen Entscheidungen bestätigt und entschieden, dass vorliegend ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Grundsätzlich haben die Rundfunkanstalten durch die Rundfunkfreiheit und das diesbezügliche Grundrecht eine große Gestaltungsfreiheit. Diese Gestaltungsfreiheit gilt allerdings nicht vorbehaltlos. Es findet insoweit immer eine einzelfallbezogene Abwägung statt zwischen der Rundfunkfreiheit auf der einen Seite und den Schutzvorschriften des Arbeitsrechts für Arbeitnehmer auf der anderen Seite. Insoweit unterscheidet das Gericht zwischen programmgestaltenden und nicht programmgestaltenden Mitarbeitern. Programmgestaltend sind die Mitarbeiter, die gestalterisch bei den Sendungen mitwirken und ihre eigenen Auffassungen zu Themen und Sachfragen vertreten. Zu den nicht programmgestaltenden Mitarbeitern gehört beispielsweise das Verwaltungspersonal oder das betriebstechnische Personal, die keinen inhaltlichen Einfluss auf die Sendungen haben. Programmgestaltende Mitarbeiter können leichter als freie Mitarbeiter eingeordnet werden als nicht programmgestaltende Mitarbeiter. Das Aufgabengebiet der Klägerin umfasst zwar auch programmgestaltende Elemente, diese sind jedoch nicht so wesentlich, dass sich hieraus die Beschäftigung in einem freien Mitarbeiterverhältnis rechtfertigen lässt. Da die Klägerin die von der Beklagten zu Verfügung gestellten technischen Gerätschaften nutzt und in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingebunden ist, hat das Gericht sie als Arbeitnehmerin eingeordnet. Es besteht somit im Ergebnis ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien und kein Dienstverhältnis.

 

Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass es immer sehr sorgfältig prüft, ob nicht Anhaltspunkte für ein Arbeitsverhältnis vorliegen. Die Gerichte haben bei der Prüfung des Arbeitnehmerstatus einen sehr weiten Beurteilungsspielraum. Maßgeblich ist immer eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls. Diese Gesamtwürdigung macht es beiden Parteien im Ergebnis schwer, einzuordnen, ob richtigerweise ein freies Mitarbeiterverhältnis angenommen worden ist oder es sich doch um ein Arbeitsverhältnis handelt. Wegen der sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen und der regelmäßigen diesbezüglichen Prüfungen der Sozialversicherungsträger sind die Auswirkungen (insbesondere Nachzahlung Sozialversicherung) gravierend. Obwohl die Rundfunkanstalten durch das Grundrecht der Rundfunkfreiheit unter einem besonderen Schutz stehen, wird auch bei ihnen der Arbeitnehmerstatus nach den oben geschilderten Kriterien geprüft. Insbesondere bei den Arbeitgebern, die diesen besonderen Schutz nicht haben, besteht in der Regel ein Restrisiko, dass die Gestaltung eines freien Mitarbeiterverhältnisses einer Prüfung eventuell nicht standhält. Dies gilt insbesondere, wenn der freie Mitarbeiter (m/w) in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingebunden ist.

 


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