Böse Überraschung: Viele Gesellschafter unterliegen keinem Wettbewerbsverbot!

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Von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann*

Ein häufiger Anlass für Gesellschafterkonflikte, sind (i.d.R.) verheimlichte Aktivitäten einzelner Mitglieder (m/w/d) für andere Unternehmen, die mit der Gesellschaft im Wettbewerb stehen.

Solche Aktivitäten sind aber entgegen der landläufigen Meinung nicht ausnahmslos verboten; im Gegenteil:

  • Aktionäre einer AG oder Gesellschafter einer GmbH, solange diese keinen steuernden Einfluss auf die Gesellschaft nehmen können und auch nicht aktiv für die Gesellschaft tätig sind, können in der Regel auch für Wettbewerber tätig werden. Vertragliche oder satzungsmäßige Beschränkungen, sofern diese entschädigungslos erfolgen, sind in i.d.R. unwirksam, wobei viele Einzelheiten umstritten sind.
  • Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG, GmbH & Co. KG) wie auch Partner einer Partnerschaftsgesellschaft (über § 6 Abs. 3 ParGG) unterliegen auch ohne vertragliche Vereinbarung einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot gem. § 112 HGB.
  • Geschäftsführer von GmbHs und Vorstände von AG unterliegen einer gesetzlichen Wettbewerbsverbot (§ 88 AktG) sowie erweiterten strengen Treuepflichten, die es Ihnen verbieten, Geschäftschancen jeglicher Art auf sich oder Dritte umzuleiten.

Dürfen Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in Wettbewerb zu ihrer Gesellschaft treten?

Mit dieser Frage hat sich das OLG München in zwei Entscheidungen jüngst beschäftigt und dabei festgestellt, dass Gesellschafter einer GbR unterliegen keinem Wettbewerbsverbot.

Vielmehr könnte reine Konkurrenztätigkeit somit nicht untersagt werden, sondern ist bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts zu akzeptieren.

Erst wenn sich eine potenzielle Geschäftsbeziehung zwischen dem Kunden und der eigenen Gesellschaft so angenähert hat, dass diese der Gesellschaft zugeordnet werden, ist den Gesellschaftern der Gesellschaft verboten, diesen Kontakt von der Gesellschaft weg auf Dritte überzuleiten. Die Abgrenzung ist schwierig und bedarf in jedem Fall der genauen Dokumentation. Verboten dürfte es auf jeden Fall sein, wenn bereits Vertragsverhandlungen mit einem Kunden geführt werden. In diesem Fall werden die realisierbaren Geschäftschancen der Gesellschaft eingegriffen.

Hingegen scheint das Gericht (zu Unrecht) davon auszugehen, dass umfangreichere Werbung um Kunden sowie Gespräche im Rahmen einer reinen Vertragsanbahnung von vornherein nicht durch ein gesellschaftsrechtsimmanentes Wettbewerbsverbot geschützt sind. Die Weiterleitung von Kontakten, oder auch reine Tipps (z. B. Weitergabe von potenziellen Verkäufern einer Immobilen durch einen Maklergesellschafter an eine dritte Gesellschaft, mit denen noch kein konkretes Bewerbungsgespräch stattgefunden hat) stellen danach keinen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht dar. Unter Umständen können aber Geheimhaltungspflichten verletzt worden sein.

Wie können sich Unternehmen vor Wettbewerbsverstößen künftig absichern?

Die Entscheidung macht schmerzlich deutlich, dass Gesellschafter einer GbR ihre Rechte und Pflichten dringend in einem schriftlichen Gesellschaftervertrag regeln sollten. Fehlt eine solche Regelung, kann man versuchen zu argumentieren, dass die GbR in Wahrheit eine Personenhandelsgesellschaft gem. § 105 HGB sei, für die dann § 112 HGB direkt gelte. Das OLG München setzt hier aber hohe Anforderungen und verlangt einen Umsatz von mindestens 250.000,00 EUR und auch weitere starke Indizien für das Vorliegen eines größeren Gewerbehandels.

Wer ist von dem Urteil besonders betroffen:

  • die meisten Kleingewerbetreibende,
  • viele Internetshops,
  • Makler- und Immobiliengesellschaften,
  • Media-, Werbe- und Onlineagenturen ohne festes Personal,
  • Unternehmensberatungen,
  • Freiberuflergesellschaften, die sich nicht zu einer Partnerschaftsgesellschaft (PartG) zusammengeschlossen haben, ist dieser Weg von vornherein verbaut.

Wettbewerbsklagen müssen daher in Zukunft noch besser vorbereitet und dokumentiert werden. Wer sich und seine Kunden von Anfang an schützen will, sollte saubere vertragliche Regelungen (zu Kundenschutz, Geheimhaltung, Datenschutz und Datensicherheit, Gesellschafterpflichten etc.) im Vorfeld vereinbaren, sonst erlebt er möglicherweise eine böse Überraschung.

OLG München, Urteil vom 19.1.2022 – 7 U 2659/20 sowie Urt. v. 19.1.2022 – Aktenzeichen 7U325020 7 U 3250/20,

*Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann ist Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz, zertifizierter Wirtschaftsmediator (IHK) und systemischer Business Coach (IHK). Er beräts seit über 20 Jahren rund um Wettbewerbsverbote und Gesellschafterkonflikte.

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