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Brustkrebs: Arzthaftung für fehlende Vorsorgeuntersuchungen?

  • 3 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion
Die Diagnose Brustkrebs ist ein Schock. Umso schlimmer, wenn sich herausstellt, dass die Krankheit früher erkannt und behandelt hätte werden können. Aus diesem Grund gehören verschiedene Vorsorgeuntersuchungen längst zum Standard. Aber wer ist verantwortlich, wenn diese in möglicherweise nicht ausreichendem Umfang durchgeführt werden? Mit zwei solcher Fälle hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm dieses Jahr beschäftigt - und kam zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Verschiedene Untersuchungen zur Vorsorge

Im ersten Fall bekam die Klägerin am Ende 20.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Daneben erhielt sie einen sogenannten Haushaltsführungsschaden ersetzt. Nach dem Urteil hat der Arzt einen groben Behandlungsfehler begangen, indem er trotz des erhöhten Risikos nicht früher zu einer erneuten Mammografie geraten hat.

Bereits seit den Achtzigerjahren war die Betroffene bei ihrem Frauenarzt in Behandlung. Der nahm jährliche Brustkrebsvorsorgeuntersuchungen durch klinisches Abtasten und per Ultraschall vor. Zusätzlich schickte er seine Patientin im Jahr 2001 zu einer Mammografie. Damals wurde noch keine Erkrankung festgestellt. In den Folgejahren beließ der Mediziner es wieder bei seiner klinischen Untersuchung mit der Unterstützung durch Ultraschall.

Bei dem auf Rat des Arztes erst 2010 erneut durchgeführten Mammografiescreening wurde schließlich Brustkrebs diagnostiziert. Im Rahmen der operativen Behandlung mussten der Frau neben dem Tumor unter anderem auch befallene Lymphknoten entfernt werden. Außerdem wurde es für die Patientin notwendig, sich einer Strahlen- und Chemotherapie zu unterziehen.

Grober Behandlungsfehler des Arztes

Wäre die Krankheit zu einem früheren Zeitpunkt festgestellt worden, wäre die Behandlung weniger aufwendig, weniger belastend und mit besseren Heilungschancen verbunden gewesen. Das jedenfalls sagte der Sachverständige im Prozess aus.

Der Arzt hätte seiner Patientin daher früher zu einer erneuten Mammografie raten müssen. Das galt umso mehr, nachdem der Patientin ab dem Jahr 2000 ein Medikament verordnet wurde, das zumindest im Verdacht steht, das Krebsrisiko zu erhöhen. Auch über diese Tatsache hatte er nicht aufgeklärt.

Nach Ansicht des 3. Senates liegt hier ein grober Behandlungsfehler des Arztes vor. Schließlich hat sich die Patientin in jeder Hinsicht vorbildlich verhalten und alle empfohlenen Vorsorgetermine regelmäßig wahrgenommen. Es kam ihr also gerade auf die Minimierung des Brustkrebsrisikos an. Das hätte auch der Arzt in diesem Fall erkennen und entsprechend handeln müssen.

Schadenersatz und Schmerzensgeld

Nach den Feststellungen des Gutachters wäre die Krebserkrankung spätestens 2008 diagnostizierbar gewesen. Dass auch bei damaliger Entdeckung die gleichen schwerwiegenden Folgen eingetreten wären, konnte der behandelnde Arzt dagegen nicht beweisen.

Demnach hat er die schweren Folgen der Krankheit sowie die Notwendigkeit von Strahlen- und Chemotherapie zumindest mitzuverantworten. Dafür sprach das Gericht der Patientin das Schmerzensgeld zu. Außerdem muss der Arzt die Kosten der Haushaltshilfe übernehmen. Denn aufgrund der belastenden Behandlung konnte sich die Erkrankte jedenfalls vorübergehend nicht selbst um ihren Haushalt kümmern.

Krankheit allein führt nicht zur Arzthaftung

Anders dagegen entschied der 26. Senat des OLG im zweiten Fall: Hier ging die Betroffene beim beklagten Arzt ab Mitte 2006 regelmäßig zur Krebsfrüherkennung. Im Jahr 2007 wurden zwei Untersuchungen durchgeführt, unter anderem mit einem Ultraschallgerät mit Sektorschallkopf. Nachdem der Beklagte erst bei einer weiteren Untersuchung im März 2008 eine Verhärtung in der Brust ertasten konnte, überwies er die Klägerin zur Mammografie. Hier wurde das Karzinom schließlich entdeckt. Es folgten auch in diesem Fall umfangreiche Behandlungen.

Die gegen den Arzt gerichtete Klage auf Schadenersatz in Form von Schmerzensgeld und einer monatlichen Rente wurde hier vom Amtsgericht abgewiesen. Das OLG bestätigte die Entscheidung. Dass der Arzt das Karzinom bereits früher hätte erkennen müssen, konnte nicht bewiesen werden. Außerdem steht nicht fest, dass bei einer Entdeckung schon im Jahr 2007 die Beeinträchtigungen und Belastungen für die Patientin geringer gewesen wären.

Beweislastumkehr nur bei erhöhtem Risiko

Nach Ansicht des 26. Senates stehen die beiden Entscheidungen nicht im Widerspruch. Im ersten Fall bestand wegen der Medikamentengabe ein erhöhtes Risiko. Das hat zu einer Beweislastumkehr geführt. Danach hätte der Arzt beweisen müssen, dass bei einer früheren Entdeckung die gleichen schweren Folgen eingetreten wären. Im zweiten Fall blieb es bei der normalen Verteilung der Beweislast. Danach musste die Klägerin ihre Ansprüche beweisen. Die konnte hier das Gericht nicht überzeugen, dass die schweren Folgen erst aufgrund eines Fehlers des Beklagten entstanden waren.

(OLG Hamm, Urteile v. 12.08.2013, Az.: 3 U 57/13 und v. 17.09.2013, Az.: 26 U 88/12)

(ADS)

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