Bußgeldbehörden müssen Reparaturnachweise für Messgerät aufbewahren und dem Verteidiger herausgeben

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Die Bußgeldbehörden sind nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG als Verwenderin von Messgeräten verpflichtet, Wartungs- und Reparaturnachweise für Geschwindigkeitsmessgeräte aufzubewahren (z. B. in Form einer sog. „Lebensakte“).

Der Begriff des Verwendens eines Messgeräts wird in § 3 Nr. 22 MessEG legal definiert. Verwenden ist demnach

„das erforderliche Betreiben oder Bereithalten eines Messgeräts zur Bestimmung von Messwerten

  1. im geschäftlichen oder amtlichen Verkehr oder
  2. bei Messungen im öffentlichen Interesse;

bereitgehalten wird ein Messgerät, wenn es ohne besondere Vorbereitung für die genannten Zwecke in Betrieb genommen werden kann und ein Betrieb zu diesen Zwecken nach Lage der Umstände zu erwarten ist (...).“

Die Frage des Betreibens ist im Lichte der konkreten Benutzung – des Gebrauchs – des Messgeräts zu sehen. Bei der Betrachtung des Betreiberbegriffs ist die Grenze der Auslegung eines Gesetzes in dem aus Sicht des Bürgers möglichen Wortsinn zu finden (LG Stuttgart, Beschluss vom 26.09.2014 – 4 Ss 543/14, juris; Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 3 Rn. 6 m.w.N.; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 1 Rn. 24). Eine lexikalische Betrachtung des Begriffs „Verwenden“ im juristischen Verständnis meint im Wortsinn zunächst „jeden Gebrauch“ (vgl. BGH, Urteil vom 29.05.1970 – 3 StR 2/70 I, juris (zu § 86a StGB); KG Berlin, Urteil vom 16.03.1999 – (5) 1 Ss 7/98 (8/98), juris (zu § 86a StGB); OLG München, Beschluss vom 07.08.2006 – 4 St RR 142/06, NStZ 07, 97,juris (zu § 86a StGB)). Gebrauchen bedeutet demnach ein „Benutzen“, z. B. i.S.d. § 267 Abs. 1 StGB: vorlegen, übergeben, hinterlegen, der Wahrnehmung zugänglich machen etc. (BGH, Urteil vom 21.12.1988 – 2 StR 613/88; juris; Fischer, Kommentar zum StGB, 59. Aufl., 2012, § 267, Rn 36 m.w.N.).

Die Bußgeldbehörde gebraucht hier die Messgeräte zur Geschwindigkeitsmessung und ist damit als Verwenderin i.S.d. MessEG anzusehen, sodass sie die genannten Aufbewahrungspflichten trifft.

Damit ist die Bußgeldbehörde verpflichtet, die in § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEg genannten Unterlagen aufzubewahren (vgl. beigefügte Stellungnahme des LBME NRW).

Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers erstreckt sich dabei auch auf die Reparatur- und Wartungshistorie des verwendeten Messegeräts (AG Castrop-Rauxel, Beschluss vom 15.07.2016 – 6 OWi 62/16; AG Neunkirchen, Beschluss vom 05.09.2016 – 19 OWi 531/15; OLG Naumburg, Beschluss vom 09.12.2015 – 2 Ws 221/15; AG Dortmund, Beschluss vom 02.09.2014 – 736 OWi 147/13; AG Menden, Beschluss vom 17.04.2013 – 8 OWi 44/13 (b); AG Hagen, Beschluss vom. 28.6.2012 – 97 OWi 5/12 [b]; AG Ellwangen, Beschluss vom 25.10.2010 – 5 OWi 146/10; AG Erfurt, Beschluss vom 25.03.2010 – 64 OWi 624/10; AG Bamberg a.a.O. Rn. 5; AG Bergisch-Gladbach, Beschluss vom 5.3.2014 – 48 OWi 207/14 (b)).

Das Akteneinsichtsrecht umfasst grundsätzlich auch amtlich verwahrte Beweisstücke und zwar i.d.R. durch Herstellung einer amtlich gefertigten Kopie.

Die Mehrheit der Bußgeldbehörden dürften derzeit (noch) keine „Lebensakten“ für die Messgeräte führen und auch Reparatur- und Wartungsbelege nur sporadisch – wenn überhaupt – sammeln. Dieses Verhalten der Bußgeldbehörden ist eine Ordnungswidrigkeit nach dem MessEG. Dies eröffnet Angriffswege für den Verteidiger in Bußgeldverfahren, denn es erscheint doch merkwürdig, ein ordnungswidriges und bußgeldbewehrtes (!) Verhalten der Bußgeldbehörden im Rahmen eines Bußgeldverfahrens gegen einen Betroffenen hinzunehmen.

Folgerichtig hat das AG Castrop-Rauxel ein Bußgeldverfahren eingestellt, weil die Bußgeldbehörde keine ausreichenden Nachweise vorgelegt hat (AG Castrop-Rauxel, Beschluss vom 15.07.2016 – 6 OWi 62/16).



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