Chancen für schwerbehinderte Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber

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Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben es schwer. Um das zu wissen, muß man nicht irgendeine Statistik bemühen, das sagt schon das "Bauchgefühl". Zu den gesundheitlichen Problemen kommen noch Vorurteile der Vorgesetzten und Kollegen. Häufig ist das kein böser Wille, sondern Unkenntnis. Arbeitgeber befürchten Hürden und Verpflichtungen, schwerbehinderte Arbeitnehmer kennen ihre Rechte nicht. Zeit, damit aufzuräumen:

Klischee 1: Schwerbehinderte Beschäftigte sind nicht so leistungsfähig und belastbar wie ihre nicht behinderten Kollegen.

Entscheidend ist, ob sich eine Behinderung auf den konkreten Arbeitsplatz auswirkt. Viele körperbehinderte Beschäftigte sind z. B. psychisch nicht beeinträchtigt. Erforderlich ist ein behindertengerecht ausgestatteter Arbeitsplatz. Hierfür gibt es finanzielle Förderung, Seminare, Schulungen und ganz konkrete Hilfestellungen vor Ort durch die zuständige Behörde; im Rheinland ist das z. B. das Inklusionsamt des LVR. Ebenfalls haben Sie Anspruch auf spezielle Hilfsmittel, das reicht von der PC-Maus über Hörgeräte und Lichttherapiegeräte bis hin zu Teleskopradladern!

Klischee 2: Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung sind in der Regel unmotiviert.

Viele behinderte Arbeitnehmer sind besonders engagiert und motiviert. Mit Arbeit verdienen sie nicht nur ihren Lebensunterhalt, sondern sie erfahren auch gesellschaftliche Anerkennung.

Klischee 3: Schwerbehinderte Arbeitnehmer sind oftmals unqualifiziert.

Stimmt nicht: In 2018 hatten 58 % der schwerbehinderten Beschäftigten einen Berufs- oder Hochschulabschluß, Nichtbehinderte nur zu 47 %. Trotzdem dauert es rund 100 Tage länger bis Behinderte einen Job finden. Nur ca. drei Prozent aller Behinderungen sind angeboren. Der überwiegende Teil der Behinderungen kommt erst im Laufe eines Berufslebens hinzu. Behinderte Arbeitnehmer haben also gelernt, sich auf eine neue Lebenssituation einzustellen. Sie sind somit flexibel und halten sich beruflich fit. Falls das einmal nicht ausreicht, kann die zusätzliche Qualifikation zum Beispiel mit Unterstützung des Integrationsamtes in Seminaren etc. erworben werden.

Klischee 4: Schwerbehinderte Arbeitnehmer können im Betrieb nicht überall eingesetzt werden.

Welcher Arbeitnehmer kann das schon? Alle Beschäftigten sind nur entsprechend ihrer beruflichen Qualifikation und gesundheitlichen Leistungsfähigkeit einsetzbar.

Klischee 5: Beschäftigte mit Behinderung sind häufiger krank.

Stimmt in der Praxis nicht. Und sollte das im Einzelfall anders sein, ist evtl. der Arbeitsplatz nicht behinderungsgerecht ausgestattet.

Klischee 6: Der typische Behinderte ist Rollstuhlfahrer.

Das ist ein Klischee. Die häufigste Behinderungsart ist eine Funktionsbeeinträchtigung der inneren Organe (25 % der Behinderungen).

Klischee 7: Schwerbehinderte Menschen sind unkündbar.

Schwerbehinderten Arbeitnehmer sind schwerer kündbar als nicht behinderte, aber unmöglich ist es nicht; nur muß das Integrationsamt zustimmen. Ein Zusammenhang zwischen Schwerbehinderung und Kündigung soll ausgeschlossen werden. Bei Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen ist das nicht der Fall, hier wird die Zustimmung meist erteilt.

Im Übrigen kann vor Ablauf der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis eines behinderten Arbeitnehmers ganz "normal" beendet werden

Hier bemühe ich doch einmal die Statistik der Kündigungsverfahren schwerbehinderter Arbeitnehmer in 2018

Erhalt des Arbeitsplatzes = rund 4.600 Arbeitsplätze.

Verlust des Arbeitsplatzes = rund 16.300 Arbeitsplätze.

Mein Appell an schwerbehinderte Arbeitnehmer: Verstecken Sie sich nicht! Sie sind jemand, Sie können etwas. Suchen Sie den Kontakt zu Behörden, lassen Sie sich helfen.

Das gilt auch für Arbeitgeber: Einen schwerbehinderten Arbeitnehmer einzustellen ist kein Hexenwerk. Vielleicht ist es unbekanntes Terrain, aber das muß nicht so bleiben. Können Sie es sich wirklich leisten, in Zeiten des Fachkräftemangels solches Potenzial ungenutzt beiseite zu schieben und lieber eine Ausgleichsabgabe zu zahlen? Keiner erwartet von Ihnen, daß alles auf Anhieb perfekt ist. Überall gibt es Hilfestellungen, ob nun technisch, finanziell, beratend.

Für alle gilt gleichermaßen: Alle zuständigen Behörden (Arbeitsagentur, Integrationsamt, Rehaträger, SGB II Träger) sind zur Information, Beratung und ggfs. Weiterleitung von Anträgen verpflichtet. Ein "Wir sind nicht zuständig!" kann und darf es nicht geben! Sie haben das schon oft gehört? Kontaktieren Sie mich, ich setze mich ein.



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