Corona, Pkw, Haushalt, Personenanzahl, wo darf ich mich mit vielen Personen aufhalten? Ist der Pkw öffentlicher Raum?!

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Sehr verehrte Ratsuchenden,

ein Grundpfeiler unserer Demokratie ist die Gewaltenteilung.

Bestes Beispiel für deren Funktionsweise und -tüchtigkeit unserer Gewaltenteilung sind und waren die landesspezifischen Corona-Schutz-Verordnungen im Hinblick auf Kontaktbeschränkungen. Wenn der Staat in Grundrechte eingreift, hat der Gesetz- und Verordnungsgeber immer mehrere Voraussetzungen einzuhalten, so z.B. den Bestimmtheitsgrundsatz.

Dazu hat beispielsweise das Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 11.12.2020 - 2 Ss (OWi) 286/20, entschieden:

„Ein Verstoß gegen § 1 der Nds. Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus in der Fassung vom 24.4.2020: „Jede Person hat physische Kontakte zu anderen Menschen, die nicht zu den Angehörigen des eigenen Hausstandes gehören, auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren“, kann mangels Bestimmtheit der Norm nicht mit einem Bußgeld sanktioniert werden.“

Aber:

„Soweit die Staatsanwaltschaft Osnabrück zur Begründung ihrer Rechtsbeschwerde ausführt, Kontaktverbote als solche seien nicht verfassungswidrig und § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG (i.V.m. § 32 IfSG) böte eine ausreichende Rechtsgrundlage, teilt der Senat diese Auffassung ausdrücklich. Lediglich die zu unbestimmte Fassung des Bußgeldtatbestandes rechtfertigt deshalb den erfolgten Freispruch.

Zudem weist der Senat darauf hin, dass in dem Verhalten des Betroffenen ein Höchstmaß sozialer Rücksichtslosigkeit zum Ausdruck kommt, das geeignet ist, Mitmenschen schweren Schaden zuzufügen, und verachtenswert ist. Eine ungebremste Erkrankungswelle bot -und bietet auch heute noch die Gefahr, dass es zu schweren -und, wie sich jetzt zeigt, in zunehmendem Maße tödlichen Krankheitsverläufen kommt und das Gesundheitsversorgungssystem in Deutschland an seine Kapazitätsgrenzen gerät. Dieser Gefahr konnte -und kann auch jetzt noch nur dadurch begegnet werden, die Verbreitung der Erkrankung so gut wie möglich zu verlangsamen. Hierzu dient insbesondere auch die Schaffung sozialer Distanz. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn der Staat geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen ergreift, auch wenn diese in die Grundrechte der Bürger eingreifen.“

Das OLG hat gekonnt aufgezeigt, dass Recht und Gesetz gelten, aber auch ein paar warme Worte mit auf den Weg gegeben.

Inzwischen liegen wieder neue Fassungen der Corona-Verordnungen vor. Diese sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.

Eine Frage, die uns immer wieder bei Beratungen gestellt wird, ist die Frage danach, wie vielen Personen sich in einem privaten Pkw aufhalten dürfen.

Die Antwort ist identisch zu der Anzahl an Personen, die sich in einer privaten Wohnung treffen dürfen.

Inzwischen ist diese Anzahl wiederum abhängig vom sog. Inzidenzwert.

Ist es also zulässig, dass sich 5 Personen aus drei Haushalten treffen dürfen, dann dürfen diese auch gemeinsam in einem privaten Pkw sitzen, und gemeinsam ein- und aussteigen.

Denn, wie inzwischen mehrere Amtsgerichte zutreffend festgestellt haben, gilt ein privater Pkw nicht als öffentlicher Raum. Den Strafrechtlern unter uns war das schon klar, denn für die Durchsuchung eines Pkw wird ein Durchsuchungsbeschluss benötigt, was nicht erforderlich wäre, wenn es sich bei einem privaten Pkw um öffentlichen Raum handeln würde.

Hier nun die zutreffenden Ausführungen der Gerichte:

AG Stuttgart, Beschl. v. 08.09.2020 – 4 OWi 177 Js 68534/20

„c) Der gemeinsame Aufenthalt von fünf Personen in einem Privat-Pkw stellt aber keinen Aufenthalt im öffentlichen Raum dar.

aa) Öffentlicher Raum im Sinne der Corona-VO sind der öffentliche Verkehrsraum i.S.v. § 2 LBO, öffentliche Verkehrsmittel (Bahn, Bus, Taxi) oder öffentliche Gebäude soweit sie öffentlich zugänglich sind, nicht aber private Wohnräume oder andere vom öffentlichen Raum klar abgegrenzte Bereiche (privater Garten, Terrasse o.a.).

bb) Ein Privatfahrzeug wie der in diesem Fall genutzte Pkw ist nicht dem öffentlichen Raum zuzuordnen, denn es ist im Gegensatz zu einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht öffentlich zugänglich. Über den Zugang zu einem Privat-Pkw bestimmen nach dessen Nutzungszweck wie auch nach der Verkehrsanschauung ausschließlich der Pkw-Halter und / oder der Pkw-Führer.“

AG Reutlingen, Beschl. 9.12.2020 – 4 OWi 23 Js 16246/20

„Der vorgeworfene Sachverhalt stellt wohl keinen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 Corona-VO dar. Der gemeinsame Aufenthalt von fünf Personen in einem Privat-Pkw stellt aber keinen Aufenthalt im öffentlichen Raum dar. Öffentlicher Raum im Sinne der Corona-VO sind der öffentliche Verkehrsraum i.S.v. § 2 LBO, öffentliche Verkehrsmittel (Bahn, Bus, Taxi) oder öffentliche Gebäude soweit sie öffentlich zugänglich sind, nicht aber private Wohnräume oder andere vom öffentlichen Raum klar abgegrenzte Bereiche (privater Garten, Terrasse o.a.). Ein Privatfahrzeug wie der in diesem Fall genutzte Pkw ist nicht dem öffentlichen Raum zuzuordnen, denn es ist im Gegensatz zu einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht öffentlich zugänglich.“ (Volltext ist hier nachlesbar: https://www.burhoff.de/asp_weitere_beschluesse/inhalte/5982.htm)

           

In Baden-Württemberg durften sich zum „Tatzeitpunkt“ der beiden Verfahren 5 Personen aus verschiedenen Haushalten gemeinsam im privaten Bereich treffen.

AG Salzgitter, Urt. v. 14.12.2020 - 11a OWi 123 Js 40670/20

„Der gemeinsame Aufenthalt von 3 Personen in einem Privat-Pkw stellt nämlich keinen Aufenthalt im öffentlichen Raum dar.

Als öffentlicher Raum (auch öffentlicher Bereich) wird jene räumliche Konstellation bezeichnet, die aus einer öffentlichen Verkehrs- oder Grünfläche und den angrenzenden privaten oder öffentlichen Gebäuden gebildet wird. Das Zusammenwirken dieser Elemente bestimmt den Charakter und die Qualität des öffentlichen Raumes. Voraussetzung ist, dass die Fläche einer Gemeinde oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gehört und der Öffentlichkeit frei zugänglich ist, von der Gemeinde bewirtschaftet und unterhalten wird. Im Allgemeinen fallen öffentliche Verkehrsflächen für Fußgänger. Fahrrad- und Kraftfahrzeugverkehr. aber auch Parkanlagen und Platzanlagen darunter.“

In NRW gilt derzeit die Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2(Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) mit Stand vom 12.05.2021.

https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/210512_coronaschvo_ab_15.05.2021_lesefassung_mit_markierungen.pdf

Nach § 2 Kontaktbeschränkung, Mindestabstand darf der Mindestabstand in den folgenden Fällen unterschritten werden:

1a. beim Zusammentreffen von Personen eines Hausstandes mit höchstens einer Person aus einem anderen Hausstand, wobei Kinder bis zu einem Alter von einschließlich 14 Jahren bei der Berechnung der Personenzahl nicht mitgezählt werden,

1b. beim Zusammentreffen von Personen eines Hausstandes mit mehreren Personen aus einem anderen Hausstand bis zu einer Gesamtzahl von höchstens fünf Personen, wobei Kinder bis zu einem Alter von einschließlich 14 Jahren bei der Berechnung der Personenzahl nicht mitgezählt werden und Paare unabhängig von den Wohnverhältnissen lediglich als ein Hausstand gelten,

1c. in Kreisen oder kreisfreien Städten, in denen die 7-Tage-Inzidenz stabil unter dem Wert von 50 im Sinne von § 1 Absatz 2a liegt, beim Zusammentreffen von höchstens zehn Personen aus höchstens drei Haushalten, wobei Kinder bis zu einem Alter von einschließlich 14 Jahren bei der Berechnung der Personenzahl nicht mitgezählt werden und Paare unabhängig von den Wohnverhältnissen lediglich als ein Hausstand gelten

Diese Werte gelten auch für den gemeinsamen Aufenthalt in einem privaten Pkw.

Ob es aus Gesichtspunkten der Pandemie-Bekämpfung sinnvoll ist, sich mit dieser Personenanzahl aus unterschiedlichen Haushalten in einem Pkw aufzuhalten, wird unsererseits nicht bewertet und sollte jede Person für sich selbst entscheiden. Rechtlich zulässig ist es jedenfalls.

Für Köln bedeutet das bei einer Inzidenz von über 50, dass sich maximal 5 Personen aus maximal 2 Haushalten, ohne Berücksichtigung von Kindern bis einschließlich 14 Jahre, in einem privaten Pkw aufhalten dürfen.

Für die Urlaubsplanung mit der Großfamilie sollten Sie sich ebenfalls vorher erkundigen, mit vielen Personen Sie sich gemeinsam in einem Pkw durch welches Bundesland bewegen dürfen.


Sollten Sie Fragen haben, in eine solche Situation geraten sein oder sogar schon einen Bußgeldbescheid erhalten haben, so stehen wir Ihnen natürlich gerne zur Verfügung.

0221 252123

michelske@michelske.de

Ihr

Marc Michelske

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Verkehrsrecht

ADAC Vertragsanwalt



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