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Darf die Bank einen Erbschein verlangen?

  • 2 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

[image]Die Klausel, wonach eine Bank zum Nachweis der Erbenstellung stets und damit ohne Einschränkung die Vorlage eines Erbscheins verlangen kann, ist unwirksam.

Banken haben oft das Problem, dass ein „angeblicher" Erbe erscheint und das Guthaben des Erblassers abheben möchte. Zahlen sie das Geld dann etwa an einen Scheinerben aus, ohne die Erbenstellung vorher überprüft zu haben, werden sie nicht von der Zahlungspflicht gegenüber dem wahren Erben frei. Viele Kreditinstitute verlangen daher in ihren AGB (allgemeinen Geschäftsbedingungen), dass die Erbenstellung durch Vorlage eines Erbscheins nachgewiesen wird. Doch ist das rechtlich zulässig?

Pflicht zur Erbscheinvorlage?

Eine Bank verwendete Klauseln in ihren AGB, wonach der angebliche Erbe seine Berechtigung zwingend mit einem Erbschein bzw. Testamentsvollstreckungszeugnis oder einer ähnlichen gerichtlichen Urkunde nachweisen musste. Wurde der Bank eine Ausfertigung bzw. eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag vorgelegt, konnte sie laut einer weiteren Bestimmung in ihren AGB aber auch auf die Vorlage des Erbscheins verzichten. Ein Verbraucherschutzverband hielt die beiden Klauseln für unwirksam und zog vor Gericht.

Klauseln sind unwirksam

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm durfte das Kreditinstitut die Klauseln nicht verwenden, da sie den Bankkunden unangemessen benachteiligen, § 307 I 1, II Nr. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Schließlich muss ein Erbe nach deutschem Recht nicht zwingend einen Erbschein vorlegen, um so sein Erbrecht nachzuweisen.

Von diesem Grundsatz weichen die Klauseln erheblich ab, da die Bank nur leisten will, wenn der angebliche Erbe einen Erbschein vorlegt - und zwar selbst dann, wenn z. B. das Erbrecht gar nicht zweifelhaft oder das Guthaben auf dem Konto sehr gering ist und damit den Stress und die Kosten der Beantragung eines Erbscheins nicht rechtfertigt. Oft kann das Erbrecht auch anders - etwa durch Vorlage eines öffentlichen Testaments - nachgewiesen werden. Liegen andererseits konkrete Zweifel an dem Erbrecht vor, darf die Bank ohnehin einen Erbschein oder ein Testamentsvollstreckungszeugnis verlangen, um nicht Gefahr zu laufen, an einen Scheinerben zu zahlen. Zwar kann die Bank laut der zweiten Klausel auch auf die Erbscheinvorlage verzichten, doch der Durchschnittskunde gewinnt beim Lesen der AGB den Eindruck, dass die Bank willkürlich darüber entscheiden kann, falls etwa ein Erbvertrag vorgelegt wird. Beide Klauseln waren daher unwirksam.

(OLG Hamm, Urteil v. 01.10.2012, Az.: I-31 U 55/12)

(VOI)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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