Das Jugendstrafverfahren - Was ist zu tun, wenn Jugendliche Post von der Polizei erhalten?

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Man könnte meinen, dass ein Strafverfahren gleich abläuft, egal ob es gegen Erwachsene oder Jugendliche geführt wird. Doch weit gefehlt. Denn sind Jugendliche oder Heranwachsende Beschuldigte in einem Strafverfahren, findet Jugendstrafrecht Anwendung. Hier gelten andere Sanktionen als im Erwachsenenstrafrecht und einige Besonderheiten, die es für eine effektive Verteidigung zu kennen gilt.

Der wichtigste Unterschied zum Erwachsenenstrafrecht: Die Rechtsfolgen

Im Jugendstrafrecht gelten die Strafrahmen des Erwachsenenstrafrechts nicht. Es steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund, der sich für Jugendliche (14-18 Jahre) und Heranwachsende (18 bis 21 Jahre) in der Praxis positiv auswirkt.

Als Beispiel: Ein jugendtypisches Delikt ist das „Abziehen“ anderer Jugendlicher, also ein Raub, nicht selten mit Messern. Einem Erwachsenen würde bei einem Raub mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe drohen, beim Einsatz eines Messers sogar fünf Jahre. Gegen einen Jugendlichen muss nicht zwingend eine Jugendstrafe verhängt werden. Das Jugendstrafverfahren kann auch bei schweren Vorwürfen mit einer Einstellung des Verfahrens, etwa gegen Schadenswiedergutmachung oder Arbeitsstunden, beendet werden.

Die Sanktionen im Jugendstrafrecht

Im Jugendstrafrecht gibt es viele unterschiedliche Sanktionen.

  1. Erziehungsmaßregeln
  2. Zuchtmittel
  3. Jugendstrafe

Erziehungsmaßregeln

Auf der mildesten Sanktionsstufe stehen die sogenannten Erziehungsmaßregeln. Dazu gehören Weisungen, die dem Jugendlichen erteilt werden können. Typische Weisungen sind etwa die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs oder das Ableisten von Freizeitarbeiten.

Zuchtmittel

Helfen keine Erziehungsmaßregeln, werden sogenannte Zuchtmittel gegen Jugendliche verhängt. Dazu gehört die Verwarnung, die schriftlich oder mündlich in der Hauptverhandlung erfolgt. Durch eine Ermahnung soll Jugendlichen das Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden. Ein anderes Zuchtmittel sind Auflagen, wie die Schadenswiedergutmachung oder eine Entschuldigung. Das einschneidendste Zuchtmittel ist der Jugendarrest. Wird ein Jugendarrest verhängt, muss der Jugendliche für wenige Tage bis zu einem Monat in das Gefängnis, was in den seltensten Fällen eine positive Wirkung auf Jugendliche hat.

Jugendstrafe

Hilft auch ein Jugendarrest nicht, wird das letzte Mittel im Jugendstrafrecht angewandt, die Jugendstrafe. Eine Jugendstrafe wird verhängt, wenn schädliche Neigungen bei dem Jugendlichen besten oder die Schwere der Schuld einen Aufenthalt in der Jugendstrafanstalt erfordert. Um dies zu verhindern, sollte immer versucht werden, eine Bewährung oder Vorbewährung zu erreichen.

Pflichtverteidigung

Nicht selten kommt im Jugendstrafrecht eine Pflichtverteidigung in Betracht. Bei dieser übernimmt der Staat vorerst die Kosten der Verteidigung. Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt beispielsweise vor, wenn dem Jugendlichen ein Verbrechen, wie etwa ein Raub, vorgeworfen wird oder die Verhängung einer Jugendstrafe droht. In diesen Fällen muss dem Jugendlichen ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden, bevor eine Vernehmung zur Sache erfolgt. Dadurch soll verhindert werden, dass gerichtsunerfahrene Jugendliche unüberlegt auf die Ausübung ihrer Rechte verzichten.

Größere Chancen auf die Einstellung des Verfahrens

Im Jugendstrafrecht bestehen große Chancen auf eine Einstellung des Verfahrens, eine sogenannte Diversion. Die Diversion kann wesentlich häufiger als im Erwachsenenstrafrecht und auch bei schwereren Vorwürfen erreicht werden.

Strafverteidigerin kontaktieren

Um gerichtsunerfahrene und unsichere Jugendliche vor negativen Folgen in ihrer beruflichen und persönlichen Zukunft zu schützen, sollte so schnell wie möglich Kontakt zu einer Strafverteidigerin aufgenommen werden, die regelmäßig im Jugendstrafrecht tätig ist. Wer hier zu einem Rechtsanwalt geht, der die Sanktionen und Besonderheiten des Jugendstrafrechts nicht ausreichend kennt, verschenkt entscheidende Verteidigungschancen.

Wichtig ist auch, dass Jugendliche vor einer anwaltlichen Beratung keine Angaben zur Sache machen. Wie bei Erwachsenen gilt: Keine Stellungnahme ohne vorherige Akteneinsicht durch die Strafverteidigerin.

Sind Sie als Jugendlicher oder Eltern eines Jugendlichen auf der Suche nach anwaltlichem Beistand im Jugendstrafverfahren? Kontaktieren Sie mich gerne für ein erstes Beratungsgespräch. Als Strafverteidigerin im Jugendstrafrecht informiere ich sowohl Eltern als auch Jugendliche über die Grundzüge des Jugendstrafverfahrens und verteidige junge Menschen auf Augenhöhe.


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