Das Rückwirkungs- und Analogieverbot in der Verfassungsbeschwerde

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„Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“ (Art. 103 Abs. 2 GG)

Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine ganz zentrale verfassungsmäßige Absicherung des deutschen Strafrechts. Sie ist nicht nur ein Justizgrundrecht, sondern auch ein Grundpfeiler des Rechtsstaats.

Wie viele andere Bestimmungen des Grundgesetzes ist auch sie aus der NS-Zeit erklärbar, als man sich häufig Gesetze nachträglich so gestrickt hat, dass am Ende zwangsläufig das „richtige“ Urteil herauskam.

Zeitlicher Bezug: Rückwirkungsverbot

Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes hat zunächst eine zeitliche Komponente: Ein Verhalten ist nur strafbar, wenn es ein Strafgesetz gibt, das vor (und eben nicht erst nach) der Tat in Kraft getreten ist. Damit ist ein Gesetz, das eine rückwirkende Strafbarkeit einführt, verfassungswidrig.

Über den Wortlaut hinaus ist aber nicht nur eine rückwirkende Neueinführung von Straftatbeständen unzulässig, sondern auch eine Verschärfung des Strafrahmens für bereits bestehende Vergehen und Verbrechen. Jeder soll im Moment der Tat wissen (oder zumindest wissen können), welche Sanktionen ihn erwarten.

Auch für Ordnungswidrigkeiten, die keine Straftaten im eigentlichen Sinne darstellen, wird Art. 103 Abs. 2 GG angewandt. Denn auch hier findet das Prinzip, dass der Bürger auf die bestehende Rechtslage vertrauen darf, Anwendung.

Zulässig ist dagegen eine nachträgliche Abmilderung oder Abschaffung von Strafvorschriften, da diese zugunsten des Bürgers wirkt.

Inhaltlicher Bezug: Unschärfe- und Analogieverbot

Daneben wird aber auch aus dem Begriff „gesetzlich bestimmt“ herausgelesen, dass ein Strafgesetz nicht zu ungenau formuliert sein darf. Es muss exakt im Gesetz stehen, was erlaubt und was verboten ist. Dies muss grundsätzlich auch so formuliert sein, dass der Bürger (der sich ja an dieses Gesetz halten muss) auch ohne juristisches Studium weiß, welches Verhalten verboten ist.

Wenn es dagegen keine Vorschrift gibt, die ein Verhalten eindeutig für strafbar erklärt, dann darf nicht auf eine Vorschrift zurückgegriffen werden, die „so ähnlich“ ist. Dieses Analogieverbot soll insbesondere ein Gesinnungsstrafrecht verhindern, mit dem allgemeine Tatbestände so ausgelegt werden, dass man sie gezielt gegen bestimmte Personengruppen einsetzen kann.

Probleme gibt es in der Praxis bei Gesetzen, die unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden. So ist zum Beispiel nicht ganz selbsterklärend, was nun alles unter „die Beleidigung“ (§ 185 StGB) fällt, wann eine Drohung „verwerflich“ (§ 240 StGB) ist oder wann ein Schriftstück eine „Urkunde“ (§ 267 StGB) ist. Insoweit muss man allerdings zwischen einem fachrechtlich falschen Urteil und einem verfassungswidrigen Urteil unterscheiden.

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