Das Zweckentfremdungsverbot – wann ist die Vermietung privaten Wohnraums an Touristen zulässig?

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Inzwischen existieren zahlreiche Portale, in denen privater Wohnraum für eine tage- oder wochenweise Nutzung entgeltlich an Touristen zur Verfügung gestellt werden kann. Vor allem regionale Veranstaltungen wie zum Beispiel das Oktoberfest in München sind eine gute Gelegenheit dafür, da Hotels und Pensionen bereits frühzeitig während der Wiesnzeit ausgebucht sind. Da allerdings der Wohnungsmarkt gerade in Ballungszentren und damit beliebten Reisezielen erheblich angespannt ist, haben die Städte und Gemeinden auf Grundlage eines Landesgesetzes die Möglichkeit erhalten, eine Satzung oder Verordnung zu erlassen, um die Zweckentfremdung von Wohnraum in der jeweiligen Stadt bzw. Gemeinde einzudämmen und diese von einer behördlichen Genehmigung abhängig zu machen.

Zweckentfremdung von Wohnraum

Es hat sich zu einer attraktiven Unterbringungsmöglichkeit entwickelt, private Wohnräume während einer Reise entgeltlich zu nutzen. Hierdurch soll dem Touristen das Lebensgefühl der jeweiligen Stadt besser vermittelt werden, indem er eine in seinem Reisezeitraum nicht genutzte Wohnung in einem trendigen Stadtviertel für sich bucht. Für den jeweiligen Mieter bzw. Eigentümer der Wohnung kann es sich wiederum um einen attraktiven Neben- oder Zusatzverdienst handeln, gerade vor dem Hintergrund steigender Mieten. Demgegenüber haben die Städte und Gemeinden die Aufgabe, die Bevölkerung mit ausreichend Wohnraum zu angemessenen Bedingungen zu versorgen. Diese Aufgabe sehen sie durch die gewerbliche Vermittlung privaten Wohnraums an Touristen besonders gefährdet. Infolgedessen wurden auf der Länderebene Gesetze erlassen, die die Zweckentfremdung von Wohnraum genehmigungspflichtig machen.

Begriff der Zweckentfremdung

Unter Zweckentfremdung wird regelmäßig die zum Zwecke der wiederholten nach Tagen oder Wochen bemessenen Vermietung von Wohnraum als Ferienwohnung, die gewerbliche Zimmervermietung oder die Einrichtung einer Schlafstelle verstanden (zum Beispiel § 2 Abs. 1 des Zweckentfremdungsverbot-Gesetz Berlin). Eine Genehmigung für die Zweckentfremdung von Wohnraum wird nur unter strengen Voraussetzungen erteilt (zu den Voraussetzungen zum Beispiel § 3 Zweckentfremdungsverbot-Gesetz Berlin oder Art. 3 des Wohnraum-Zweckentfremdungsverbots-Gesetz Bayern).

Keine Zweckentfremdung

Eine Zweckentfremdung liegt nach § 4 Abs. 2 der Wohnraum-Zweckentfremdungsverbots-Satzung der Stadt München nicht vor, wenn Wohnraum leer steht, weil er trotz nachweislicher geeigneter Bemühungen über längere Zeit nicht wieder vermietet werden konnte. Ferner liegt keine Zweckentfremdung vor, wenn eine Wohnung durch die Verfügungsberechtigte bzw. den Verfügungsberechtigten oder die Mieterin bzw. den Mieter zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken mitbenutzt wird, insgesamt jedoch die Wohnnutzung mit über 50 % der Fläche überwiegt und Räume nicht baulich verändert wurden. Es stellt sich bei dieser Variante die berechtigte Frage, ob nicht gerade die gewerbliche (Unter-)Vermietung eines Zimmers in der eigenen oder gemieteten Wohnung an Touristen eine Zweckentfremdung darstellt. Das freie Zimmer könnte dauerhaft an Studenten oder andere Personen vermietet werden. Denn de facto wird durch die gewerbliche tage- oder wochenweise Vermietung eines Zimmers anderen Personen, die eine dauerhafte Unterbringungsmöglichkeit suchen, eine Wohnmöglichkeit genommen.

Zwischenergebnis

Der Anwendungsbereich der einschlägigen Satzungen und Verordnungen ist demnach grundsätzlich nur bei der gewerblichen Vermietung der eigenen Wohnung im Ganzen als Ferienwohnung gegeben. Gemeint sind damit Fälle, in denen bewusst Wohnungen für die Nutzung als Ferienwohnung erworben und damit der dauerhaften Nutzung der Bevölkerung entzogen werden. Die gewerbliche Vermietung eines einzelnen Zimmers fällt somit nicht in den Anwendungsbereich, wenn und soweit die eigene Wohnung über 50 % der Wohnungsfläche beträgt.

Kein Verstoß gegen die Berufsfreiheit

Mit Urteil vom 08.06.2016 (Aktenzeichen 6 K 103.16) hat das Verwaltungsgericht Berlin für den Fall der gewerblichen Vermietung von Ferienwohnungen entschieden, dass das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz Berlin nicht gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerte Berufsfreiheit verstößt. Das Gericht führt hierzu aus, dass die gewerbliche Vermietung von Ferienwohnungen einen Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG darstelle, weil die Tätigkeit auf Dauer angelegt sei und der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage diene. Die gewerbliche Vermietung von Ferienwohnungen sei aber mit der klassischen Vermietung von Wohnungen nicht gleichzusetzen, weil es „normalen“ Wohnraumvermietern auf die Dauer angelegte Häuslichkeit einer Person oder eines Personenkreises ankomme, während die gewerbliche Vermietung von Ferienwohnungen von einem vorübergehenden Aufenthalt wechselnder Personen mit einem anderen Lebensmittelpunkt geprägt sei. Zwar sei das Zweckentfremdungsverbot ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, es sei jedoch nicht als Berufsverbot einzustufen, da lediglich eine bestimmte Art der gewerblichen Vermietung von Ferienwohnungen unterbunden werde und zwar diejenige des privaten Wohnraums. Dieser Eingriff sei jedoch unter allen denkbaren Gesichtspunkten gerechtfertigt, weil vernünftige Gründe des Allgemeinwohls vorlägen. Diese seien in der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum zu sehen. Schließlich sei das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz auch verhältnismäßig, weil es sich um ein geeignetes Mittel zur Verringerung der bestehenden Wohnungsnot handle, es erforderlich sei, weil kein gleich effektives Mittel zur Verfügung stehe und es auch angemessen sei, weil es sich um ein hochrangiges Ziel handle, während den gewerblichen Vermietern von Ferienwohnungen anderen Möglichkeiten wie zum Beispiel die Vermietung anderer Räumlichkeiten zur Verfügung stünde.

Kein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie

Zudem hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz Berlin nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verstoße. Das Zweckentfremdungsverbot sei dem jeweiligen Eigentümer auf Grund der Sozialpflicht des Eigentums zumutbar, weil Wohnraum durch eine privatnützige längerfristige Vermietung verwendet werden könne. Schließlich stehe es ihm offen, andere Räumlichkeiten für die gewerbliche Nutzung zu erwerben, welche nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fielen. Darüber hinaus sei jede sich bietende Chance zu einer günstigen Verwertung seines Eigentums sofort und maximal auszunutzen, verfassungsrechtlich nicht geschützt.

Genehmigungsvoraussetzungen

Gemäß § 5 Wohnraum-Zweckentfremdungsverbots-Satzung der Stadt München darf Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken zugeführt werden, wenn eine Genehmigung beantragt und erteilt worden ist. Eine solche Genehmigung ist von der zuständigen Behörde zu erteilen, wenn vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige privaten Interessen an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums überwiegen. Vorrangige öffentliche Interessen sind gemäß § 6 Wohnraum-Zweckentfremdungsverbots-Satzung der Stadt München, wenn Wohnraum zur Versorgung der Bevölkerung mit sozialen Einrichtungen wie z. B. Ausbildungs- oder gesundheitliche Zwecke oder lebenswichtigen Diensten wie z. B. der ärztlichen Betreuung verwendet werden soll, die gerade an dieser Stelle der Gemeinde dringend benötigt werden und die andere Räume nicht zur Verfügung stehen oder nicht zeitgerecht geschaffen werden können. Überwiegende schutzwürdige private Interessen sind insbesondere bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz gegeben. So hat das VG Berlin mit aktuellem Urteil vom 09.08.2016 (Aktenzeichen 6 K 91.16) in diesem Zusammenhang entschieden, dass die vorübergehende Vermietung an Touristen einer Zweitwohnung zwar unter das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz falle. Diesen Eigentümern der Zweitwohnung stünde jedoch ein Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung für die Vermietung zu. Die Eigentümer würden die Zweitwohnung beruflich und/oder privat nutzen. In der Zeit, in der die Zweitwohnung von den Eigentümern nicht genutzt wird, stünde diese Wohnung andernfalls leer, so dass auch kein Wohnraumverlust eintreten könne, welchen das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz aber zu verhindern versuche. Denn die Eigentümer einer selbst genutzten Zweitwohnung würden diese nicht zur dauerhaften Vermietung freigeben.

Bußgeldvorschriften

Die jeweiligen Vorschriften sehen Bußgeldtatbestände vor, welche mindestens fünf Euro und maximal 50.000 Euro oder gar 100.000 € für Verstöße gegen die Regelungen des Zweckentfremdungsverbots betragen. Es ist deshalb ratsam, sich vorab mit der zuständigen Behörde abzustimmen oder anwaltlichen Rat in Anspruch zu nehmen, ob die beabsichtigte Vermietung unter das Zweckentfremdungsverbot fällt und demnach nur mit einer Genehmigung möglich ist oder dem Grunde nach bereits keine Zweckentfremdung vorliegt.

Fazit

Die Vermietung privaten Wohnraums an Touristen ist auf Grund der zahlreichen Regelungen zum Zweckentfremdungsverbot demnach nur dann möglich, wenn es sich um eine selbstgenutzte Zweitwohnung handelt oder die eigene Wohnung während der Urlaubszeit an Dritte vermietet wird. Schließlich ist die (Unter-)Vermietung eines Zimmers in der eigenen Wohnung zulässig, wenn die Wohnnutzung über 50 % der Wohnfläche beträgt. In allen anderen Fällen bedarf es einer Genehmigung.

Dr. Sonja Sojka
Rechtsanwältin
Diplom-Finanzwirtin (FH)

 


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