Der Rücktritt vom Vertrag - wieviele Fristsetzungen sind zuvor erforderlich?

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Insbesondere bezogen auf das Kaufrecht hörte man auf diese Frage oft die Antwort: "zwei". Denn es hieß immer, der Verkäufer habe das "Recht zur zweiten Andienung". Das ist genau genommen auch richtig. Aber viele verstanden dieses "Recht zur zweiten Andienung" so, dass man den Verkäufer zweimal unter Fristsetzung zur Nacherfüllung auffordern müsse, ehe man vom Vertrag zurücktreten könne. Das ist falsch, wie der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 26.08.2020 - VIII ZR 351/19) klargestellt hat.

1. Stufe: das Recht zur Nacherfüllung

Das Werk muss bei der Abnahme frei von Sach- und Rechtsmängeln sein. Gleiches gilt für den Kaufgegenstand bei Gefahrübergang (Übergabe). Ob eine Mangelhaftigkeit vorliegt, bemisst sich in erster Linie nach der vereinbarten Beschaffenheit. Diese ergibt sich aus den gesamten Vertragsunterlagen und deren Auslegung. 

Liegt ein Mangel vor, so hat der Käufer oder Auftraggeber (Besteller) zunächst das Recht auf Nacherfüllung, also Mängelbeseitigung oder Neuherstellung. Der Vorrang der Nacherfüllung im Kaufrecht und Werkvertragsrecht wird anschaulich auch als Recht zur zweiten Andienung bezeichnet. Denn der Verkäufer oder Werkunternehmer soll durch Aufforderung und Setzung einer Frist zur Mängelbeseitigung eine zweite Chance erhalten, ordnungsgemäß zu erfüllen. Vor Erfüllung der Obliegenheit, dem Vertragspartner die Chance zur Nacherfüllung zu geben, sind weitergehende Mängelrechte wie Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz statt der Leistung und im Werkrecht die Selbstvornahme oder der Kostenvorschuss unzulässig. 

Die Fristsetzung ist nur ausnahmsweise entbehrlich. Entbehrlich ist die Fristsetzung beispielsweise beim Fehlschlag oder Verweigerung der Nacherfüllung oder wenn die Mängelbeseitigung unmöglich ist und der Käufer bzw. Besteller hierfür nicht verantwortlich ist. Das Recht zur zweiten Andienung kann also nicht umgangen werden, indem ein Mangel ohne Fristsetzung selbst beseitigt und dadurch die Nacherfüllung unmöglich gemacht wird. Entbehrlich ist die Fristsetzung auch bei Vorliegen von Arglist. 

Die Entscheidung des BGH (Urteil vom 26.08.2020 - VIII ZR 351/19)

Der Bundesgerichtshof hat nun klargestellt, dass das Recht auf zweite Andienung erfüllt ist, wenn eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt wurde. Hat der Käufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt und ist diese erfolglos abgelaufen, dann ist der Käufer nicht gehalten, dem Verkäufer eine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung einzuräumen, bevor er den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Dem Verkäufer soll im Rahmen seiner "zweiten Andienung" (die "erste Andienung" ist die Übergabe der Kaufsache bzw. erstmalige Herstellung des Werks) eine letzte Chance eingeräumt werden, eine mangelfreie Sache zu verschaffen und so u.a. eine Rückabwicklung nach Rücktritt zu vermeiden. 

Schafft es der Verkäufer (oder Werkunternehmer) nicht, im Rahmen des Nachbesserungsversuches den Mangel zu beseitigen, so muss der Käufer (oder Besteller) die Sache (bzw. das Werk) nicht noch einmal - quasi ein drittes Mal nach Übergabe und erstem Nacherfüllungsversuch - zur Verfügung stellen.

Ein zweimaliges Fehlschlagen der Nachbesserung ist nur dann Rücktrittsvoraussetzung (vgl. § 440 BGB), wenn der Käufer sein Nachbesserungsverlangen nicht mit einer Fristsetzung verbunden hatte. 

Im Übrigen stellt der Bundesgerichtshof klar, dass die Frist zur Nacherfüllung nicht bereits dann gewahrt ist, wenn der Verkäufer (oder Werkunternehmer) innerhalb der Frist (irgend-)eine Leistungshandlung erbracht hat; vielmehr muss auch der Leistungserfolg (erfolgreiche Beseitigung des Mangels) eingetreten sein. Die Frist ist daher so zu bemessen, dass es dem Verkäufer (oder Werkunternehmer) bei ordnungsgemäßen Vorgehen vor Fristablauf voraussichtlich auch - unter größten Anstrengungen - möglich ist, den Leistungserfolg herbeizuführen. Es ist aber ständige Rechtsprechung des BGH, dass eine unangemessen kurze Frist eine angemessene Frist in Gang setzt.

Fazit

Der grundsätzlich gebotenen (außer bei Entbehrlichkeit) Fristsetzung ist nach Vorstellung des Gesetzgebers bereits dann genügt, wenn der Käufer (oder Besteller) einmalig fruchtlos eine angemessene Nacherfüllungsfrist gesetzt hat. Dies gilt für die Ausübung des Rücktritts, der Minderung oder die Wahl von Schadensersatz gleichermaßen. 

Einer erneuten - zweiten - Fristsetzung zur Nacherfüllung bedarf es nur bezüglich "neuer" Mängel. 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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