Die Haftung des Bauunternehmers bei ungewissem Verursachungsbeitrag

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Der Beitrag zeigt anhand eines Beispielfalles die Haftung des Bauunternehmers bei ungewissem Verursachungsbeitrag auf.

Sachverhalt

Für den Umbau und zur Sanierung eines Schuldgebäudes übertrug der Bauherr dem Bauunternehmer Leistungen in den Gewerken Heizung und Sanitär. Im Rahmen der Arbeiten wurde eine Schweißmuffe der Regenfallleitung der Hauptdachentwässerung oberhalb der Dachterrasse nicht mit einem Regelfallrohr verschweißt, woraufhin eine offene Fuge zwischen zwei Rohrenden entstand, aus welcher Niederschlagswasser in den Dachaufbau der Dachterrasse eindrang und in die Gebäudebereiche lief. Dabei kam es zu Feuchteschäden an den Decken, Wänden, Fußbodenaufbauten und der Elektroinstallation des Gebäudes. Der Bauherr wandte zur Beseitigung der Schäden insgesamt 214.669,75 EUR auf, von denen 120.000,00 EUR durch den Betriebshaftpflichtversicherer ausgeglichen worden sind.

Das Urteil des LG Leipzig, 30.06.2022 – 1 O 38/22

Die ausstehende Differenz machte der Bauherr vor dem Landgericht Leipzig klageweise geltend. Das Landgericht Leipzig hatte zu entscheiden, ob dem Kläger zuzurechnende Mitverschuldensanteile Dritter und ein etwaiges anspruchsminderndes klägerisches Eigenverschulden anzunehmen sind. Besonderer Relevanz galt der Frage nach dem Vorliegen von Ausführungs- und Planungsmängeln in anderen Gewerken. Der Kläger trug vor, selbst wenn von weiteren Ausführungs- oder Planungsmängeln in anderen Gewerken auszugehen wäre, könne nur eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten mit Dritten bestehen, nicht aber eine für den Beklagten günstigere Quotenhaftung. Die Beklagte bestritt ihre volle Einstandspflicht und konstatiert, sie hafte nicht für die gesamten zur Beseitigung der Feuchtigkeit notwendigen Kosten, da Mängel anderer Gewerke den Wasserschaden mitverursacht hätten.

Am 30.06.2022 verurteilte das Landgericht Leipzig die Beklagte zur vollumfänglichen Haftung für die mangelhafte Ausführung der zu erbringenden Leistung und der hieraus entstandenen Feuchteschäden am Gebäude. Die nicht ordnungsgemäße Verschweißung der Schweißmuffe mit dem Regelfallrohr stelle einen wesentlichen Mangel dar, der die Gebrauchstauglichkeit erhebliche beeinträchtige. Entscheidend sei, dass die Beklagte auch dann für den vollen Schaden aufkommen müsse, wenn ihr

Verursachungsbeitrag ungewiss bleibt, da sie die Beweislast dafür trage, dass ihr Verhalten für den Schadenseintritt nicht ursächlich gewesen ist.

§ 830 Abs. 1 S. 2 BGB

Im Fokus der Entscheidung des LG Leipzig stand der § 830 Abs. 1 S. 2 BGB in entsprechender Anwendung. 

Gem. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB ist jeder für die Entstehung eines Schadens verantwortlich, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat. Die Beklagte hatte im Prozess, ohne näher zum eigenen Verursachungsanteil vorzutragen, an ihrer Auffassung festgehalten, sie hafte nicht für den Gesamtschaden, da dieser durch Mängel anderer Gewerke mitverursacht worden sei.

Nach Ansicht des Landgerichts reicht der Vortrag der Beklagten nicht aus, um die für eine Haftung entscheidende Kausalitätsfrage zu ihren Gunsten zu entscheiden.

Die Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess

Nach der sog. im Zivilprozess geltenden Verhandlungs- oder auch Dispositionsmaxime sind die am Verfahren beteiligten Prozessparteien dafür verantwortlich, die relevanten Tatsachen in den Prozess einzubringen. Die Darlegungslast legt hierbei fest, dass die Parteien dazu verpflichtet sind, Tatsachen vorzutragen, die als Basis für die rechtliche Prüfung des Gerichts dienen. Um ihrer Beweislast nachzukommen, muss eine Prozesspartei die Erfüllung des von ihr vorgetragenen Tatbestands beweisen. Grundsätzlich gilt, dass derjenige, der im Prozess etwas für sich Vorteilhaftes behauptet, sein Vorbringen auch beweisen muss.

Die Darlegungs- und Beweislast trifft also in der Regel den Geschädigten.

§ 830 Abs. 1 S. 2 BGB mildert diese grundsätzliche Lastenverteilung dahingehend ab, dass es des Kausalitätsnachweises nicht bedarf, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat (vgl. BGH, Urt. v. 16.01.2001 – X ZR 69/99).

Nach Ansicht des Landgerichts Leipzig liegen die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB im konkreten Fall vor. 

Wäre den weiteren Baubeteiligten mangelhafte Leistungserbringung vorzuwerfen, würde auch bei diesen ein anspruchsbegründendes Verhalten vorliegen und hätte mindestens einer der Beteiligten den Schaden verursacht, wobei nicht festzustellen wäre, ob der Schaden in jedem Fall allein aufgrund der mangelhaften Schweißmuffe oder teilweise durch das Hinzutreten möglicher weiterer Mängel entstanden ist. Das haftungsbegründende Verhalten der Beklagten war jedenfalls abstrakt zur Herbeiführung eines Schadens wie des vorliegenden geeignet, sodass die Beklagte auch bei Vorliegen der von ihr behaupteten weiteren – nicht durch sie verursachten – Mängel als Gesamtschuldnerin den ganzen Schaden zu ersetzen hätte.

Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts wies das Oberlandesgericht Dresden am 18.04.2023 (Az.14 U 1551/22 ) vollumfänglich zurück. 

Das Oberlandesgericht wies noch einmal ausdrücklich auf Folgendes hin: Nach der (im Werkvertragsrecht entsprechend anzuwendenden) Regelung des § 830 BGB ist jeder für den Schaden (voll) verantwortlich, der durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung verursacht wurde. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat (§ 830 Abs. 1 S. 2 BGB).

Fazit

Das Landgericht Leipzig und das Oberlandesgericht Dresden rücken § 830 Abs. 1 S. 2 BGB und denn hinter der Vorschrift stehenden allgemeinen Rechtsgedanken in den Fokus der Entscheidung. Indem dem Schädiger die Beweislast zugewiesen wird, trägt die Vorschrift gerade beim Bestehen von Anteilszweifeln der hieraus resultierenden Beweisnot des Geschädigten Rechnung, weder etwaige Schadensquellen beherrschen noch den schädigenden Geschehensablauf in Gänze erfassen zu können.

Für eine im Rahmen des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB notwendige Beweisführung der beklagten Partei reicht ein einfaches Bestreiten der geltend gemachten Schäden beim Nachweis der Kausalität der Haftung mehrerer Beteiligter mit ungewissem Verursachungsbeitrag nicht aus. Vielmehr muss das Gericht die Überzeugung gewinnen, dass der in Anspruch Genommene als Verursacher (gar) nicht in Betracht gezogen werden kann.


Foto(s): Stefan Arnold

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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