Die Anzeigepflicht - ein (teurer?) Stolperstein für den Versicherungsnehmer (3)

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Anfechtung, Rücktritt, Vertragsanpassung und Kündigung wegen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht – ein Überblick

Teil 3: Die Anfechtung nach § 123 BGB

Der vorliegende Beitrag knüpft an die Teile 1 (Einleitung) und 2 (Die Voraussetzungen des § 19 VVG) inhaltlich an.

Die Anfechtung nach § 123 BGB wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung

Der § 19 VVG, der die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung regelt, stellt eine Sonderregelung des Versicherungsrechts dar, die in ihrem Anwendungsbereich andere Ansprüche, insbesondere solche wegen Schadenersatz oder Anfechtung wegen Inhalts- oder Erklärungsirrtums, ausschließt.

Eine Ausnahme macht das Gesetz jedoch, wenn der Versicherungsnehmer nicht nur die Antragsfragen schuldhaft falsch beantwortet, sondern er den Versicherer arglistig täuscht. Denn im Falle der Arglist ist der Versicherungsnehmer nicht schutzbedürftig.

Daher regelt § 22 VVG, dass das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, unberührt bleibt.

Eine Täuschung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer bei der Antragsstellung eine Frage aktiv falsch beantwortet oder wenn er risikorelevante Umstände verschweigt. Im letzteren Fall muss er aber zur Aufklärung und Offenlegung verpflichtet sein. Dies wird regelmäßig gegeben sein, wenn eine in Textform gestellte Frage nicht richtig beantwortet wurde. Umstritten ist nur, welche Folge sich ergibt, wenn eine von dem Versicherungsvermittler mündlich gestellte Frage falsch beantwortet oder auf die mündliche Frage ein Risiko nicht offenbart wurde. Dieser Fall ist aber – zumindest in den Personenversicherungen – eher ungewöhnlich.

Wichtigstes Abgrenzungskriterium ist die gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit der Falschbeantwortung, denn nur diese rechtfertigt es, dem Versicherer im Vergleich zum § 19 VVG mehr Rechte in die Hand zu geben. Die Täuschung muss daher arglistig erfolgen, wobei Arglist immer dann vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer die Unrichtigkeit seiner Angabe kennt und in dem Bewusstsein handelt, die Entscheidung des Versicherers über den Vertragsschluss mit der falschen Antwort zu beeinflussen. Eine betrügerische Absicht ist allerdings nicht zu verlangen. Auch Antworten „ins Blaue hinein“, wenn der Versicherungsnehmer also annimmt, dass die Antwort falsch sein könnte, fallen hierunter.

Die Falschangabe muss bei dem Versicherer einen Irrtum hervorgerufen haben, was regelmäßig dann ausgeschlossen ist, wenn er – aus anderen Quellen – die richtigen Umstände kennt. Außerdem muss der Irrtum für den Vertragsschluss kausal gewesen sein, d. h. dass der Versicherer den Vertrag bei Kenntnis der Umstände nicht oder nicht zu den gleichen Bedingungen geschlossen hätte.

Die Vorteile der Anfechtung im Vergleich zum Rücktritt liegen für den Versicherer sowohl in der härteren Rechtsfolge als auch in der leichteren Beweisbarkeit.

Denn hat der Versicherer ein Anfechtungsrecht nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung, so kann er den Vertrag anfechten. Mit Zugang der Anfechtungserklärung entfällt der Vertrag rückwirkend, und zwar restlos – das heißt auch für solche Versicherungsfälle, die nicht kausal mit dem nicht angezeigten Umstand im Zusammenhang stehen. Erhaltene Leistungen muss der Versicherungsnehmer zurückzahlen. Dies unterscheidet die Anfechtung vom Rücktritt, da im Falle des Rücktritts die Versicherungsansprüche des Versicherungsnehmers aus Versicherungsfällen, die mit dem Umstand in keinem Zusammenhang stehen, nicht wegfallen.

Außerdem ist die Anfechtungsfrist des § 123 BGB mit einem Jahr ab Kenntnis der Anzeigepflichtverletzung deutlich länger als die für den Rücktritt geltende Monatsfrist. Dies gilt auch für die Höchstfrist, da ein Rücktritt innerhalb von fünf Jahren nach dem Vertragsschluss erklärt sein muss, während die Anfechtung zehn Jahre ab Vertragsschluss möglich ist.

Schließlich ist die Beweislastverteilung für den Versicherer im Falle der Anfechtung günstiger, da er nur nachweisen muss, dass der Versicherungsnehmer einen ihm bekannten Umstand nicht angezeigt hat. Diese objektiven Voraussetzungen lassen sich recht leicht nachhalten und werden in vielen Fällen auch nicht streitig sein. In subjektiver Hinsicht muss der Versicherer nur nachweisen, dass der nicht angezeigte Umstand von einem solchen Gewicht ist, dass man daraus auf die Arglist schließen kann. Es reicht also, ausreichende Indizien vorzutragen. Aufgrund dessen spielt im Bereich der Arglist in gerichtlichen Verfahren auch häufig „die Musik“ und es wird um die Deutung über die Wertigkeit der nicht angezeigten Umstände gestritten. Erstaunlicherweise lässt sich feststellen, dass insbesondere in den Gerichten erster Instanz – die seltener mit derartigen Fällen zu tun haben – die Neigung überwiegt, arglistige Täuschung recht schnell anzunehmen, während im Berufungsverfahren vor dem OLG der Sachverhalt wesentlich kritischer geprüft wird.

Ist die Anfechtung des Vertrags wirksam, so bleibt es im Übrigen bei der bereits im Rücktritt genannten Regelung bezüglich der gezahlten Beiträge. Der Versicherer kann auch hier die bis zum Wirksamwerden der Anfechtung angefallenen Beiträge behalten (§ 39 Abs. 1 VVG).

Fazit:

Wie in den vorstehenden Teilen 1 bis 3 gezeigt, muss der Versicherungsnehmer grundsätzlich die von dem Versicherer in Textform abgefragten Gefahrenumstände richtig beantworten, um dem Versicherer so die Möglichkeit einzuräumen, auf fundierter Basis über die Annahme des angebotenen Versicherungsvertrags zu entscheiden.

Verletzt der Versicherungsnehmer diese Pflicht, so hängen die Rechte des Versicherers im Wesentlichen vom Grad des Verschuldens des Versicherungsnehmers ab. Der Versicherer wird dabei geneigt sein, sowohl eine Falschbeantwortung als auch einen möglichst hohen Grad an Verschulden – also Vorsatz oder sogar Arglist – anzunehmen, um so die weitreichendsten Folgen für sich herleiten zu können.

Die Praxis zeigt jedoch, dass die dem Versicherungsnehmer eine Vielzahl von Möglichkeiten offen stehen, sich gegen diese Entscheidung des Versicherers zur Wehr zu setzen und trotz der objektiven Falschbeantwortung einer Frage Versicherungsansprüche noch durchzusetzen.

Sollten Sie hierzu oder zu einem anderen versicherungsrechtlichen Thema Rückfragen haben, stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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