Die Arbeitsunfähigkeit in der Restschuldversicherung

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Nahezu alle Banken bieten inzwischen Restschuldversicherungen für den Fall des Todes, der Erwerbsunfähigkeit und der Berufsunfähigkeit des Darlehensnehmers an. Den meisten dieser Versicherungen ist neben ihrer Intransparenz und Unverständlichkeit gemein, dass sie im Versicherungsfall nur sehr begrenzt freiwillig Leistungen erbringen. Bei der gerichtlichen Durchsetzung des Versicherungsanspruchs zeigt sich häufig, dass aufgrund der individuell ausgestalteten Versicherungsbedingungen nicht unerhebliche Probleme bei der Rechtsdurchsetzung entstehen können. Umso erfreulicher ist ein jetzt veröffentlichtes Urteil des OLG Koblenz vom 18.11.2011, Az. 10 U 1111/10, mit dem der Senat zugunsten des Versicherungsnehmers Klarheit in die Voraussetzungen des Versicherungsfalls „Arbeitsunfähigkeit" bringt.

Der zu beurteilende Sachverhalt ist relativ simpel: die klagende Darlehensnehmerin hatte 2006 zusammen mit ihrem Darlehensvertrag bei der X-Bank eine Restschuldarbeitsunfähigkeitsversicherung bei dem beklagten Versicherer abgeschlossen. Die Versicherung sah eine Laufzeit von 72 Monaten vor. Dies entsprach der Laufzeit des Darlehensvertrags. Seit dem Jahre 2006 ist die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Bis zum Jahre 2008 erbrachte die Beklagte Leistungen, um dann nach Einholung eines Gutachtens weitere Leistungen wegen einer angeblich bestehenden Berufsunfähigkeit abzulehnen. Die Klägerin erhob daraufhin Klage mit dem Antrag, ihr für die Vergangenheit und bis zum Ablauf der Versicherung die vertraglich versprochene Leistung zu erbringen.

Das Landgericht hatte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens der Klage insoweit stattgegeben, als dass Leistungen bis zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung begehrt wurden und die Klage im Weiteren abgewiesen. Hiergegen haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte Berufung eingelegt.

Dies gab dem Senat die Möglichkeit, zu drei Rechtsfragen Stellung zu nehmen:

1) Die Klägerin begehrte mit ihrem Antrag auch zukünftige Leistungen aus der Restschuldversicherung. Derartige Leistungsklagen sind nach der Zivilprozessordnung jedoch nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der §§ 257, 258 ZPO zulässig. Dies folgt schon daraus, dass das entscheidende Gericht in der Regel nicht wissen kann, ob die Voraussetzungen für die Leistung in der Zukunft überhaupt gegeben sein werden. Richtigerweise hat das OLG daher die Klage insoweit zurückgewiesen, als dass sie sich auf zukünftige Leistungen bezog.

2) Der Versicherungsvertrag bezog sich auf den Versicherungsfall der „Arbeitsunfähigkeit". Im Gegensatz zur „normalen" Krankentagegeldversicherung war in den Versicherungsbedingungen jedoch nicht ausdrücklich festgehalten, dass für den Versicherungsfall die 100%ige Arbeitsunfähigkeit Leistungsvoraussetzung ist. Die entsprechende Regelung der MB/KT führt in der Praxis regelmäßig zu rechtlichen Auseinandersetzungen, wenn im Streit steht, ob der Versicherungsnehmer geringfügige Teile seiner beruflichen Tätigkeit ausüben könnte. Da der Versicherungsvertrag diese ausdrückliche Einschränkung nicht vorsah, legte der Senat den Vertrag dahingehend aus, dass für den Anspruch ausreichend ist, wenn eine „überwiegende Arbeitsunfähigkeit" (Leitsatz Nr. 2) vorliegt.

Der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit konnte die Klägerin durch Sachverständigenbeweis erbringen.

3) Die Beklagte hatte in die Versicherungsbedingungen die Möglichkeit aufgenommen, den Versicherungsnehmer auf eine ihm nach Ausbildung und Ansehen vergleichbare Tätigkeit zu verweisen, wenn er nur in seinem ursprünglichen Beruf arbeitsunfähig ist, in dem Verweisungsberuf tätig werden könnte. Nach Ansicht der Beklagten müsse die Klägerin daher auch dazu vortragen, dass sie in allen möglichen Verweisungsberufen arbeitsunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen sei.

Dem ist der Senat nicht gefolgt. Hierzu führte er aus, dass Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit dadurch voneinander abgegrenzt werden, dass die Arbeitsunfähigkeit einen vorübergehenden Krankheitszustand beschreibt, während die Berufsunfähigkeit als dauerhaft anzusehen ist. Nach Ansicht des Senats soll es dabei schon gedanklich problematisch sein, in einer Arbeitsunfähigkeitsversicherung die Möglichkeit der Verweisung vorzusehen. Jedenfalls müsse die Beklagte dann die zur Berufsunfähigkeitsversicherung herausgearbeitete Rechtsprechung gegen sich gelten lassen, nach der den Versicherer eine Aufzeigungslast trifft, er also dem Versicherungsnehmer mögliche Verweisungsberufe aufzeigen muss, bevor dieser dann darzulegen und zu beweisen hat, dass es sich hierbei um keine zulässigen Verweisungsmöglichkeiten handelt. Dem habe die Beklagte nicht genügt.

Die Entscheidung ist zu begrüßen und in sich stimmig. Die Definition des Versicherungsfalls unterliegt zwar als primäre Leistungsbeschreibung nicht der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht. Dies schließt jedoch eine Auslegung der Versicherungsbedingungen nicht aus. Nach ständiger Rechtsprechung müssen Versicherungsbedingungen dabei nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ausgelegt werden. Bei Anlegung dieses Maßstabs dürfte es keinen Bedenken begegnen, wenn man mit dem Senat davon ausgeht, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht davon ausgeht, dass eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit Voraussetzung für den Leistungsanspruch ist, sofern dies nicht ausdrücklich in den Versicherungsbedingungen festgelegt wird.

Im Gegensatz dazu dürfte die Frage der Verweisungsmöglichkeit der AGB-Kontrolle unterliegen. In der Arbeitsunfähigkeitsversicherung dürfte die Möglichkeit der Verweisung den Versicherungsnehmer auch unangemessen in seinen Rechten verletzen, so dass die Klausel - wie vom Senat angedacht - unwirksam ist. Insoweit dürfte es auf die Frage der Darlegungslast für die Verweisungsberufe nicht ankommen.

Rechtsanwalt Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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